US-Regulatoren stellen Weichen für Konsolidierung im Banksektor
USA stellen Weichen für Bankenkonsolidierung
Behörden geben Merger von Capital One und Discover Financial frei
xaw New York
Der Zug rollt unaufhaltsam voran – und nimmt nun sogar noch Fahrt auf. Denn die Konsolidierung in Amerikas Bankensektor beschleunigt sich durch eine Groß-Transaktion im Kreditkartensegment: Capital One darf die Konkurrentin Discover Financial durch einen 35,5 Mrd. Dollar schweren Aktientausch übernehmen. Die Federal Reserve und das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige Office of the Comptroller of the Currency (OCC) gaben am Karfreitag nach langer und ruckliger Fahrt ihre Zustimmung für den Deal, auf den sich die beiden Finanzdienstleister im Februar 2024 geeinigt hatten. Mit dem ersten großen Bankzusammenschluss in den Vereinigten Staaten seit fünf Jahren stellen die Regulatoren die Weichen für weitere Merger in der Regierungszeit von US-Präsident Donald Trump.
Regionalbankenkrise als Impuls
Die Konsolidierung im Sektor ist bereits über die vergangenen Jahrzehnte stark vorangeschritten. Im Jahr 1985 gab es in den USA und ihren Außengebieten laut der Einlagensicherung FDIC noch nahezu 14.500 Banken, aktuell sind es weniger als 4.000 Institute. Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen Finanzdienstleister Nomura in New York, rechnet damit, dass sich die Konzentration in der Branche noch verstärkt. Die Krise unter regionalen Geldhäusern 2023 habe dabei noch einmal einen starken Impuls geliefert – damals kam es mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank binnen weniger als drei Monaten zu drei der vier größten Bankzusammenbrüche in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Die betroffenen Geldhäuser gerieten nach Zwangsverwaltung durch die FDIC in neue Eigentümerschaft: Silicon Valley Bank ist heute eine Division von First Citizens Bancshares, der Großteil der Einlagen und Assets von Signature Bank gingen an New York Community Bancorp (NYCB) und First Republic Bank an J.P. Morgan. Gerade die beiden letztgenannten Transaktionen sorgten allerdings für erhebliche Kritik in Finanzkreisen.
Gefährliche Konzentration
J.P. Morgan habe auf dem Papier zwar das nach den Regeln der FDIC beste Angebot gemacht. Doch müsse der Regulator im Rahmen solcher Auktionen nicht nur den Preis, sondern auch eine Reihe weiterer Faktoren beachten, mahnte der in den 1980er Jahren amtierende Behördenchef William Isaac mit Blick auf die Transaktion. Der Verkauf der First Republic an J.P. Morgan verschärfe schließlich Konzentrationsrisiken im Finanzsystem. „Die größten Banken werden schwerer und schwerer“, kritisiert Isaac die Entwicklung. Indem sie die Marktmacht der führenden Finanzinstitute noch stärke, beraube sich die FDIC auch für künftige Auktionen wichtiger Alternativen.
Bei NYCB mussten sich Regulatoren indes vorwerfen lassen, die Folgen der Übernahme des Signature-Portfolios nicht ausreichend durchblickt zu haben. Das auf Long Island ansässige Geldhaus geriet an der Börse Anfang des vergangenen Jahres schwer unter Druck, nachdem es einen überraschenden Verlust vermeldete und die Dividende gleich zweimal zusammenstrich. Denn es musste Kredite im Milliardenwert abschreiben und zudem höheren Anforderungen an die Risikovorsorge gerecht werden.
Schnelles Wachstum wird zur Falle
NYCB, die sich durch eine Kapitalerhöhung mit Unterstützung mehrerer Private Funds gerettet hat, wäre dabei beinahe ihr zu schnelles Wachstum zum Verhängnis geworden. Denn die Signature-Transaktion erfolgte, nachdem sich das Geldhaus 2022 bereits die Konkurrentin Flagstar Bank gesichert hatte – infolge der Deals wuchs seine Bilanzsumme auf über 100 Mrd. Dollar. Damit zählt sie zu den Instituten der Kategorie IV, für die deutlich härtere Kapital- und Liquiditätsvorgaben gelten als für kleinere Lender.
In das gleiche Raster fällt auch Discover Financial, während Capital One als Kategorie-III-Bank sogar noch höhere Anforderungen erfüllen muss. Der Congressional Research Service rief Regulatoren daher nach Verkündung des Deals dazu auf, die systemischen Risiken der Transaktion genauer zu prüfen. Denn der Merger werde Capital One ein schnelles Wachstum bescheren, zugleich sei es aber unwahrscheinlich, dass das fusionierte Institute die Definition einer Kategorie-II- oder gar Kategorie-I-Bank erfülle und sich damit höchsten Ansprüchen stellen müsse.
Bedenken von Verbraucherschützern
Die Federal Reserve und das OCC haben „den Effekt des Mergers auf lokale Gemeinschaften, den Bankensektor und das US-Finanzsystem“ nach eigenen Angaben „sorgfältig geprüft“. Während der Regierungszeit von Präsident Joe Biden hatten Regulatoren noch größere Bedenken bezüglich des Deals angemeldet, da eine stärkere Konsolidierung im Banken- und Payment-System üblicherweise zu Nachteilen und höheren Gebühren für Verbraucher führe. Auch hat die FDIC ihre Regeln für Bank-Merger im vergangenen Jahr nachgeschärft. Richard Fairbank, Gründer, CEO und Verwaltungsratschef von Capital One betonte indes, sich „der kritischen Bedeutung eines starken und kompetitiven Bankensystems für unsere Kunden und die Gesamtwirtschaft“ bewusst zu sein. Michael Shepherd, der Interims-CEO von Discover, sagte, der Deal werde „den Wettbewerb in Zahlungsnetzwerken stärken“.
Denn Discover verfügt über eine eigenes Payment-Netz und ist eine der wenigen echten Konkurrentinnen von Visa und Mastercard, die in Kombination mit der elitäreren American Express 95% aller Credit-Clearing-Transaktionen im amerikanischen Markt kontrollieren. Durch die Übernahme des Finanzdienstleisters aus Illinois sichert sich Capital One also nicht nur einen Zugang zu einer größeren Zahl an Kartenkunden mit hohen Bonitätsscores – sondern auch einen Zugriff auf strategisch wertvolle Infrastruktur.
Angriff aufs Duopol
Diese weckte in den vergangenen Jahren wiederholt das Interesse großer Banken und Technologieunternehmen. Capital One, die nach Assets neuntgrößte Bank des Landes, will nun zumindest einige ihrer Karten auf das Discover-Netzwerk umstellen und für andere weiterhin Mastercard und Visa nutzen. Denn die beiden Branchenführer finden bisher bei einer größeren Zahl von Händlern Akzeptanz.
Die Marktmacht der Zahlungsriesen stößt auf Kritik von Verbraucherschützern und Händlervertretern, die sich über hohe bestehende Gebühren und die wiederholte Einführung neuer Raten beschweren. Dies hat zuletzt in mehreren Rechtsräumen Regulatoren auf den Plan gerufen. In den USA hat die Federal Reserve eine Deckelung der Interchange-Gebühren vorgeschlagen, die bei Kartentransaktionen an die Banken fließen.
Einigung mit Regulatoren
Auch Discover steht zwar wegen Gebührenberechnungen auf falscher Grundlage in der Kritik. Doch hat die Fed nun einen Vergleich mit dem Dienstleister geschlossen, in dessen Rahmen dieser Strafen im Volumen von 100 Mill. Dollar für in den Jahren 2007 bis 2023 begangene Übervorteilungen von Kunden zahlt. Das OCC betonte, seine Zustimmung zu dem Deal davon abhängig gemacht zu haben, dass Capital One einen Plan zur Korrektur und „Wiedergutmachung“ aller von Discover begangenen Regulierungsverstöße vorlege. Durch die Übernahme zieht das in Richmond, Virginia, ansässige, seit 1994 börsennotierte Geldhaus an J.P. Morgan vorbei und nimmt gemessen am Kreditvolumen die Spitzenposition unter den Kartenanbietern ein.
Die Branche kommt dabei aus einer Boomzeit. Amerikanische Verbraucher finanzieren ihren Konsum im großen Stil auf Pump, die Salden auf Kreditkarten und andere revolvierende Verbraucherdarlehen haben laut der Fed von St. Louis zuletzt ein Rekordniveau von nahezu 1,1 Bill. Dollar erreicht. Zugleich fällt der Anteil der Zahlungsverzüge bei Kartenkrediten mit deutlich über 3% so hoch aus wie seit 2012 nicht. Dies weckt bei Analysten – im Zusammenspiel mit der Furcht vor neuen Inflationssprüngen infolge des Washingtoner Zollchaos, die der Fed bezüglich neuer Zinssenkungen die Hände binden – Sorgen davor, dass die Assetqualität auf den amerikanischen Bankbilanzen weiter Stück für Stück erodiert.
Assetqualität nimmt ab
„Die Situation bei Rückstellungen für faule Kredite und Nettoabschreibungen wird sich wahrscheinlich verschlimmern", prognostizierte Brendan Browne, für Ratings von Finanzinstituten zuständiger Managing Director bei S&P Global, bereits im Februar. Der Anteil der Kredite, bei denen sich Schuldner 30 bis 89 Tage im Rückstand befänden, sei im Schlussquartal des vergangenen Jahres weiter moderat geklettert. Bei Darlehen mit Zahlungsverzug von mindestens 90 Tagen und eingestellter Zinsabgrenzung – bei denen Banken also erheblich daran zweifeln, die Hauptforderung oder Ratenzahlungen zurückzuerhalten – ist der Anteil an den gesamten Portfolios inzwischen auf nahezu 1% gestiegen.

Die Nettoabschreibungen hätten gegenüber dem Vorjahr indes noch einmal um vier Basispunkte auf 0,67% des gesamten Kreditvolumens zugelegt. „Damit liegen sie anhaltend über dem langfristigen Mittel“, betont Browne – der Median seit dem Jahr 2003 liegt bei 0,53%. Neben dem anhaltend unter Druck stehenden Büroimmobilienmarkt und dem Geschäft mit kurzfristigen Unternehmenskrediten ist das Kartensegment der entscheidende Treiber dieses Anstiegs.
Dennoch haben Amerikas Geldhäuser im ersten Quartal 2025 mitnichten mit einem bedeutenden Ausbau ihrer Risikovorsorge auf die wachsenden Gefahren reagiert. Bei vielen der größten Häuser der Branche wie Bank of America ist das Volumen der Rückstellungen gegenüber dem Vorjahr konstant geblieben, Citigroup hat indes 14% weniger für faule Kredite beiseite gelegt als im ersten Viertel 2024.
Datengrundlage in Zweifel
Laut Analysten müssen Investoren nun Annahmen infrage stellen, die Banken in ihren Accounting-Modellen zugrunde legten. „Rückstellungen für faule Kredite auf Basis von Daten zu berechnen, die das Zinstief nach der Großen Finanzkrise beinhalten, erscheint nicht gerade zweckmäßig“, kommentiert Nomura-Stratege Hertrich die Entwicklung der Risikovorsorge.
Der Manager zeigt sich dabei mit Blick auf Konsumentendarlehen ebenfalls besonders besorgt. So stark parallel wie aktuell seien die Zahlungsverzüge bei Karten-, Auto- und Hypothekenkredite zuletzt 2006 gestiegen. Natürlich sei die Situation nicht deckungsgleich mit dem Vorlauf zum Crash 2008, doch entwickle sich der Kreditmarkt zyklisch. „Die Vorstellung, dass dieses Mal alles anders kommt, hat sich im Bankensektor so gut wie nie als richtig herausgestellt“, gibt Hertrich zu bedenken. Zahlreiche US-Banken dürften sich in den kommenden Jahren angesichts steigender systemischer Risiken noch gezwungen sehen, auf den Zug der Konsolidierung aufzuspringen.