Schmutziges Geschäft
Schmutziges Geschäft
Banken, Private Equity oder private Kreditfonds: Woher bekommen ESG-Sünder künftig noch Geld?
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Deutsche Industrie ist nicht mehr sexy. Im Gegenteil: Für viele Geldgeber sind Industrieunternehmen inzwischen sogar ein No-Go. Während Rüstungskonzerne wie Renk auf einmal wieder salon- und börsenfähig sind, kämpfen Unternehmen aus schmutzigen Industrien wie der Chemie- oder Automobilbranche mit der Kapitalbeschaffung. „Ein Automobilzulieferer in Deutschland bekommt heute schon noch einen Bankkredit. Aber nur, wenn er einen klaren Weg aufzeigen kann, wie er grün wird“, sagt Philipp Mettenheimer von der Strategieberatung Oliver Wyman.
Das Problem: Nicht jedem Automobilzulieferer für den Verbrennermotor wird die Umstellung seines Geschäftsmodells auf den Elektromotor gelingen. Und grundsätzlich gilt: Ein Unternehmen kurz vor der Pleite hat immer Probleme, einen Kredit zu bekommen. Aber auch gesunde Industrieunternehmen kommen schwerer an Kredite. „Die meisten Industrieunternehmen sind aktuell nicht grün – egal, welche Definition man anlegt“, sagt Mettenheimer.
Transition Finance: Banken werden kritischer
Gleichzeitig würden viele Banken aber deutlich mehr grüne Transaktionen machen wollen und deshalb immer mehr nach den Plänen fragen, wie Unternehmen den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft meistern wollen. „Ein Unternehmen aus einer CO2-intensiven Industrie, das keinen Transitionsplan vorlegen kann, bekommt künftig wahrscheinlich kaum noch eine Bankenfinanzierung“, so Mettenheimer. Banken machen sich das Leben aber auch selbst schwer.
Die Metriken, die Banken heute nutzen, seien nicht immer hilfreich, kritisiert der Berater und verdeutlicht das anhand eines fiktiven Beispiels: Angenommen, es gäbe heute die Tankstellen GmbH. Deren Geschäftsmodell würde noch für einige Jahre erfolgreich sein. Es stelle sich aber die Frage: Wie und von wem soll die Umrüstung auf E-Ladestationen finanziert werden?
Würde die Bank an die Tankstellen GmbH einen Kredit vergeben, dann müsste die Bank die Emissionen der Tankstelle ihren eigenen „Finanzierten Emissionen“ zurechnen und würde damit möglicherweise ihre die eigenen Netto-Null-Ziele verfehlen. Würde hingegen die Ladesäulen GmbH ausgegliedert und deren Kredit durch die Tankstellen GmbH garantiert werden, dann sähe das für die Bank aus der Netto-Null-Perspektive deutlich besser aus.
Abhängigkeiten ausnutzen
Johannes Laumann vom börsennotierten Turnaround-Investor Mutares beschreibt das nachhaltige Finanzierungsproblem vereinfacht wie folgt: Der Betreiber eines Zementwerks bekommt kein Geld, dessen Errichter vielleicht und der Verarbeiter von Zement auf jeden Fall. Bei Öl und Gas sei es prinzipiell dasselbe: „Wer es direkt fördert, hat es schwerer als derjenige, der es anschließend weiterverarbeitet“, so Laumann.
Neben dem Bankkredit hätte ein Automobilzulieferer aber noch eine andere Möglichkeit, sich Fremdkapital zu beschaffen. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn auf der Kundenseite eine hohe Abhängigkeit bestünde. „Bei hoher Abhängigkeit kommt dann auch noch ein Lieferantenkredit infrage, selbst wenn das Unternehmen nicht mehr bankable ist“, sagt Laumann. Problematisch wird es nur, wenn der Kunde, also der Autobauer, selbst in der Klemme steckt.
Private Debt im Schatten von Private Equity
Alternative Fremdkapitalgeber, wie private Kreditfonds, sitzen zwar auf sehr viel Kapital, das theoretisch für Transition Finance eingesetzt werden könnte. Das Problem ist jedoch, dass die meisten Private-Debt-Fonds im Kielwasser von Private Equity schwimmen und die Übernahme der Beteiligungsgesellschaften mit Fremdkapital finanzieren.
Zwar galt die Automobilbranche früher für lange Zeit als Private-Equity-Liebling, doch mit dem Einzug der Nachhaltigkeit und Digitalisierung hat sich die Beteiligungsbranche umorientiert. Heute finanziert Private Equity lieber skalierbare Software-Unternehmen – oder alles, worauf sich irgendwie ein Software-Stempel aufdrücken lässt.
Turnaround-Investoren sind in ESG-Fragen flexibler
Anders sieht es bei Turnaround-Investoren wie Mutares aus, die noch heißere Eisen schmieden. Zwar betont auch Laumann, dass er keine Firma kaufen würde, von der er nicht glaube, dass er sie in ein paar Jahren weiterverkaufen könne. ESG-Kriterien würden bei seinen Anlageentscheidungen aber eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Wenn Siemens grüner werden möchte und dafür das profitable Gas-Geschäft verkaufen möchte, dann nehme er das sehr gern. „Ich treffe marktwirtschaftliche Entscheidungen und keine regulatorischen“, sagt Laumann.
Unter den aktuellen Marktbedingungen sieht Mettenheimer aber ein hohes Risiko, dass es in Deutschland zu einer Deindustrialisierung kommen wird. „Wir haben zu hohe Energiepreise, denken zu kompliziert über Nachhaltigkeit nach und sind zu bürokratisch und unflexibel geworden“, kritisiert der Oliver-Wyman-Berater und fordert vor allem zwei Dinge: Da Banken allein nicht genug Mittel hätten, um den Netto-Null-Finanzierungsbedarf zu bedienen, dürften deutsche Sparer ihr Vermögen nicht länger nur in Sichteinlagen und Sparbüchern halten, sondern müssten es produktiver anlegen. Außerdem brauche es Fortschritte bei der Kapitalmarktunion. Nur so lasse sich europaweit genug Kapital für die Transformation mobilisieren.
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