SEC plant wohl tiefgreifende Reform
Von Alex Wehnert, Frankfurt
In den USA stehen möglicherweise tiefgreifende Änderungen in der Struktur des Aktienhandels bevor. Laut Berichten des „Wall Street Journal“ könnte die SEC noch im Herbst Pläne vorlegen, mittels derer sie den Markt für Privatanleger und gelistete Unternehmen effizienter machen will. Laut Insidern erfährt insbesondere ein Vorschlag, gemäß dem Broker die meisten Orders von Retail-Investoren künftig in Auktionen überführen müssten, innerhalb der US-Börsenaufsicht viel Unterstützung.
Eine derartige Umstellung hätte massive Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle vieler Wall-Street-Firmen. So müssen Broker bisher mit „angemessener Sorgfalt“ prüfen, welcher Handelsdienstleister eine Order zu den günstigsten Konditionen ausführen kann. Dabei erhalten häufig sogenannte Wholesaler, also große elektronische Handelsfirmen, den Zuschlag, die nach Argumentation der Broker bessere Preise stellen als Börsen wie die Nasdaq.
Brokerfirmen erhalten indes Vergütungen dafür, dass sie Orders an Wholesaler routen. Die SEC fürchtet, dass diese als Payment for Orderflow (PFOF) für Interessenkonflikte sorgen. Schließlich könnten Broker in Versuchung geraten, Orders gemäß der Höhe der Vergütung weiterzugeben und die Ausführungsqualität dabei hintanzustellen.
Tatsächlich ist PFOF zu einer einträglichen Einnahmequelle geworden. Gemäß Daten des Informationsdienstleisters Bloomberg haben US-Broker durch die Vergütungen allein im März über 318 Mill. Dollar eingespielt, zuletzt summierte sich der Zahlungsfluss im Oktober 2020 auf weniger als 250 Mill. Dollar. In absoluten Zahlen ist Charles Schwab dabei seit den im Oktober 2020 abgeschlossenen Akquisitionen von TD Ameritrade und TD Ameritrade Clearing größter Nutznießer.
Doch während Schwab laut Bloomberg Intelligence über ein ausreichend differenziertes Geschäftsmodell verfüge, träfe ein PFOF-Bann Robinhood deutlich härter. Denn der Neobroker generiere zeitweise 80% seines Umsatzes über Rückvergütungen. Damit leisten Payments for Orderflow einen erheblichen Beitrag dazu, dass Robinhood ihre Trading-Dienstleistungen gebührenfrei zur Verfügung stellen kann.
Auch für die Wholesaler brächten die kolportierten SEC-Pläne große Umstellungen mit sich. Schließlich ist es für sie weitaus lukrativer, gegen Kleinanleger zu handeln, als es an öffentlichen Börsenplätzen mit anderen Profi-Tradern oder institutionellen Investoren aufzunehmen. Entsprechend energisch wehrten sich Wholesaler und Broker, als SEC-Chef Gary Gensler im vergangenen August erstmals äußerte, dass ein PFOF-Verbot diskutiert werde. Die Großhändler Virtu Financial und Citadel Securities unterstrichen, dass die aktuelle Struktur erheblich dazu beigetragen habe, Handelskosten zu senken und den Aktienmarkt damit zugänglicher für Privatanleger zu machen.
Warnung vor Meme Stocks
Allerdings rückten die Turbulenzen um sogenannte Meme Stocks den Privatanlegerschutz im vergangenen Jahr verstärkt in den Fokus der Aufsicht. Damals hatten sich Investoren über die Plattform Reddit verabredet, um Werte wie die Aktie der Videospielkette Gamestop anzutreiben. In der Folge stieg die Marktvolatilität erheblich, und Hedgefonds, die gegen die Titel gewettet hatten, gerieten in Bedrängnis – doch auch Retail-Investoren erlitten hohe Verluste. Erst Anfang Juni warnte die SEC über ihren Youtube-Kanal erneut vor Meme Stocks.
Laut Medienberichten prüft die Behörde derzeit weitere Neuregelungen – darunter auch einen Vorschlag, gemäß dem Börsen Kursentwicklungen in Abstufungen von weniger als 1 Cent abbilden dürften. Damit dürfte die Konkurrenzfähigkeit öffentlicher Börsen gestärkt werden. Schließlich könnten Wholesaler deren Preise dann nicht mehr einfach um ein Hundertstel Cent unterbieten. Die Nasdaq wollte sich auf Anfrage der Börsen-Zeitung nicht direkt zu SEC-Regulierungsvorhaben äußern, verwies aber auf ein Whitepaper zur Optimierung des US-Aktienmarktes. Darin macht sich die Börse für eine Stärkung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Marktzentren stark.
Genauere Aufschlüsse über die Vorhaben der SEC erwarten sich Beobachter nun von einer für Mittwoch angesetzten Rede Genslers. Die Analysten von Bloomberg Intelligence rechnen damit, dass bis Jahresende veröffentlichte Vorschläge der Aufsicht im ersten Halbjahr 2024 finalisiert werden könnten. Bis dahin dürften Klagen die Anwendung einer neuen Regulierung aufhalten.