Derek Sammann und Tim McCourt

„Starke Nachfrage nach Volatilitäts­produkten“

Die CME Group erwartet infolge der hohen Marktvolatilität anziehende Handelsvolumen bei Futures und Optionen. Über Micro-Produkte will die weltgrößte Terminbörse zudem Privatanleger anziehen.

„Starke Nachfrage nach Volatilitäts­produkten“

Von Alex Wehnert, Frankfurt

In einem äußerst volatilen Marktumfeld steigt die Nachfrage nach Hedges gegen geopolitische Risiken und Inflationsgefahren aktuell stark. „Die geopolitische Lage folgt keinem klassischen Zyklus von 9 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags – daher ist es für Investoren ein unschätzbarer Vorteil, rund um die Uhr handeln und reagieren zu können“, sagt Tim McCourt, Global Head of Equity and FX Products bei der weltgrößten Terminbörse CME Group. „Unsere Futures auf US-Benchmarkindizes sind der Liquiditätspool, dem sich Marktteilnehmer unabhängig von der Tageszeit zuwenden. Deshalb fallen die Handelsvolumen dieser Produkte häufig um ein Vielfaches höher aus als bei den entsprechenden ETFs.“

Steigende Zinsen sind ein weiterer Faktor, der laut McCourt eine höhere Futures-Aktivität auslösen dürfte. „Die Kapitalkosten steigen, und Futures zu handeln ist weitaus kapitaleffizienter als ein Engagement am Kassamarkt oder gar bei Over-the-Counter-Derivaten mit höheren Marginraten“, führt der Aktienexperte aus.

Optionen erhalten Zulauf

Unterdessen haben Optionen an der CME angesichts der Volatilität verstärkt Zulauf erhalten, wie gestiegene Handelsvolumen zu Jahresbeginn unterstreichen. Derek Sammann, Global Head of Commodities, Options and International Markets bei der Terminbörse, glaubt an einen fortgesetzten Aufschwung. „Optionen waren für uns in den vergangenen fünf Jahren der Geschäftsbereich mit den stärksten Wachstumsraten, ihr Anteil am Gesamtvolumen beträgt inzwischen ungefähr 21%“, betont Sammann. „Die Nachfrage ist insbesondere außerhalb der USA stark, weshalb wir das Angebot für unsere Kunden in Asien ausbauen.“

Futures auf Volatilitätsindizes sind ebenfalls zunehmend populär geworden. Im Oktober 2020 lancierte die CME einen neuen Kontrakt auf den Nasdaq 100 Volatility Index (VolQ) – über diesen sollen Investoren einen engen Fokus auf Marktbewegungen erhalten, ohne sich mit Feinheiten des Optionshandels wie dem richtigen Ausübungspreis, dem Zeitwert oder der Absicherung gegen Preisänderungen des Basiswerts auseinandersetzen zu müssen. „Wir haben den VolQ-Future ursprünglich mit einem Multiplikator von 1000 Punkten aufgelegt, für unsere Kunden war der Kontrakt damit aber zu schwer“, sagt McCourt. „Daher haben wir den Multiplikator auf 100 Punkte heruntergeschraubt, um den Future zugänglicher zu machen.“

Im Gegensatz zum CBOE Volatility Index (VIX), der die Schwankungen unterschiedlich bepreister Optionen auf den S&P 500 beinhaltet, konzentriert sich der VolQ nur auf Optionen, die „At The Money“ notieren – bei denen der Ausführungspreis also identisch mit dem aktuellen Marktpreis des Basiswerts ist. „Viele Investoren haben ihre Volatilitätsstrategien historisch auf den S&P 500 beschränkt, wir erwarten aber ein Wachstum auf den Nasdaq konzentrierter Strategien. Die im Index enthaltenen Mega-Caps gewinnen in globalen Portfolios zunehmend an Bedeutung“, unterstreicht McCourt.

Indexauswahl entscheidend

Trotz der jüngsten Rücksetzer an den Aktienmärkten insgesamt glaubt die CME Group daran, dass die Wahl des richtigen Index im Futures-Handel 2022 noch wichtiger wird als bisher. „Multinationale und US-zen­trierte Indizes werden je nach Abhängigkeit vom Dollar sehr unterschiedlich auf weitere Herausforderungen wie Zinsanstiege reagieren“, sagt McCourt. „Durch die Verfügbarkeit vieler verschiedener Produkte auf der gleichen Plattform können Investoren Effizienzgewinne einfahren und die Vorteile von Margin Offsets genießen.“ Bei Letzteren werden die Futures- und Options-Positionen, die ein Investor in einem einzelnen Konto hält, miteinander verrechnet. Letztendlich reduziert sich für den Anleger in der Folge der Anteil am Preis eines Kontrakts, den er in Cash hinterlegen muss.

Obwohl ein breites Indexangebot für Terminbörsen zum Vorteil werde, rechnen die CME-Manager damit, dass sich der Fokus der Marktteilnehmer auf US-Benchmarks wie den Nasdaq 100 oder den Dow Jones im aktuellen Umfeld fortsetzt. Schließlich dürften Aktieninvestoren die liquidesten Terminkontrakte für das Risikomanagement nutzen.

Angesichts der Abschwünge bei Dividendentiteln und der Inflation sind Rohstoffe am Markt verstärkt in den Fokus gerückt. Im Zuge des Ukraine-Kriegs hat der europäische Erdgaspreis Rekordstände erreicht, während Rohöl auf den höchsten Niveaus seit 2008 gehandelt wurde. „Wir erwarten eine enorme globale Partizipation an unseren Kontrakten auf US-Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI), da Ängste vor einem Wegfall des russischen Energieangebots fortbestehen“, sagt Sammann. Laut dem Rohstoffexperten dürften die Investoren den Preisunterschied zwischen WTI und der teureren Nordseesorte Brent ausnutzen, sodass der Anteil von US-Öl am Open Interest und Marktvolumen an jenen der globalen Benchmark heranrücken dürfte.

„Bei Erdgas könnte die Entwicklung noch bedeutsamer ausfallen“, betont Sammann. „Die Nachfrage nach Henry Hub sollte weiter steigen, da am Weltmarkt keine günstigere Erdgassorte verfügbar ist.“ Die Zahl der Verflüssigungsanlagen in den USA sei der entscheidende Faktor, der die amerikanischen Erdgasproduzenten in ihrer Möglichkeit begrenze, die globale Angebotslücke zu füllen. In den nächsten Monaten würden allerdings neue Terminals in Betrieb genommen, sodass die Flüssigerdgasexporte nach Europa und Asien anziehen dürften. „Dies wird den Status von Henry Hub als globale Benchmark untermauern und die Volumen im Futures-Handel antreiben“, prognostiziert Sammann. Die CME besitzt bei Henry-Hub-Futures einen Marktanteil von über 80%. Darüber hinaus stellt sie Benchmark-Liquiditätspools in anderen Rohstoffklassen wie Industriemetallen bereit, die infolge der russischen Invasion in der Ukraine kräftige Preisaufschwünge verzeichnet haben.

WTI erzielt hohe Volumen

Doch bereits vor Ausbruch des Krieges hat die strukturelle Angebotsknappheit und eine explodierende Nachfrage zu steigenden Rohstoffnotierungen geführt. Privatanleger versuchen zunehmend, auf die Rally aufzuspringen – für sie sind Benchmark-Terminkontrakte aber häufig zu voluminös. Standard-WTI-Futures besitzen einen Nominalwert von 1000 Barrel Öl mal dem Marktpreis. Um aktive Retail-Investoren anzulocken, hat die Chicagoer Terminbörse zuletzt allerdings ihr Angebot an Micro-Futures ausgebaut. Im Juli 2021 lancierte die CME einen solchen Kontrakt auf WTI, der ein Zehntel so schwer ist wie das Standardvehikel. Seit der Auflage liegen die durchschnittlichen Handelsvolumen für dieses Produkt bei über 70000 Kontrakten pro Tag. „Retail-Kunden sind für einen signifikanten Anteil dessen verantwortlich. Micro-Futures sind aber auch bei institutionellen Investoren sehr beliebt, die flexible Risikomanagement-Strategien suchen“, sagt Sammann.

„Wir sehen zudem positive Trends bei der Akzeptanz anderer Micro-Kontrakte, ob auf Gold, Devisen, Staatsanleiherenditen oder Kryptowährungen“, fügt McCourt hinzu. „Die kleineren Futures sind komplementär zu ihren älteren, größeren Pendants nutzbar und öffnen den Markt für neue Teilnehmer.“ Im Kryptosegment bietet die CME seit 2017 reguläre Kontrakte an, in Chicago sind zudem seit Mai 2021 Micro-Futures auf Bitcoin und seit Dezember Micro-Produkte auf Ether verfügbar. Die Terminbörse hat zudem angekündigt, am 28. März Optionen auf ihre Micro-Kryptokontrakte lancieren zu wollen. „Dies wird es Tradern ermöglichen, sich effizient, präzise und flexibel gegen marktbewegende Ereignisse abzusichern“, sagt McCourt. Schließlich ist der Markt für digitale Assets durch eine enorme Volatilität geprägt. „Es ist immer noch ein wenig zu früh, um festzustellen, ob spezifische Optionsstrategien für Investoren ausreichen oder ob der Markt einzelne Volatilitäts-Futures auf Kryptowährungen braucht“, führt McCourt aus.

Für ihre Benchmark-Produkte auf Staatsanleihen, Zinsen am kurzen Ende der Kurve, Devisen und Rohstoffe bildet die CME die Schwan­kungs­breite bereits über ihren CVol-Index nach. „Derzeit berechnen wir die Volatilität zum Handelsschluss“, sagt Sammann. „Bis Ende des zweiten Quartals wollen wir Intraday-Kalkulationen eingeführt haben.“ Dann werde die Terminbörse sich Kunden-Feedback darüber einholen, ob Interesse an weiteren Volatilitäts-Futures bestehe. „Da die geopolitischen Spannungen fortbestehen und die Zinsen steigen, erwarten wir eine starke Nachfrage nach zusätzlichen Volatilitätsprodukten“, betont Sammann.

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