Versicherer drängen in Markt für Manager-Haftpflicht
Von Michael Flämig, München
Auf dem deutschen Markt für Manager-Haftpflichtversicherung (D&O) tummeln sich wieder mehr Versicherer. „Wir sehen hierzulande einige neue Player“, sagt Stephan Geis, der das Vermögensschaden-Geschäft (Financial Lines) des Allianz-Industrieversicherers AGCS in Zentral- und Osteuropa leitet: „Der Wettbewerb im D&O-Segment hat zugenommen, weil die Preisgestaltung wieder auskömmlicher ist.“ In den vergangenen drei Jahren hätten sich D&O-Versicherer eher zurückgehalten, weil die Auswirkungen der Pandemie auf die Insolvenzen nicht absehbar gewesen seien. „Die befürchtete Pleitewelle ist dank der staatlichen Programme jedoch ausgeblieben“, erklärt Geis im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Inflation treibt Markt um
Zuletzt hatte Everest Insurance als Tochter des Rückversicherers Everest Re den Einstieg in die Industrieversicherung hierzulande angekündigt (vgl. BZ vom 30. November). Sie gilt in der D&O-Sparte jedoch als kleiner Player. Dagegen hat Berkshire Hathaway das D&O-Engagement hierzulande stark ausgebaut. Das Investmentvehikel des US-Milliardärs und Großinvestors Warren Buffett ist seit dem Jahr 2016 auf dem hiesigen Markt aktiv (vgl. BZ vom 31. August 2016). Aber auch nationale Player wie Ergo machen Offerten in der Manager-Haftpflichtversicherung.
Das zurückliegende Jahr sei anders verlaufen, als vor dem russischen Überfall auf die Ukraine erwartet, unterstreicht Geis: „Wir waren in der Lage, die Prämien nochmals zu erhöhen.“ Die Beiträge seien allerdings nicht mehr mit dem Schwung der zwei Jahre zuvor gestiegen. Trotzdem ermögliche das Niveau den D&O-Versicherern, profitabel zu arbeiten. Nicht nur in Deutschland, sondern auch global habe der Wettbewerb stark zugenommen.
Wie sich die Preise im kommenden Jahr entwickeln, hänge davon ab, ob es zu einer Rezession komme und wie sich die Inflation weiterentwickele, sagt Geis. Letztere mache sich einerseits in höheren Verteidigungskosten und Vergleichssummen bemerkbar, andererseits sei sie ein großer Sorgenfaktor, der die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen beeinflusse. Die Schadenhäufigkeit sei gestiegen, zudem treibe die Inflation die Beiträge in die Höhe. „Die Marktsanierung ist fortgeschritten, aber offensichtlich noch nicht voll abgeschlossen“, konstatiert der Manager.
Für AGCS sei das Thema Inflation wichtig, es werde in den Angeboten an die Unternehmen berücksichtigt. Es gebe dabei drei Faktoren: Neben der Ratenhöhe seien dies die Bedingungen und die Höhe der Deckungssumme.
Details zur Geschäftsentwicklung der AGCS-Sparte Financial Lines, in der die Manager-Haftpflichtversicherung die dominierende Rolle spielt, nennt Geis nicht. Man fühle sich mit dem aktuellen D&O-Portfolio wohl, sagt er: „Die Zeit der Sanierung ist wie im gesamten Konzern auch hier abgeschlossen.“ AGCS habe Appetit auf Wachstum in der D&O-Versicherung, achte jedoch stark auf eine genaue Risikobewertung, um die Profitabilität des Geschäfts sicherzustellen und so die Kapitalbasis aufzufüllen.
Klimarisiken immer wichtiger
Das Haftungsrisiko für Führungskräfte sei noch nie so groß wie heutzutage gewesen, ist Geis überzeugt. Der AGCS-Manager verweist anlässlich der Vorlage der neuen D&O-Studie des Versicherers auf die Nachwirkungen der Pandemie, den Trend zu Sammelklagen, die latente Angst vor Insolvenzen aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten, das Thema Umwelt/Soziales/Unternehmensführung (ESG) und die Inflation: „Es ist eine toxische Mischung aus unterschiedlichen Themen.“ In den vergangenen Jahrzehnten habe es wenige Zeiten gegeben, in denen Unternehmensleiter mit so vielen Unwägbarkeiten konfrontiert gewesen seien.
Zunehmend spielten auch Klimarisiken eine Rolle in der D&O-Versicherung, so Geis. Im Komplex ESG identifiziert er drei Hauptthemen. So drehe sich bislang ein Großteil der Streitigkeiten um Offenlegungsthemen. An zweiter Stelle sei Umweltverschmutzung relevant. Als Drittes sei „Greenwashing“ zum Thema geworden. In diesem Zusammenhang gebe es Klagen in ganz Europa, vor allem auch in Deutschland. Es beschäftige AGCS nicht täglich, aber: „Die Zahl der Fälle hat von 2021 auf 2022 deutlich zugenommen.“ Als Kläger träten vor allem Aktionäre auf, die sich auf Klimathemen bei börsennotierten Gesellschaften konzentrierten. Daneben klagten aber auch Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe gegen Unternehmen.
Die Zahl der rechtlichen Auseinandersetzungen mit Klima-Bezug steigt spürbar. AGCS zufolge hat es in den vergangenen acht Jahren mehr als 1 200 Klima-Rechtsstreitigkeiten gegeben. In den 28 Jahren von 1986 bis 2014 seien es dagegen nur gut 800 Fälle gewesen. Geis zufolge ist nicht auszuschließen, dass Klimaaktivisten künftig auch Sammelklagen auf den Weg brächten. Konkrete Fälle beobachtet er jedoch bisher nicht.
Cyberrisiken für Manager
Cyber-Risiken erhielten auch in der D&O mehr Gewicht, auch wenn es hierfür separate Absicherungen gebe, sagt Geis. Mit Bußgeldern belegt würden beispielsweise immer öfter nicht bloß Unternehmen, sondern auch Manager.
Die drohende Rezession dagegen treibt Geis nicht so sehr um. Zwar rechne die Konzernschwester Allianz Trade damit, dass die Zahl der Insolvenzen weltweit im nächsten Jahr um 19 % zulegen wird. Als Industrieversicherer versichert AGCS nur Unternehmen, die es auf einen jährlichen Umsatz von mindestens 500 Mill. Euro bringen. In diesem Segment sei das Insolvenzrisiko deutlich niedriger als bei kleineren Firmen. Zudem kämen die Schäden aus Insolvenzen erst zeitverzögert an.
Kryptoklagen laufen an
Eigene Erfahrungen mit Klagen aufgrund der Pleite der Kryptobörse FTX habe AGCS nicht gemacht, sagt Geis. Dagegen gebe es im internationalen Kontext Klagen im Zusammenhang mit Kryptowährungen. In der Vergangenheit sei gegen Unternehmen geklagt worden, mittlerweile würden auch Manager direkt angegangen. Rund um die Mantelfirmen namens Spac sei in Deutschland es eher ruhig geworden, stellt Geis fest. Jedoch habe AGCS das eine oder andere Spac versichert.