Synthetische Risikotransfers entlasten die Bankbilanzen
Banken forcieren synthetische Risikotransfers
Barclays und Santander sind laut S&P-Report Europameister – Auch Commerzbank nutzt das Instrument im Abwehrkampf gegen Unicredit
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Über synthetische Risikotransfers (SRT) übertragen Banken Kreditrisiken an Investoren. Der Markt wächst, wie Standard & Poor's herausarbeitet. Auch die Commerzbank nutzt diese Form der Verbriefung offenbar im Kampf um ihre Eigenständigkeit.
Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp arbeitet fieberhaft an ihrer Verteidigungsstrategie gegen den feindlichen Übernahmeversuch durch die italienische Unicredit. Um in wertsteigendes Wachstum investieren zu können, hat das Institut kürzlich angekündigt, die Kapitalallokation und die Effizienz der Risikoaktiva (RWA) zu optimieren. Dafür will sie offenbar auch das Instrument der synthetischen Verbriefung nutzen.
Laut einem Bloomberg-Bericht arbeitet die Commerzbank derzeit an einer 150 Mill. Euro Transaktion, die sich auf ein 2 Mrd. Euro schweres Firmenkunden-Kreditportfolio beziehe. Gleichzeit soll auch Unicredit an einem Deal in einer ähnlichen Größenordnung arbeiten, um Kapital freizusetzen und die Eigenkapitalrendite der Bank zu stärken. Aber auch abseits des Übernahmekampfs wächst der Markt, wie ein S&P-Report herausarbeitet.
Kein neuer Markt
Der Markt für synthetische Verbriefungen ist nicht neu. Banken nutzen ihn seit vielen Jahren, um ihre aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten zu verbessern oder um Kapital für mehr Kundengeschäft freizusetzen. Der sogenannte Synthetic Risk Transfer (SRT), also der synthetische Transfer von Kreditrisiken einer Bank auf einen Investor, bedeutet dass der Kredit nicht verkauft oder in eine Zweckgesellschaft übertragen wird. Er verbleibt vielmehr in den Büchern der Bank, die lediglich einen Teil des Ausfallrisikos ablädt.
Wer trägt welche Verluste?
Dafür muss die Bank dem Investor im Gegenzug eine Prämie bezahlen. Aktuell liegt diese bei acht bis 12% zuzüglich 3-Monats-Euribor, wie aus dem Markt zu hören ist. Grundsätzlich ist dabei zwischen zwei Transaktionsformen zu unterscheiden: dem Mezzanine-Deal und dem sogenannten First-Loss-Deal. Der Unterschied liegt im Wesentlichen darin, welche Partei zuerst für etwaige Verluste aufkommen muss.
Berechnet wird dies anhand des erwarteten Verlusts (Expected Loss). Das sind die statistischen Schäden, die eine Bank im Kreditgeschäft aufgrund von Ausfällen zu erwarten hat. Bei Mezzanine-Transaktionen trägt die ersten Verluste die Bank bis zu einer bestimmten Schwelle, ab der dann der Investor einspringen muss. Bei First-Loss-Transaktionen ist es genau andersherum: Hier muss der Investor für die ersten Verluste aufkommen.
„Versicherte Summe“ wird zu Beginn ausbezahlt
Das Prinzip ähnelt also einem Versicherungsmodell – mit dem Unterschied, dass der Investor die „versicherte“ Summe der Bank zu Beginn der Vertragslaufzeit in Cash ausbezahlt, wie ein Private-Credit-Manager erklärt. Diese verrechnet damit die anfallenden Verluste und zahlt den übrigen Betrag am Ende der Laufzeit zurück. Die Transaktionen müssen Banken mit zeitlichem Vorlauf bei der Aufsicht anmelden. Eine komplette Auslagerung der Risiken ist aufsichtsrechtlich untersagt, damit sie bei der Kreditvergabe vorsichtig bleiben. Mindestens 5% müssen die Banken immer auf den Büchern behalten.
Löwenanteil verbleibt bei Banken
Laut S&P behalten Banken bei SRT-Transaktionen in der Praxis für gewöhnlich aber zwischen 80 und 95% auf der Bilanz. Denn schließlich geben sie bei SRT-Deals nicht nur Risiken, sondern auch Rendite an Investoren ab. Das sind in der Regel Pensionsfonds oder alternative Kreditgeber. Damit sich das für eine Bank finanziell lohnt, bedürfen die Deals einer gewissen Größe. Ein Private-Credit-Manager nennt als Richtgröße mindestens 500 Mill. Euro. Es ergibt also keinen Sinn, einzelne Kreditrisiken zu verbriefen. Daher bilden Banken möglichst homogene Kreditportfolios. In der Regel handelt es sich dabei um Firmenkundenkredite, Konsumentenkredite werden seltener verbrieft.
Der SRT-Markt an sich ist intransparent. Die Transaktionen sind in den allermeisten Fällen nicht öffentlich. Als Indikation nimmt S&P die aufsichtsrechtlichen Meldungen der Banken. Diese müssen offenlegen, wie viel Exposure sie bei SRT-Transaktionen einbehalten. Das größte eingehaltene SRT-Exposure hat demnach in Europa mit etwas mehr als 60 Mrd. Euro die britische Barclays. Es folgt mit etwas weniger als 60 Mrd. Euro die spanische Großbank Santander. Sie ist laut Bericht die einzige, die neben Unternehmenskrediten auch einen signifikanten Anteil an Konsumentenkrediten an den Markt gebracht hat.
Deutsche Bank belegt vierten Platz im SRT-Ranking
Danach entsteht zu den übrigen Banken eine große Lücke. Die drittplatzierte französische BNP Paribas weist dem S&P-Report zufolge rund 35 Mrd. Euro aus. Es folgt die Deutsche Bank mit etwas weniger als 30 Mrd. Euro. Die Commerzbank belegt mit etwas mehr als 10 Mrd. Euro den 13. Platz und rangiert bei der SRT-Nutzung damit derzeit noch leicht hinter der Unicredit.
S&P zufolge nutzen Banken SRT-Deals inzwischen nicht mehr nur, um ihre Kapitalquoten zu verbessern, sondern auch für aktives Kredit-Portfoliomanagement, um ihre Kapitaleffizienz und die Rendite für die Aktionäre zu erhöhen. Da das Angebot im Markt zunehme, geht S&P davon aus, dass die Preise künftig steigen werden.