Hans Joachim Reinke, Union Investment

„Wir können uns nicht zurücklehnen“

Der Chef von Union Investment über das außerordentlich gute erste Halbjahr, die unzulängliche Taxonomie sowie die Nachhaltigkeit in Betrieb und Steuerung.

„Wir können uns nicht zurücklehnen“

Jan Schrader
Silke Stoltenberg

Herr Reinke, Sie sind gebürtiger Rheinländer, Ihr Geburtsort Bonn nicht allzu weit von der Region entfernt, die die Flutkatastrophe so verheerend getroffen hat. Was ist Ihnen beim Anblick dieser Bilder durch den Kopf gegangen?

Gerade von den Banken, die jetzt betroffen sind, kenne ich viele Vorstände und Berater persönlich. Die menschlichen Schicksale haben mich sehr hart und sehr persönlich getroffen. Und auch Kolleginnen und Kollegen von Union Investment wohnen in den Regionen. Gott sei Dank beschränkt es sich bei ihnen auf wirtschaftliche Schäden. Jeder, der den Klimawandel negiert, sollte sich spätestens jetzt gewisse Fragen stellen.

Der Klimawandel ist Teil des großen Themas Nachhaltigkeit, das die Finanzbranche, auch getrieben durch neue Regulierung, stark beschäftigt.

Es ist das Megathema. Wir blicken hierbei aber schon auf eine 30-jährige Erfahrung zurück. Es waren die Kirchenbanken, die uns in den frühen 90er Jahren auf das Thema gestoßen haben. Das Thema Nachhaltigkeit entspricht aber auch unseren genossenschaftlichen Wurzeln. Den Genossen geht es nicht um kurzfristige Gewinnmaximierung zulasten der zukünftigen Generationen, sondern um eine stabile und langfristige Wertentwicklung.

Welche Rolle haben nachhaltige Investments bei Ihnen im ersten Halbjahr gespielt?

Eine große, insbesondere bei Privatkunden. Dort gab es letztes Jahr einen großen Sprung. 60% von 9,7 Mrd. Euro Nettoneugeschäft mit Privatkunden gingen in nachhaltige Produkte. 2018, als das Thema Nachhaltigkeit bei den Privatkunden überhaupt erst ankam, betrug dieser Anteil gerade mal 8%. Insgesamt haben wir im ersten Halbjahr einen Nettoabsatz von 24,4 Mrd. Euro verzeichnet. Das ist ein Mehrfaches des ersten Halbjahres 2020, als es 4,3 Mrd. Euro waren. Das Wachstum nachhaltiger Anlagen zeigt sich auch beim verwalteten Vermögen. Von insgesamt 427,2 Mrd. Euro Assets under Management sind aktuell 74 Mrd. Euro nach nachhaltigen Kriterien­ angelegt. 19,8 Mrd. Euro davon stammen von privaten Kunden­. Vor einem Jahr hatten wir ein verwaltetes Vermögen von 359,8 Mrd. Euro, wovon 54,8 Mrd. nach nachhaltigen Kriterien angelegt waren und 9,2 Mrd. Euro auf private Kunden zurückgingen.

Mit mehr als 24 Mrd. Euro Nettoneugeschäft im ersten Halbjahr ist der Rekordwert im Gesamtjahr 2015 mit gut 26 Mrd. Euro zum Greifen nah. Was soll jetzt noch schiefgehen?

Man darf angesichts der guten Zahlen nicht übermütig werden. Sie wissen, dass unser Neugeschäft hart erarbeitet ist, aber mit den Marktphasen schwanken kann. Daher können wir die Zahl nicht einfach auf das Jahr hochrechnen und uns dann zurücklehnen.

Hat die EU-Offenlegungsverordnung zur Nachhaltigkeit in der Finanzbranche, die im März in Kraft trat, Auswirkungen gezeigt?

Das haben wir umgesetzt, aber der Treiber sind andere Dinge. Bei den Ausschreibungen auf der institutionellen Seite sind mehr als zwei Drittel der Mandate klar mit nachhaltigen Zielvorstellungen verbunden. Auf der Privatkundenseite spielt eine Rolle, dass wir gemeinsam mit den Volks- und Raiffeisenbanken den Kunden sehr glaubhaft machen können, dass das Thema Nachhaltigkeit keinen Verzicht auf Rendite bedeutet, sondern das Risiko sogar geringer wird. Insbesondere aber suchen die Anleger nach Alternativen im Negativzinsumfeld. Zudem geht die zunehmende öffentliche Diskussion über den Klimawandel, angestoßen etwa durch Greta Thunberg oder Fridays for Future, sowie die politischen Initiativen in diesem Zusammenhang an den Anlegern nicht vorbei.

Aus Brüssel kommen demnächst neben der Offenlegungsverordnung noch viele Vorschriften für die Finanzbranche in Sachen Nachhaltigkeit: die Taxonomie, die geplante Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger bei der Beratung, das Ecolabel. Zugleich gibt es den Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung unter anderem mit der geplanten Nachhaltigkeitsampel für Finanzprodukte. Was bewegt Ihr Haus am meisten?

Natürlich begrüßen wir, dass es mit der Schaffung einer Taxonomie einen europaweiten Ordnungsrahmen gibt. Ein Klassifizierungssystem ist auch notwendig, um ein gemeinsames Verständnis herzustellen und das Ziel zu erreichen, mehr finanzielle Mittel für einen nachhaltigen Umbau der Wirtschaft in Europa zu mobilisieren. Was wir bemängeln, ist die Umsetzung des Konzepts für die Praxis. Denn die Taxonomie konzentriert sich bisher allein auf das Thema Klima. Daher halten wir die Taxonomie im Moment für ungeeignet, das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich zu messen. Es fehlen die Ausführungen zu anderen Umweltdimensionen sowie zu Soziales und Governance. Insbesondere beim Thema Soziales hat Brüssel den Fehler gemacht, diesen Punkt zu spät zu berücksichtigen. In den Diskussionen mit unseren Kunden stellen wir fest, dass gerade das Soziale für sie eine große Rolle spielt.

Zudem beklagt die Finanzbranche, dass es von den Unternehmen bislang kaum Daten zur Nachhaltigkeit gibt.

Richtig. Von den großen Unternehmen noch nicht hinreichend, von den kleinen Unternehmen im Prinzip gar nicht. Der dritte kritische Punkt der Taxonomie ist aus unserer Sicht, dass sie nur eine Messlatte für grüne Investments ist. Wir dagegen sind der Meinung, dass es nicht darum geht, aus einem hellgrünen ein dunkelgrünes Unternehmen zu machen, sondern darum, aus den vielen braunen Unternehmen grüne zu machen. Die Taxonomie sollte daher zügig breiter gefasst werden und die Transformation stärker abbilden.

Mit Blick auf die Produktpalette konzentriert sich Union Investment auch beim Thema Nachhaltigkeit nur auf wenige Fonds im Privat­kundengeschäft. Ist weniger mehr?

Definitiv. Beim Thema Nachhaltigkeit ist es aus Sicht der Bank wie auch des Kunden besser, wenn man sich auf wichtige Überschriften konzentriert. Dann kann ich mit wenigen Produkten die Bedürfnisse des Kunden sehr gut abdecken. Für uns ist das keine Marketingveranstaltung. Es geht ja nicht darum, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben.

Das steht im Kontrast dazu, was in den vergangenen Monaten allgemein in der deutschen Fondsbranche zu beobachten ist, quasi eine Explosion an nachhaltigen Fonds, auch uralte Fonds werden plötzlich zu ESG-Fonds umetikettiert, die Marketingabteilungen laufen heiß. Wie stehen Sie dazu?

Da sage ich Ihnen ganz offen: Union Investment zeichnet sich aus durch eine Eigenart, die da heißt: Wir schreiben unsere eigene Konjunktur durch unsere eigene Kultur. Wir wollen das anbieten, was am meisten Sinn macht. Die Anzahl der Produkte ist für mich, und vielleicht sind wir da auch anders als der Rest der Branche, kein relevantes Entscheidungskriterium. Man kann bestehende Fonds in nachhaltige umwidmen. Aber nur dann, wenn man auch die Anlagepolitik anpasst.

Vor dem Hintergrund der plötzlich aufblühenden Zahl an nachhaltigen Fonds – können Sie nachvollziehen, dass sich die BaFin Sorgen macht, dass Anleger hier übers Ohr gehauen werden, und Regeln gegen Greenwashing vorbereitet?

Das kann ich nachvollziehen. Wobei gilt: Die Vorgaben der Aufsicht müssen praktikabel sein. Das wird durch mehr Regeln bestimmt nicht besser.

Sie sagen, mehr Vorgaben durch die Aufsicht schaffen nicht unbedingt einen besseren Rechtsrahmen. Allerdings gibt es gegen Greenwashing in den Fondsportfolien noch keine Vorgaben der EU. Außerdem ist der Interpretationsspielraum in den neuen wie geplanten EU-Richtlinien sehr groß, was Raum für unlautere Methoden schafft.

Richtig. Aber wir Deutsche sollten nicht immer Goldplating betreiben, also schärfere Vorgaben als andere europäische Ländern machen. Denn damit wird die Arbitrage im europäischen Rechtsrahmen verschärft. Ich bin der Letzte, der etwas gegen Vorgaben der Aufsicht sagt, aber diese müssen einfach und praktikabel sein. Ich bin zuständig für Union Investment – und was der Wettbewerb macht, ist mir schrecklich egal.

Was heißt denn für Sie konkret einfach und praktikabel?

Das heißt zum Beispiel, dass die regulatorischen Anforderungen auf europäischer und deutscher Ebene aufeinander abgestimmt werden müssen. Ergänzende Vorschläge aus Deutschland wie die Nachhaltigkeitsampel sollten daher nicht zu einem zusätzlichen Kriterienkatalog führen, sondern auf den EU-Regeln basieren.

Was sehen Sie als Ihr Allein­stellungsmerkmal bei der Nachhaltigkeit?

Der transformatorische Ansatz. Das ist auch die Abgrenzung zu passiven Fondsmanagern, die einfach nur Märkte abbilden. Wir suchen explizit die Firmen heraus, die wir im Prozess begleiten können von einem braunen zu einem grünen Unternehmen. Warum sind wir dabei so gut? Weil wir erstens das größte Team für Nachhaltigkeit im deutschen Markt haben: 17 Analysten und 65 Fondsmanager. Wir haben zweitens die größte Nachhaltigkeitsdatenbank mit 94700 Wertpapieren. Weil wir drittens eine lange Erfahrung haben, siehe die langjährige Betriebszugehörigkeit unserer Fondsmanager. Und viertens, weil wir sehr aktiv sind als Aktionär: Wir führen 4000 Unternehmensdialoge im Jahr, davon sind 700 reine Nachhaltigkeitsgespräche. Wir stimmen auf 2000 Hauptversammlungen pro Jahr ab. Wir halten bei 15 der wichtigsten Dax-Konzernen Reden. Das macht uns aus: DNA, Erfahrung, Ansatz und gute Daten.

Nachhaltigkeit beginnt bei einem selbst. Was tut Ihre Gesellschaft?

Ganz richtig. Es geht nicht nur um die Außenwirkung durch nachhaltige Produkte. Es geht, um wirklich authentisch zu sein, natürlich auch um die eigene Betriebsökologie. Und als drittes Thema gibt es noch die Steuerung durch Integration in die Finanzfunktion. Wir versuchen einen Gleichlauf zu haben zwischen Außen- und Innenwirkung und stellen parallel unsere Steuerung auf diese Parameter um. Wir diskutieren beispielsweise gerade darüber, wie wir unsere Balanced Scorecard sowie unsere Zielsysteme darauf anpassen.

Was passiert konkret?

Als Beispiel: Wir haben für unsere Betriebsökologie und unser Ziel, 2045 CO2-neutral zu sein, ein Messtool entwickelt. Was sind die größten Treiber bei CO2,wie können wir diese beeinflussen, und wie können wir das in den Zielsystemen für die Mitarbeiter hinterlegen und messen? Zum Beispiel das Thema Dienstreisen: Durch die Pandemie haben wir gelernt, dass nicht jedes Kundengespräch vor Ort stattfinden muss. Hier gilt es je nach Anlass künftig abzuwägen, ob es auch eine digitale Alternative gibt oder ob eine Fahrt nötig ist. Das muss auch in unsere Zielsysteme hinein.

Das heißt, perspektivisch werden diese Themen auch bei der Vergütung berücksichtigt?

So weit sind wir noch nicht, aber Sie haben recht. Als Erstes muss es in das Zielsystem. In einer zweiten Stufe muss es in den Vergütungsstrukturen berücksichtigt werden.

Die genossenschaftliche Finanzgruppe arbeitet derzeit an einer neuen Strategie hin zu mehr Digitalisierung. Was wird die Rolle Ihres Hauses künftig sein, welche strategischen Veränderungen braucht es hierfür?

Die Strategie des BVR bezieht sich auf drei Punkte: Die Weiterentwicklung des analogen Ökosystems, das die Genossen seit Jahrhunderten sind, hin zu einem digitalen. Das bedeutet für uns, dass wir unsere digitalen Lösungen weiter vorantreiben. Für unser Geschäftsmodell bedeutet das aber keine Veränderungen. Der zweite Punkt ist, die Zusammenarbeit in der genossenschaftlichen Gruppe zu überprüfen. Hier geht es darum, die Redundanzen zu vermeiden und Synergien zu heben. Daran arbeiteten wir innerhalb der DZ-Bank-Gruppe und liefern unseren Beitrag zum Gesamterfolg. Und der dritte Punkt davon beschäftigt uns gar nicht, hier geht es um das Drei-Banken-Modell der Vertriebs-, Produktions- und Steuerungsbank. Wir sind auch in der Zukunft das Kompetenzzentrum Assetmanagement der genossenschaftlichen Finanzgruppe. Das übertragen wir von einer analogen in eine digitale Welt.

Wie verändert sich die Beratung?

Der Mix zwischen analog und digital wird perspektivisch ein anderer sein. Beim Wertpapiergeschäft ist aber auch künftig der persönliche Kontakt durch nichts zu ersetzen. Es mag künftig statt eines Gesprächs vor Ort eines per Video stattfinden oder durch andere Formate. Aber der Anteil derjenigen, die ein persönliches Gespräch haben wollen, im Vergleich zu den Selbstentscheidern, die autark ihre Wertpapiergeschäfte tätigen, wird sich nicht wesentlich verändern. Von zehn Kunden sind heute neun Beratungskunden. Das zeigen auch unsere Erfahrungen mit digital affinen jungen Menschen bei unserem Robo-Advisor Visualvest. Deswegen haben wir daraus das Beratungsportal Meininvest weiterentwickelt, denn auch diese Kunden wollen eine Beratung.

Das verstärkt zu beobachtende Interesse junger Menschen seit der Pandemie, über Online-Broker oder Neobroker in das Wertpapiersparen einzusteigen, beunruhigt Sie nicht, dass Ihnen also die künftige Generation der Sparer wegbrechen könnte?

Das beobachten wir. Aber zu uns kommen die jungen Menschen zuletzt verstärkt über die Beratung. Das zeigen auch die weiter gestiegenen Zahlen der Fondssparpläne. Im ersten Halbjahr 2021 kamen netto 348000 neue Sparpläne hinzu. Im Vorjahreszeitraum waren es 200000 neue Verträge. Sehr erfreulich ist, dass 68% unser Neukunden über einen Sparplan zu uns kamen, darunter sehr viele junge Menschen.

Beim Thema Altersvorsorge hat die Bundesregierung ihr Versprechen nicht erfüllt, die Reform der Riester-Rente anzupacken. Die DWS als drittgrößter Anbieter von Riester-Fondssparplänen stellt das Geschäft ein. Sie sind bei den Riester-Fondssparplänen vor der Deka größter Anbieter, mit zuletzt stagnierenden 1,89 Millionen Verträgen beträgt Ihr Anteil fast 60%. Sie schränken Ihr Angebot nun auf Personen unter 45 Jahren ein. Stirbt die Riester-Rente?

Die Politik und manche Medien haben sich daran beteiligt, die Riester-Rente schlechtzureden. Dabei haben von 32 Millionen Förderberechtigten mehr als 16 Millionen diese staatliche Altersvorsorge. Ich verstehe nicht, was daran schlecht ist. Es trifft auch nicht die falschen Kunden, wie immer behauptet wird. Denn mehr als 60% dieser Kunden haben ein zu versteuerndes Einkommen von weniger als 30000 Euro. Es hieß auch, dass die Verzinsung nicht ausreicht. Tatsache ist, dass wir aktuell 24,8 Mrd. Euro in der Riester-Rente verwalten. Davon liegt der reine Wertzuwachs bei 40%, inklusive der Zulagen sogar bei 58%. Die CDU-SPD-Regierung hat ihr Versprechen in ihrem Koalitionsvertrag zum Thema Riester nicht eingehalten, obwohl Vorschläge aus unserer Branche auf dem Tisch lagen. Es ist schon sehr verwunderlich, dass wir als größter Riester-Anbieter in Deutschland auf unsere Briefe diesbezüglich an Herrn Heil und Herrn Scholz noch nicht einmal eine Antwort erhalten haben.

Konkret geht es der Finanz­branche darum, dass das Garantieversprechen der Riester-Rente im Niedrigzinsumfeld relativiert wird. Warum ist es so schwierig, das politisch umzusetzen?

Insbesondere für Deutsche war das Thema Garantie immer sehr wichtig. In den Zeiten, als es noch das Achte Weltwunder von Zins und Zinseszins gab, war Zinssparen in der Gesellschaft fest verankert. Das funktioniert heutzutage ohne Zinsen nicht mehr. Wir halten daher aufgrund einer eigenen Studie ein Garantieniveau von 70% für adäquat.

Unter einer wie auch immer gearteten Bundesregierung könnte es aber sein, dass es nicht um die Reform der Riester-Rente geht, sondern um ein völlig neues, staatliches gefördertes Altersvorsorgeprodukt.

Absolut. Diese Diskussion wird kommen, aber man muss sie ganzheitlich führen. Denn die Reformen müssen alle Säulen betreffen. Was derzeit den Menschen mit Blick auf die erste Säule der Altersvorsorge, der gesetzlichen Rente, vermittelt wird, ist irreführend. Die Lücke in der gesetzlichen Rentenversicherung war vor der Pandemie 2,6 Bill. Euro groß, jetzt ist sie bereits auf 3,1 Bill. Euro gestiegen. Das lässt sich ohne Veränderungen auf Dauer nicht finanzieren. Bei der gesetzlichen Rente gibt es aber nur zwei Stellschrauben, den Beitrag oder die Leistung. Das muss die Politik jetzt mal ehrlich kommunizieren. Dann muss die Diskussion über die dritte Säule der privaten Altersvorsorge erfolgen. Wir sind bereit zu diskutieren. Aber wenn Teile der Politik aktuell nicht mit uns diskutieren möchten, dann wird es schwierig.

Von den öffentlich diskutierten Konzepten – etwa ein Staatsfonds wie in Schweden, eine Deutschlandrente, ein Bürgerfonds, ein Altersvorsorge-Depot – was könnten Sie sich vorstellen?

Erstens erwarten wir von der Politik, dass es eine staatlich geförderte private Altersvorsorge weiter gibt. Diese Idee ist gut und richtig. Aber die dritte Säule kann die Schieflage in der ersten nicht verhindern. Die Renovierungsarbeiten an der gesetzlichen Rente in der auslaufenden Legislaturperiode haben deren Lage auch schon ohne Corona verschlimmert. Zweitens glauben wir, dass die Weiterentwicklung der Riester-Rente immer noch der beste Weg ist, dazu gibt es den bereits erwähnten Fünf-Punkte-Plan der Versicherungs- und Finanzbranche.

Über andere Konzepte wollen Sie nicht reden?

Ich habe keines gesehen, das mich mehr überzeugt als die vorliegenden Reformvorschläge für die Riester-Rente. Abgesehen davon gibt es bei den anderen im Raum stehenden Konzepten nur abstrakte Vorschläge, deren konkrete Umsetzung im Vagen gelassen werden. Die Finanzbranche hat konkrete Vorschläge gemacht. Ein Beispiel ist die Idee eines Staatsfonds, mal für die erste Säule, mal für die dritte. Für eine Diskussion muss man über konkrete Dinge sprechen können. Und wer soll solch einen Fonds überhaupt managen und die Verwaltung übernehmen? Es müsste für jeden Kunden eine eigene Vertragskonstellation geben, abhängig vom Alter, von der Familiensituation et cetera. Dafür braucht es sehr komplexe technische Systeme, wie es die Finanzbranche für Riester unterhält. Es braucht ein Risikomessungssystem. All das fehlt erst einmal bei einem Staatsfonds.

Was sind ganz allgemein Ihre drei wichtigsten Wünsche an die künftige Regierung?

Erstens, dass das System der Sozialen Marktwirtschaft, das Deutschland in den letzten Jahrzehnten erfolgreich getragen hat, im Mittelpunkt bleibt. Zweitens, dass man eine Regulierung und Gesetzgebung bekommt, die pragmatisch ist mit Blick auf Breite und Tiefe. Drittens, dass der Staat nicht versucht, der bessere Unternehmer zu sein, indem man durch viele Regelungen den Wettbewerb, der dieses Land groß gemacht hat, unmöglich macht.

Das Interview führten

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