Im Gespräch Gerold Grasshoff

„Wir werden zwar ärmer, aber nicht grüner“

Nicht alles, was der Nachhaltigkeit dienen soll, führt zu guten Ergebnissen, sagt Gerold Grasshoff. Der CEO des Risikomanagement-Netzwerks FIRM fürchtet, dass Verbote und falsche Anreize eher schaden können. Mit Unbehagen blickt er auf die geopolitische Entwicklung.

„Wir werden zwar ärmer, aber nicht grüner“

Im Gespräch: Gerold Grasshoff

„Wir werden zwar ärmer, aber nicht grüner“

Risikomanager warnt vor Nebenwirkungen der Nachhaltigkeitsregulierung – Netzwerk FIRM blickt auf geopolitische Risiken

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Nicht alles, was der Nachhaltigkeit dienen soll, führt zu guten Ergebnissen, sagt Gerold Grasshoff. Der CEO des Risikomanagement-Netzwerks FIRM fürchtet, dass Verbote und falsche Anreize eher schaden als nutzen. Mit Unbehagen blickt er auf die geopolitische Entwicklung.

Geopolitik, Nachhaltigkeit und Finanzkriminalität sind die wichtigsten Schwerpunktthemen, welche die Arbeit des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) in diesem Jahr prägen. Gerade die geopolitischen Herausforderungen haben nicht erst seit dem erneuten Amtsantritt Donald Trumps als US-Präsident am 20. Januar deutlich zugenommen. „Es gibt viele geopolitische Risiken, doch die folgenden drei haben die größten Auswirkungen“, zählt FIRM-Vorstandsvorsitzender Gerold Grasshoff im Gespräch mit der Börsen-Zeitung auf: Erstens der Machtkampf zwischen den USA und China sowie eine mögliche Invasion Taiwans. Zweitens Russlands Krieg gegen die Ukraine. Und drittens die Konflikte im Mittleren Osten, insbesondere zwischen Israel und Iran sowie dessen Proxys Hamas und Hisbollah.

Trump schürt Unsicherheit

Diese Krisen, die bereits seit rund anderthalb Jahren die geopolitischen Diskussionen in zunehmendem Maße bestimmten, dürften sich nach der Wiederwahl Trumps noch verschlimmern, befindet FIRM in einem aktuellen Positionspapier. Sein Sieg signalisiert demnach einen Wandel in der US-Politik, der erhebliche Unsicherheiten für deutsche und europäische Finanzinstitute mit sich bringt. Hinweise, wohin die Reise geht, gebe seine erste Amtszeit 2017 bis 2021. Sie sei von aggressiver Deregulierung, unilateralen Steuerreformen und protektionistischer Handelsagenda geprägt gewesen.

Mehrere Konfliktzonen gleichzeitig

Diese auf die USA ausgerichtete Politik wird sich nach Einschätzung Grasshoffs und der beiden Co-Autoren des Positionspapiers, Til Bünder und Emilia Zimmermann, verschärfen. „Das sich verändernde Umfeld stellt direkte und indirekte Herausforderungen für europäische Banken dar und gibt Anlass zur Sorge über regulatorische Divergenzen, Marktvolatilität und die Stabilität der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen“, heißt es dort. „Von Handelskriegen bis hin zu militärischen Konfrontationen – das heutige Umfeld ist durch mehrere Konfliktzonen gekennzeichnet, die gleichzeitig eskalieren und daher von Unvorhersehbarkeit geprägt sind.“

Szenarien durchspielen

Was Banken nun zu tun haben, um herauszufinden, wie sich geopolitische Krisen auf den Finanzsektor auswirken können, skizziert Grasshoff folgendermaßen: mehrere Szenarien erstellen, Auswirkungen in den verschiedenen Risikoarten analysieren und quantifizieren, Strategien zur Risikominderung für den deutschen und europäischen Finanzsektor ableiten. „Der Ansatz, der sich bewährt hat, ist, Geopolitik nicht als eigene Risikokategorie zu betrachten, sondern verschiedene geopolitische Szenarien durchzuspielen“, erklärt Grasshoff. „Wir denken also in Szenarien, identifizieren die Risikotreiber und übersetzen sie in die herkömmlichen Finanzrisiken, also die Risikoarten Kreditrisiko, Marktrisiko sowie Liquiditätsrisiko und in nichtfinanzielle Risiken.“ Zu den nichtfinanziellen Risiken zählen vor allem Finanzkriminalität, etwa Geldwäsche und Sanktionsumgehung, sowie Cyber-, IT- und Datensicherheit und auch Reputationsrisiken.

AMLA hebt die Standards

Mit Letzteren müssten sich Institute verstärkt auseinandersetzen, sagt der FIRM-Chef. Eine Frage hebt er in diesem Zusammenhang hervor: „Wie kann ich im Internetzeitalter mit Reputationsrisiken umgehen, die zum Beispiel durch Fake News entstehen?“. Was den Kampf gegen Finanzkriminalität angehe, so haben sich seiner Einschätzung nach Europas Banken auf höhere Standards einzustellen. Dafür spreche allein die Schaffung der europäischen Anti-Geldwäschebehörde AMLA, die in Frankfurt die Arbeit aufgenommen hat und bis 2028 voll funktionsfähig sein soll.  

Dennoch bestehe in manchen Instituten deutlicher Handlungsbedarf in Sachen Risikokultur. Bankgeschäft sei stets mit Risiken verbunden, doch müssten diese dann auch klar beschrieben, fortlaufend mit hinterlegten Standards abgeglichen, quantifiziert sowie Verantwortlichkeiten im Management zugeordnet werden. „Wird das nicht vorgegeben und vorgelebt, wird es sehr schwierig.“ Als Beispiel nennt er die Credit Suisse, wo strukturelle Probleme über viele Jahre aufgebaut worden seien, ohne sie anzugehen.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit abwägen

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, sorgen Grasshoff zufolge drei Dinge für Diskussionen. Zwar ist die globale Bedeutung des Themas unstrittig, doch sei der Beitrag, den Deutschland leisten könne, immer im internationalen Kontext zu sehen. Maßnahmen zur Energiewende müssten daher gut abgewogen werden, damit beispielsweise grüne Technologien und hohe Energiepreise die Wirtschaftlichkeit nicht zu stark belasten. 

Asset-Abstoßung ohne Effekt

Und schließlich stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Auswirkungen auf den Kapitalstock der Volkswirtschaft. Forschungsarbeiten zufolge sei davon auszugehen, dass stärker regulierte Unternehmen in Deutschland und Europa „braune“ Vermögenswerte veräußern, um den eigenen CO2-Fußabdruck zu senken und so grüne Vorgaben zu erfüllen. „Wenn die Vermögenswerte dann aber aufgekauft werden von Unternehmen oder Investoren, die dieser Regulierung nicht unterliegen, ändert sich an der CO2-Emission oder an anderen Nachhaltigkeitskriterien rein gar nichts.“

„Wenn das Asset dann noch mit einem Abschlag veräußert wird“, fährt Grasshoff fort, „haben wir eine Vermögensreduktion für unsere Volkswirtschaft, global betrachtet aber keinerlei positiven Effekt auf Nachhaltigkeit. Überspitzt kann man sagen, wir werden zwar ärmer, aber nicht grüner.“

Verengung der Diskussion

Er beklagt eine Verengung der Diskussion über Nachhaltigkeit auf den Einfluss des CO2-Ausstoßes auf den Klimawandel. Andere Nachhaltigkeitsthemen wie Biodiversität, Verschmutzung der Meere durch Plastik fänden verhältnismäßig wenig Beachtung, merkt Grasshoff an. Den in Europa gewählten Weg, via Regulierung so auf Banken einzuwirken, dass sie über die Finanzierung der Wirtschaft die grüne Transformation vorantreibt, betrachtet er kritisch. „Die Hälfte der Emissionsdaten fehlt nach wie vor, und lediglich ein kleiner Teil der Unternehmen hier in Europa verfügt über einen validen Transmissionsplan, der auch den Kriterien des Carbon Disclosure Projects entspricht.“ Die Gefahr sieht er darin, das eigentliche Ziel, Umwelt- und soziale Aspekte sowie gute Unternehmensführung aus den Augen zu verlieren.

Ehrlichkeit in Debattenkultur angemahnt

Grasshoff plädiert deshalb für eine ehrliche Debattenkultur: „Gut gemeinte Vorschläge führen mitunter zu schlechten Ergebnissen.“ Es sei essenziell, offen damit umzugehen, weil andernfalls der Nachhaltigkeitsgedanke, der elementar und existenziell sei, Schaden nehme. „Aller Erfahrung nach sind kluge Rahmenbedingungen, die zu marktwirtschaftlichem Handeln führen und letztlich Innovationen fördern, effektiver als Anreize, die versuchen, über Gebote und Verbote wirtschaftliche Aktivität in eine bestimmte Richtung zu lenken“, so Grasshoff.


Zur Person

Gerold Grasshoff ist Managing Director und Senior Partner der Boston Consulting Group (BCG) sowie Vorstandsvorsitzender des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM). Dem 2009 gegründeten Netzwerk gehören mehrere Dutzend Institutionen an, darunter Kreditinstitute und Finanzdienstleister, Unternehmensberatungen und Verbände, Deutsche Börse, BaFin, das Land Hessen und das House of Finance der Goethe-Universität. Geschäftsführerin von FIRM ist Esther Baumann. Bei BCG leitet Grasshoff die Risk Task Force und die globale Arbeit im Risikomanagement in Finanzinstituten. Er kam 1997 zu der Beratungsgesellschaft.


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