Wirecard gerät in den Wahlkampf
sp/Reuters Berlin
Die Vertreter von CDU/CSU und von der Opposition im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal haben die politische Verantwortung für den milliardenschweren Betrug bei dem insolventen Zahlungsdienstleister zum Abschluss der Ausschussarbeit Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zugewiesen. „Die politische Verantwortung liegt bei Olaf Scholz. Punkt“, sagte Matthias Hauer (CDU), Obmann der Unionsparteien im Untersuchungsausschuss, bei einer Pressekonferenz anlässlich der Übergabe des 4500 Seiten starken Abschlussberichts an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. In dem Bericht wird die Verantwortung von Scholz allerdings nicht erwähnt, weil der Koalitionspartner SPD dem nicht zugestimmt hätte. Entsprechend konnten sich die Vertreter der Koalition im Ausschuss nach fast neun Monaten Untersuchungsarbeit auch nicht auf gemeinsame Empfehlungen einigen. Die SPD bezeichnete die Kritik an Scholz als „Wahlkampfgetöse“.
Nicht nur die Union sieht die politische Verantwortung für den Finanzskandal im Finanzministerium. Der Vorsitzende des parlamentarischen Sondergremiums, der AfD-Politiker Kay Gottschalk, forderte Scholz auf zurückzutreten. Hauer forderte, dass Scholz zumindest seinen Staatssekretär Jörg Kukies wegen Versäumnissen bei der BaFin hätte freistellen müssen. „Er hat den Hut bei der BaFin auf.“ Neben der Finanzmarktaufsicht BaFin habe in dem Fall auch die Geldwäscheaufsicht versagt, die ebenfalls im Verantwortungsbereich des Finanzministeriums liege, kritisierte Fabio De Masi von den Linken. Die FDP warf Scholz vor, als Finanzminister schon auf das Kanzleramt zu schielen und den Job nur mit halber Kraft zu machen. Er wolle im Wahlkampf aber gerade mit seiner Regierungserfahrung punkten, sagte der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar. „Dann darf so etwas nicht passieren.“ Die grüne Finanzexpertin Lisa Paus stellte fest, dass Scholz weder in der Untersuchung des Cum-ex-Skandals noch im Wirecard-Untersuchungsausschuss eigene Fehler eingestanden habe und zog mit Blick auf die Bundestagswahl den Schluss, dass der Finanzminister nicht für das Kanzleramt geeignet sei.
Die SPD konterte, es gebe im Abschlussbericht keine konkreten Verfehlungen von Scholz. „Ich halte das für Wahlkampfgetöse“, sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe. Die von der Prüfungsgesellschaft EY über viele Jahre anstandslos testierten Wirecard-Bilanzen seien seit 2010 fehlerhaft gewesen, Scholz aber erst seit 2018 Finanzminister. „Er hat sofort gehandelt“, ergänzte Jens Zimmermann, Obmann der SPD im Ausschuss. Mit dem Wirecard-Gesetz FISG seien bereits erste Konsequenzen gezogen worden, um eine bessere Aufsicht und eine bessere Bilanzprüfung sicherzustellen. Scholz habe an keiner Stelle die Chance gehabt, den Skandal zu verhindern.
Eilantrag zu Abschlussbericht
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte am Dienstagabend eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, das einen Eilantrag gegen die Veröffentlichung des Abschlussberichts mit der Begründung abgelehnt hatte, dass Beschlüsse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen seien. Ein ehemaliger Bilanzprüfer von Wirecard hatte Persönlichkeitsrechte geltend gemacht, um die Veröffentlichung von Passagen mit seinem Namen zu verhindern.