Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen

Zinswende wirkt auf Sparkassen zwiespältig

Die Zinswende trifft die Sparkassen in Hessen und Thüringen zunächst negativ, weil Kursverluste Abschreibungen erfordern. Längerfristig rechnet der Sparkassenverband SGVHT aber mit höheren Zinsüberschüssen.

Zinswende wirkt auf Sparkassen zwiespältig

fir Kassel

– Die 49 Mitgliedsinstitute des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen (SGVHT) werden in diesem Jahr voraussichtlich vor Bewertung mit 964 Mill. Euro etwas weniger verdienen als 2021, nach Bewertung aber deutlich darunter liegen. Das sei vor allem auf temporäre Effekte aus der Zinswende zurückzuführen: Der rapide Zinsanstieg führt zu Kursverlusten bei den im Eigenbestand gehaltenen Wertpapieren der Sparkassen und damit zu Abschreibungen.

Abschreibung „beherrschbar“

„Das Bewertungsergebnis im Wertpapiergeschäft wird sich deutlich erhöhen und entsprechend auch unser Betriebsergebnis nach Bewertung belasten“, sagte der Geschäftsführende Präsident des SGVHT, Stefan Reuß, anlässlich der Zahlenvorlage in Kassel. „Mit diesen Abschreibungen haben unsere Sparkassen den bisherigen Zinsanstieg aber weitgehend verarbeitet.“ Es sei davon auszugehen, dass künftig die Renditen nicht mehr ganz so stark wie bisher ansteigen würden. „Wir halten deshalb derzeit die Folgewirkungen dieser Zinsentwicklung für unsere Sparkassen für beherrschbar“, resümierte Reuß, der seit Jahresbeginn als Nachfolger von Gerhard Grandke an der Verbandsspitze steht.

Von diesen Effekten abgesehen, die vorübergehender Natur seien, begrüßte Reuß die Zinswende, auch wenn sie von der Europäischen Zentralbank (EZB) zu spät eingeleitet worden sei. Der Zinsanstieg werde den Sparkassen Rückenwind geben und die Ertragsseite nachhaltig stärken. Auf das Gesamtjahr bezogen, werden die Institute in Hessen und Thüringen laut Prognose mit 2,03 Mrd. Euro gut 15 Mill. Euro mehr Zinsüberschuss erzielen, das wären 0,8% mehr als im Jahr zuvor. Der Provisionsüberschuss wird demnach um 1,6% auf 922 Mill. Euro zulegen.

Risikovorsorge hochgefahren

Mit deutlich höheren Anstiegen sei angesichts der hohen Inflation bei den Kosten, vor allem beim Sachaufwand mit plus 6%, zu rechnen. Alles in allem zeigte sich Reuß mit dem zu erwarteten Jahresergebnis zufrieden, das „angesichts der nicht gerade leichten Rahmenbedingungen wieder ein ordentliches Resultat wäre“. Die verschiedenen krisenhaften Entwicklungen – Inflation, Folgen des Ukraine-Kriegs, Lieferkettenunterbrechungen, trübere Konjunkturaussichten – hätten die Mitgliedsinstitute veranlasst, die Risikovorsorge im Kreditgeschäft für 2022 auf etwa 130 Mill. Euro anzuheben, obwohl aktuell noch keine Auffälligkeiten im Kreditgeschäft zu beobachten seien, weder bei Gewerbe- und Firmenkunden noch bei Privatkunden. Das könne sich aber ändern. Im vergangenen Jahren hatten die Sparkassen unter dem Strich noch Rückstellungen auflösen können, weil eine zunächst in der Pandemie befürchtete Pleitewelle ausgeblieben war. Deshalb hatte eine Zuschreibung von 47 Mill. Euro vorgenommen werden können.

Zwar seien die Sparkassen bezüglich der Corona-Auswirkungen noch glimpflich davongekommen, sagte Reuß. Doch würden manche davon noch angeschlagene Betriebe nun von den neuen Krisen erfasst. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Betriebe, die sich von den Corona-Verwerfungen gerade so berappelt haben, jetzt durch die neue Liefer- und Energiekrise endgültig aus der Bahn geworfen werden.“ Hinzu kämen die höheren Zinskosten.

Wertberichtigungsbedarf könne es auch im Privatsektor geben. Da das verfügbare Einkommen vieler Haushalte von den Preissteigerungen aufgezehrt werde, könne die Rückzahlungsfähigkeit von Immobilienfinanzierungen bzw. Konsumkrediten beeinträchtigt werden, warnte Reuß.

Und bis sich das ganze Ausmaß der Inflationseffekte zeige, wird es nach Einschätzung des SGVHT noch etwas dauern. „Die Auswirkungen der Preisexplosion im Energiesektor werden für viele Menschen und Firmen in ihrer ganzen Tragweite wohl erst im kommenden Jahr zu spüren sein“, sagte Reuß. Als Beispiel nannte er die Ausgaben für Strom und Gas. So verfügten viele Unternehmen und Haushalte über längerfristige Verträge, welche die aktuellen Preissteigerungen noch nicht berücksichtigten. „Hier wird es auf absehbare Zeit für viele zu großen Belastungen kommen, wenn die bisherige Preisbindung wegfällt“, so Reuß.

Im ersten Halbjahr hätten sich viele Firmen mit Liquidität eingedeckt, um gerüstet zu sein für die steigenden Kosten, aber auch, um ihre Lager aufzufüllen und um Darlehen im steigenden Zinsumfeld zu vergleichbar noch vertretbaren Konditionen aufzunehmen. Auch Wohnungsbaufinanzierungen stiegen weiter an, trotz zunehmender Baukosten, Kaufpreise und Zinsen. Der Gesamtkreditbestand wuchs um 3,0 % auf 90,8 Mrd. Euro damit fast doppelt so stark wie im Vorjahreszeitraum.

Sparkassen in Hessen und Thüringen
Kennzahlen nach HGB
in Mill. EuroPrognose2022Ergebnisse 2021Veränderung ggü. Vorjahr (%)
Zinsüberschuss inkl. Derivate203420190,8
Provisionsüberschuss9229081,6
Saldo sonstige Erträge/Aufwendungen27266,9
Verwaltungsaufwand201919672,6
 Personalaufwand123312270,5
 Sachaufwand7867406,2
Betriebsergebnis vor Bewertung964984–2,1
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