Neue Narrative gesucht
CSRD-Richtlinie
Neue Narrative gesucht
Die CSRD verbessert die ESG-Regulierung. Sie als reines Bürokratiemonster zu brandmarken, ist ein politischer Fehler.
Von Andreas Heitker
Wenn es um Bürokratiebelastungen für die deutsche Wirtschaft geht, zeigen Politiker der Regierungskoalition mittlerweile fast schon reflexhaft auf Brüssel. Dass es dort zum Teil die Parteifreunde waren, die die dicksten Klopse in die Richtlinien hineinverhandelt haben, wird dabei natürlich gerne ignoriert. Dass es vielleicht sogar die eigene Regierung war, die mal wieder nicht rechtzeitig in einem EU-Gesetzgebungsverfahren interveniert hatte – dem Schwarzen Peter ist auch das egal.
Besonders die geplante Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung steht dabei im Visier. Da seien wohl jemanden „die Gäule durchgegangen“, monierte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Beispiel in dieser Woche auf dem Arbeitgebertag zu den neuen EU-Vorgaben. Er zielte dabei einmal mehr auf die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), deren nationale Umsetzung aktuell läuft. Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung das neue Regelwerk, das ja eigentlich die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa auf ein neues Level bringen soll, madig macht. Es gab nicht nur wenig Engagement der Ampel, die Umsetzung fristgerecht bis Anfang Juli abzuschließen. Auch die Einbringung des entsprechenden Gesetzes in den Bundestag nutzte Justizminister Marco Buschmann noch einmal, um sich gleich davon zu distanzieren. Auch für ihn ist die CSRD nichts weiter als ein teures, überflüssiges Bürokratiemonstrum.
Zeitpunkt der CSRD-Einführung unglücklich
Für die Unternehmen, die sich seit der Verabschiedung der neuen ESG-Berichtspflichten in Brüssel vor fast zwei Jahren schon auf das neue Regime vorbereiten, bedeutet das nur neue Verunsicherung. Umfragen zeigen auch, dass die grundsätzlichen Ziele der CSRD trotz aller Komplexität der Regeln und des zusätzlichen Erfüllungsaufwands von vielen Betroffenen weiter unterstützt werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verwies in einer Stellungnahme jüngst darauf, dass die CSRD die Chance biete, Nachhaltigkeit strukturiert im Unternehmen zu verankern. Und dies wirke sich positiv auf Kapitalbeschaffung und den Unternehmenserfolg aus. Vielleicht sollte die Ampel auch solche positiven Narrative einmal übernehmen?
Natürlich ist der Zeitpunkt der CSRD-Einführung mitten in einer Rezession unglücklich. Es werden immerhin 15.000 deutsche Unternehmen unmittelbar betroffen sein und wohl Tausende weitere – auch kleinere und mittelgroße – mittelbar. Die jährlichen Kosten für die Wirtschaft werden auf 1,6 Mrd. Euro geschätzt. Dies konterkariert zunächst einmal die Bürokratieabbau-Agenda der Politik und das Bemühen, den Standort wieder attraktiver zu machen. Umso wichtiger ist daher eine effiziente Umsetzung der EU-Vorgaben – und hier gibt es noch Nachbesserungsbedarf.
Großzügiger Einführungszeitraum der CSRD sinnvoll
Insbesondere sollte ein großzügiger Einführungszeitraum definiert werden, in dem Abgabefristen, Haftung und Sanktionen noch nicht – oder zumindest nicht vollständig – greifen. Ob es die von der DIHK geforderten zwei Jahre sein müssen, ist erst einmal unerheblich. Angesichts der extrem kurzen Vorbereitung nach Abschluss der deutschen Gesetzgebung wäre es aber angemessen, sowohl Prüfer als auch Unternehmen nicht gleich ins kalte Wasser zu werfen. Auch die Entscheidung, nur Wirtschaftsprüfer zur Kontrolle der Nachhaltigkeitsberichte zuzulassen, sollte im Bundestag noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Dies sorgt für eine – von der EU so nicht vorgegebene – Verknappung von Kapazitäten, die besonders am Anfang die Kosten in die Höhe treibt.
Auch andere Erleichterungen wären denkbar, wie die vielfach geforderte vollständige Aussetzung der Berichtspflichten nach dem deutschen Lieferkettengesetz für die Jahre 2023/2024. Ein solcher Schritt würde ja den Kern der neuen Berichterstattung nicht infrage stellen. Und der ist: mehr Transparenz für Unternehmen und Investoren, eine bessere Vergleichbarkeit und damit ein neues europäisches Level Playing Field im ESG-Bereich. Im besten Fall könnte die CSRD damit Treiber des weiteren Transformationsprozesses werden. Dies sollte auch die Ampel anerkennen und ihre Negativerzählungen einmal überdenken.