Curevac

Ein Börsengang wie aus dem Bilderbuch

Das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac wird für das fulminante IPO im Sommer 2020 an der US-Technologiebörse Nasdaq mit dem Corporate Finance Award der Börsen-Zeitung ausgezeichnet.

Ein Börsengang wie aus dem Bilderbuch

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

Für junge deutsche Biotechunternehmen stellt sich die Finanzierung seit vielen Jahren alles andere als rosig dar. Für Start-ups ist es schwierig, die Aufmerksamkeit von internationalen Investoren auf sich zu ziehen; in Deutschland gibt es keinen größeren Kreis an Wagniskapitalgebern, der intensiv in Biotech investiert. Immerhin sind wenige Family Offices in der Branche mit teils hohen Summen engagiert wie der SAP-Gründer Dietmar Hopp oder die ehemaligen Hexal-Eigner Gebrüder Strüngmann.

Auch das Tübinger Biopharmaunternehmen Curevac hatte vor 20 Jahren einen schweren Start, als die Firma antrat, auf Basis der Technologie der Messenger-RNA (mRNA) neuartige innovative Medikamente zu entwickeln. Bis zum IPO 2020, für das die Gesellschaft mit dem Corporate Finance Award der Börsen-Zeitung ausgezeichnet wird, war es ein langer, steiniger Weg. Der Gründer Ingmar Hoerr – er gilt als Pionier in der Entwicklung von Impfstoffen auf Basis der mRNA – hatte zum Auftakt als Nachwuchswissenschaftler im­mer­hin eine Förderung aus dem Gründerprogramm „Junge Innovatoren“ des Landes Baden-Württemberg erhalten. Danach wurde in einer Ochsentour Kontakt zu Banken, Risikokapitalgebern und Business Angels gesucht. Selten erfolgreich, wie es der ehemalige Finanz- und Personalchef Wolfgang Klein in einer Rückblende beschreibt. Bei einer der seltenen Einladungen in die große Investorenwelt sei der Vertreter eines Risikokapitalgebers einmal mitten in der Präsentation von Curevac aufgestanden und grußlos verschwunden.

Schwäbische Tugenden

Die schwäbische Lebensart in Tübingen haben sich auch die Firmengründer zu eigen gemacht. Sein logistisches Talent soll Hoerr den Spitznamen „Schnäppchen-Ingmar“ eingebracht haben. Der erste Firmenwagen, ein Kastenwagen, das „Curevac-Mobil“, soll mit orangefarbener „Curevac“-Aufschrift in der Universitätsstadt am Neckar weithin bekannt gewesen sein. Die Situation entspannte sich schließlich spürbar, als 2005 ein Kontakt mit Dietmar Hopp hergestellt werden konnte und er sich vom Forschungsansatz überzeugen ließ – Hoerr soll den SAP-Gründer mit Analogien zur Softwareentwicklung überzeugt haben.

Zehn Jahre später entdeckte auch Bill Gates Tübingen und stieg über seine Stiftung mit 46 Mill. Euro und einem Anteil von 4% ins Kapital ein, um mit Wirkstoffen von Curevac ein Impfprogramm in Entwicklungsländern voranzubringen. Curevac, auf die Entwicklung von Krebstherapien, aber auch Vakzinen unter anderem gegen Grippe und Malaria fokussiert, wurde in dieser Finanzierungsrunde im Jahr 2005 mit 1,1 Mrd. Euro bewertet. Das Unternehmen wechselte die Rechtsform zur Aktiengesellschaft und nahm Kurs auf die Börse. Es sollte aber noch viele Jahre dauern, bis Bewegung in den IPO-Prozess kam.

Mitten im Jahr 2020 während der Covid-19-Pandemie wurde der Börsengang dann auf die Schiene gesetzt. Der Zeitpunkt war mehr als günstig, weil mRNA-Impfstoffe zu Hoffnungsträgern im Kampf gegen Corona heraufbeschworen wurden. Auch Curevac war in die Entwicklung eines Covid-Vakzins eingestiegen und schürte Fantasie bei Investoren. In einer vorbörslichen privaten Finanzierungsrunde sammelte das Tübinger Unternehmen 560 Mill. Euro ein, wobei die Bundesregierung über die staatliche Förderbank KfW mit 300 Mill. Euro mehr als die Hälfte beisteuerte und dafür einen Anteil von 23% erhielt. Der US-Pharmakonzern GSK engagierte sich als Kooperationspartner von Curevac für knapp 10% mit 150 Mill. Euro; weitere bestehende und neue Investoren, darunter der Staatsfonds von Katar, beteiligten sich in Summe mit 110 Mill. Euro.

Nach dieser Finanzspritze nahm Curevac Kurs auf die US-Technologiebörse Nasdaq. Um den Auftritt im Kapitalmarkt regulatorisch zu vereinfachen und für die Altgesellschafter steuerlich zu optimieren, wurde Curevac in eine Gesellschaft niederländischen Rechts gekleidet. Das IPO erfolgte dann über das Listing einer niederländischen Holding, in die zuvor die Anteile an der deutschen Curevac im Wege eines Anteilstausches eingebracht wurden. Bank of America, Credit Suisse und Jefferies begleiteten das Börsendebüt federführend. Berenberg und Kempen & Co wurden als passive Bookrunning-Manager involviert. Die Curevac N.V. legte Ende Juli der US-Börsenaufsicht SEC ihren Prospekt vor. Daraus wurde ersichtlich, dass der Mehrheitseigner Hopp in einer Privatplatzierung für 100 Mill. Euro Aktien zum Preis des öffentlichen Angebots erwerben wird.

Mitte August gab das Biotechunternehmen den Startschuss für das IPO und teilte mit, beim Börsengang bis zu 245 Mill. Dollar einsammeln zu wollen. In einem öffentlichen Angebot wurden 13,3 Millionen Stammaktien offeriert, weitere knapp zwei Millionen Titel standen für eine Mehrzuteilungsoption bereit. Bisherige Anteilseigner gaben beim IPO keine Papiere ab. Die Aktien sollten an der Nasdaq unter dem Tickersymbol „CVAC“ gelistet werden.

Am 14. August, einem Freitag, war es so weit. Die Curevac-Aktien wurde zu 16 Dollar je Titel ausgegeben. Der Start war fulminant. Erst mehrere Stunden nach Beginn des Handels kam der erste Kurs zustande: 44 Dollar, ein Plus von 175% im Vergleich zum Emissionspreis. Am Ende des Tages war ein sensationeller Kursanstieg in Höhe von 250% auf 55,90 Dollar vollbracht.

Auch nach dem Börsendebüt treibt Curevac die Entwicklung ihres Corona-Impfstoffkandidaten mit hohem Einsatz voran. Das Bundesforschungsministerium ge­währt aus dem Sonderprogramm zur Beschleunigung der Covid-19-Impstoffentwicklung meilensteinabhängig eine Förderung von bis zu 252 Mill. Euro. Dieses Geld soll das Unternehmen dabei unterstützen, rasch einen Impfstoff in hoher Stückzahl produzieren zu können.

Üppige Finanzspritze

Im Dezember 2020 erreicht die Aktie an der Nasdaq den Rekordwert von 136,27 Dollar. Curevac nutzt die Gunst der Stunde und startet im Januar 2021 eine Kapitalerhöhung zu 90 Dollar je Aktie, die auf ein Volumen von 450 Mill. Dollar zielt. Einschließlich Greenshoe sammelt das Unternehmen am Ende brutto knapp 520 Mill. Dollar ein.

In der Entwicklung von Corona-Impfstoffen zieht die Konkurrenz jedoch an Curevac vorbei. Anfang Dezember 2020 erteilte Großbritannien dem mRNA-Vakzin von Biontech und Pfizer eine Notfallzulassung, zwei Tage später zogen die USA nach, am 21. Dezember gab die EU-Kommission grünes Licht. In dieser Zeit erhielt auch der mRNA-Impfstoff des US-Wettbewerbers Moderna die Notfallzulassung in den USA. Unternehmen, die zuvor noch kein Produkt unter Einsatz der mRNA-Technologie auf dem Markt hatten, wurden weltweit für den Erfolg gefeiert, in Rekordzeit hochwirksame Covid-19-Impfstoffe geliefert zu haben – Produkte, für die normalerweise eine Entwicklungszeit von durchschnittlich sieben Jahren veranschlagt wird.

Curevac ist darum bemüht, es besonders gut zu machen und einen Corona-Impfstoff zu entwickeln, der, was Kühlkette und Transport anbelangt, logistisch einfacher einzusetzen ist. Verzögerungen bringen es jedoch mit sich, dass Curevac in den klinischen Studien für den Impfstoffkandidaten, wo 40000 Probanden einbezogen sind, in späterer Phase der Pandemie mit einer hohen Zahl an Virusvarianten konfrontiert ist. Das hat sich offensichtlich negativ auf die Wirksamkeit ausgewirkt. Nach vorläufiger Auswertung der Studienergebnisse hat das Vakzin nicht das erhoffte Ziel erreicht; es zeigt nur eine Wirksamkeit von 47% gegen eine Covid-19-Erkrankung jeglichen Schweregrads. Die detaillierte Auswertung steht noch aus.

Herber Rückschlag

Die schlechte Nachricht hat zu einem deutlichen Kurseinbruch geführt; aktuell notiert die Aktie bei 57 Dollar – also noch 250% über dem IPO-Preis, jedoch 35% unter dem Emissionspreis der Kapitalerhöhung vor sechs Monaten. Die Investoren messen dem Unternehmen noch viel Potenzial zu. In der Pipeline von Curevac sind auch Krebstherapien und andere Impfstoffe, zum Beispiel gegen Tollwut und Gelbfieber. Darüber hinaus entwickelt das Unternehmen bereits – gemeinsam mit GlaxoSmithKline – einen Corona-Impfstoff der zweiten Generation. Erste Daten aus einer präklinischen Studie weisen laut Curevac auf eine schnelle und starke Immunantwort hin. Insofern ist nicht ausgeschlossen, dass das Unternehmen im Kampf gegen Corona noch eine wichtige Rolle spielen könnte.

Bisher erschienen:

Ceconomy (18.6.)

Siemens (11.6.)

Deutsche Börse (4.6.)

Deutsche Telekom (28.5.)

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