EZB reichen Fortschritte nicht aus
18. Juli
Zu wenig Fortschritte für EZB
Auch wenn die Inflation in der Eurozone im Juni wieder gesunken ist, gilt eine weitere Zinssenkung der Europäischen Zentralbank bereits im Juli als nahezu ausgeschlossen. Die Notenbanker richten ihren Blick auf den September – und die Frage, wie sich die Teuerung im Dienstleistungssektor entwickeln wird.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Anfang Juli verbreitete EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Konferenz ihrer Notenbank im portugiesischen Sintra Optimismus. „Wir bewegen uns in die richtige Richtung“, sagte die Französin nur wenige Stunden nachdem das Statistikamt Eurostat eine Erstschätzung für die Euro-Inflation im Juni veröffentlicht hatte. Nach 2,6% im Vormonat näherte sich die Teuerung mit 2,5% dem Zielwert der EZB von 2% an.
Der Fortschritt dürfte jedoch nicht genug sein, damit sich die Notenbank am 18. Juli für eine zweite Zinssenkung in Folge entscheidet. Stattdessen spricht viel dafür, dass die EZB abwartet, wie sich die Daten entwickeln, und im September prüft, ob eine Lockerung angemessen ist oder nicht. Zumal im September auch neue Projektionen der Notenbank für Inflation und Wirtschaftswachstum anstehen. Bewegen sich die Prognosen und Daten in die richtige Richtung, dürfte es nach der Sommerpause eine Zinssenkung um 25 Basispunkte geben.
Kein Anlass für Zinssenkung der EZB im Juli
Mehrere Notenbankchefs, etwa der Niederländer Klaas Knot oder der Belgier Pierre Wunsch, betonen die Bedeutung der EZB-Projektionen für die Geldpolitik. Dies gebe der Notenbank mehr Informationen, um datenbasiert zu entscheiden. Knot äußerte sich zudem deutlich bezüglich einer Zinsänderung im Juli. „Wenngleich ‚vom Tisch‘ ein großes Wort ist, sehe ich in diesem Sinne keinen Anlass für eine weitere Zinssenkung im Juli“, sagte er. Mit den Markteinschätzungen von ein bis zwei Zinssenkungen der EZB in diesem Jahr fühle er sich zudem wohl. Der September und eventuell der Dezember gelten als mögliche Termine dafür. Auch im Dezember aktualisieren die Ökonomen der EZB ihre Projektionen.
Die Tauben im EZB-Rat, also die Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik, halten sich mit öffentlichen Forderungen nach einer baldigen Zinssenkung zurück. Grund dafür dürfte die weiterhin hohe Kernrate der Inflation sein, die im Juni bei 2,9% stagnierte. Sie gilt als Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck.
Wie entwickeln sich die Löhne?
Treiber der hartnäckigen Kernrate ist die Teuerung bei Dienstleistungen. Diese verharrt bei über 4% und verhindert schnelle Erfolge bei der Gesamtrate der Inflation. Das hohe Lohnwachstum führt zu deutlichen Preissteigerungen im arbeitsintensiven Servicesektor.
Die EZB rechnet damit, dass sich das Lohnwachstum in den kommenden Monaten verlangsamen wird und daher Spielraum für Zinssenkungen besteht. „Die Unternehmen sagen uns direkt, wir sehen, dass der Lohndruck abnimmt“, sagte EZB-Chefökonom Philip Lane. Demnach rechnen die Firmen laut der EZB-Befragung mit einem Lohnwachstum von 3 bis 4% in diesem Jahr. Im ersten Quartal waren die Tariflöhne in der Eurozone noch um 4,7% gestiegen. Längst nicht alle Ökonomen teilen diesen Optimismus bezüglich der Lohnentwicklung. Der Spielraum für Zinssenkungen sei daher vor allem 2025 kleiner als von der EZB angenommen.