IWF-Tagung in turbulenten Zeiten
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Drei Mal in Folge haben die Tagungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zuletzt rein virtuell stattgefunden – wegen der Corona-Pandemie. Bei der in der kommenden Woche anstehenden Jahrestagung 2021 gibt es da nun zumindest einen gewissen Fortschritt: Das Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 190 IWF-Mitgliedsländer findet als hybride Veranstaltung statt. Einige Teilnehmer werden nach Washington reisen und sich dort persönlich vor Ort treffen; andere Teilnehmer werden die Sitzungen und Seminare über die digitalen IWF-Plattformen verfolgen.
Aus Deutschland hat der amtierende Bundesfinanzminister und womöglich künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trotz der Ampel-Sondierungen zumindest einen Kurztrip in die US-Kapitale avisiert, um am Mittwoch an der IWF-Jahresversammlung und dem parallelen Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) teilzunehmen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Vizepräsidentin Claudia Buch schalten sich dagegen virtuell aus Frankfurt zu. Von der Europäischen Zentralbank (EZB) machen sich Notenbankchefin Christine Lagarde und Direktoriumsmitglied Fabio Panetta samt kleiner Delegation auf in die USA.
Das zentrale Thema der Tagung wird wie stets die Lage der Weltwirtschaft sein. Und da ist das Bild durchaus gemischt: Einerseits hat sich die Weltwirtschaft sehr viel schneller von der Coronakrise erholt als anfänglich gedacht – und auch sehr viel schneller als nach der Weltfinanzkrise 2008/09. Nachdem die Weltwirtschaft 2020 um gut 3% geschrumpft sein dürfte, steht für dieses Jahr schon wieder ein Wachstum von 5 bis 6% zu erwarten. Andererseits hat die globale Konjunktur zuletzt bereits wieder spürbar an Schwung verloren – und die Risiken haben zugenommen. Neben der Delta-Variante des Coronavirus bremst vor allem der anhaltende Materialengpass weltweit die Wirtschaft.
Der IWF blickt denn auch etwas skeptischer auf die Weltwirtschaft als noch im Sommer. Bei ihrer traditionellen Curtain-Raiser-Speech vor einer Jahrestagung sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa diese Woche, dass der Fonds seine Wachstumsprognose gegenüber Juli wohl etwas absenken werde. Im Juli hatte er für 2021 ein Wachstum von 6% prognostiziert. Für 2022 erwarteten die Experten im Sommer 4,4%.
Zugleich warnte auch Georgiewa vor erhöhten Gefahren. Sie hob vor allem drei Probleme hervor: die weltweite Divergenz beim Wirtschaftswachstum, die zu einer zunehmenden Spaltung vor allem zwischen den Industrie- und den Schwellenländern führe; die Inflation, die sich als hartnäckiger erweisen könnte als im Basisszenario erwartet; und die stark gestiegenen globalen Schulden sowie der vor allem für die Schwellenländer geringe fiskalische Spielraum.
In Richtung der Entscheider aus aller Welt hob sie drei politische Prioritäten hervor: Erstens müsse es noch mehr Tempo bei den Impfungen geben. Wichtig sei vor allem, die Kluft zwischen armen und reichen Ländern zu verringern. Zweitens müsse die Politik stärker gemäß den jeweiligen Bedingungen in den Ländern „kalibriert“ werden. Das gelte speziell für die Fiskalpolitik. Und drittens brauche es schnellere Reformen zum Umbau der Volkswirtschaften im Hinblick auf Klimawandel, technologischen Wandel und die Beteiligung ärmerer Länder.
Georgiewa selbst dürfte indes bei der Tagung auch ein heißes Thema werden – wenn auch nicht in den offiziellen Sitzungen, sondern eher auf den Fluren und informell. Denn sie steht gewaltig unter Druck. In ihrer Zeit bei der Weltbank soll sich die Bulgarin dafür eingesetzt haben, einen Bericht zum internationalen Geschäftsklima („Doing Business Report“) zugunsten von China zu schönen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete am Donnerstag sogar, dass es im US-Finanzministerium Überlegungen gebe, Georgiewa zum Rücktritt aufzufordern.
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