Anlagestrategie

Anleger sollten ihre Resilienz erhöhen

Angesichts des volatilen und herausfordernden Umfelds sollten Anleger ihre Resilienz erhöhen.

Anleger sollten ihre Resilienz erhöhen

Das globale makroökonomische Umfeld bleibt alles andere als normal. Anleger werden in den kommenden fünf Jahren einen volatilen und herausfordernden Weg vor sich haben, da Störungen und Unsicherheiten wahrscheinlich anhalten werden. Das Risiko einer Rezession in den nächsten zwei Jahren ist ebenfalls gestiegen. Die Hauptgründe für diese Annahme sind das größere Potenzial für geopolitische Spannungen, eine hartnäckig hohe Inflation, die das reale Einkommen der Haushalte mindert, sowie der deutliche Fokus der Zentralbanken auf die Bekämpfung der Inflation.

In einer stärker von Brüchen charakterisierten Welt ist zu erwarten, dass sich Regierungen und Unternehmensführer zunehmend auf die Suche nach Sicherheit und den Aufbau von Widerstandsfähigkeit konzentrieren werden: Da das Risiko militärischer Konflikte nach der russischen Aggression gegen die Ukraine realer geworden ist, haben viele Regierungen – insbesondere in Europa, aber auch anderswo – Pläne für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben angekündigt. Ferner wollen sie vermehrt in Energie- und Ernährungssicherheit investieren.

Gleichzeitig konzentrieren sich viele Entscheidungsträger in Unternehmen auf den Aufbau widerstandsfähigerer Lieferketten durch globale Diversifizierung, sogenanntes „Nearshoring“ und „Friend-Shoring“. Solche Bemühungen ließen sich bereits als Reaktion auf die Handelskonflikte zwischen den USA und China beobachten. Die Pandemie hatte dann die Fragilität ausgeklügelter Wertschöpfungsketten weiter akzentuiert. Dieser Trend dürfte sich angesichts des unsicheren geopolitischen Umfelds wahrscheinlich noch verstärken. Darüber hinaus haben die meisten Regierungen und viele Unternehmen als Reaktion auf die Klimakrise und die Pandemie bereits vermehrt Anstrengungen unternommen, die globale Erwärmung abzumildern und sich an sie anzupassen. Sie investieren ferner in die Gesundheit ihrer Bürger und Mitarbeiter.

Dieses Streben nach Resilienz und die Suche nach Sicherheit können zulasten der Wirtschaftlichkeit gehen. Dies liegt zum Teil daran, dass höhere Ausgaben die Gesamtnachfrage über einen längeren Zeitraum hinweg stützen können. Ein Großteil dieser zusätzlichen Ausgaben dürfte jedoch nicht zum langfristigen Produktivitätswachstum beitragen, es sei denn, die Unternehmen versuchen, dieses durch beschleunigte Investitionen in Technologie zu steigern. Außerdem wird das Stärken der Widerstandsfähigkeit wahrscheinlich von mehr Regulierung und Protektionismus begleitet sein, was das langfristige Wachstum belasten könnte.

Weniger Unterstützung

Damit haben wir jene Welt, die wir einst als die „neue Normalität“ charakterisiert hatten – mit unterdurchschnittlichem, aber stabilem Wachstum und einer Inflationsrate, die hartnäckig unter den Zielkorridoren der Zentralbanken liegt –, eindeutig verlassen. Während dieser Periode wurden viele Anleger dafür belohnt, „nach Rendite zu streben“ und in Schwächephasen der Märkte zu kaufen, weil sie entsprechende Maßnahmen der Zentralbanken und – während der Pandemie – auch fiskalpolitische Unterstützung für Risikoanlagen erwarteten. Auf lange Sicht werden die Zentralbanken möglicherweise weniger in der Lage sein, die Marktvolatilität zu unterdrücken und die an den Finanzmärkten erzielbaren Renditen zu unterstützen.

Mit Blick auf die Zukunft heißt das: Anstatt nach höheren Renditen zu streben, sollten Anleger bei ihrer Portfoliozusammenstellung auf Widerstandsfähigkeit achten. Ziel sollte es sein, angesichts eines unsichereren Umfelds mit mehr Makro- und Marktvolatilität und weniger Unterstützung durch die Zentralbanken ein möglichst robustes Portfolio aufzubauen. Diversifikation ist wichtiger denn je. Genauso wie Manager ihre Lieferketten diversifizieren möchten, sollten Anleger versuchen, ihre Portfolios angesichts geopolitischer Be­sonderheiten und Risiken zu diversifizieren. Potenzial für Überraschungen ist fraglos vorhanden.

Niedrige Erwartungen

Die Ausgangsbewertungen und die Antizipation eines volatileren makroökonomischen und marktspezifischen Umfelds erfordern – selbst nach der Schwächephase, die wir in den vergangenen Monaten an den Kapitalmärkten gesehen haben – langfristig niedrige und realistische Erwartungen an die Renditen von Vermögenswerten. Mit Blick auf die Rentenmärkte ist davon auszugehen, dass die Renditen für die meisten Anleihen-Benchmarks langfristig positiv ausfallen werden. Festverzinsliche Wertpapiere werden dann bei höheren Renditen eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, diversifizierte Portfolios widerstandsfähiger zu machen.

Wir erwarten, dass die Aktienmärkte geringere Renditen erzielen werden, als es die Anleger seit der globalen Finanzkrise gewohnt waren. Das spricht für einen Fokus auf Qualität und unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Titelauswahl. Langfristige Themen und Trends zu erkennen und die Gewinner dieses neuen Umfelds zu identifizieren, wird beim Anzapfen von Alpha-Quellen entscheidend sein – vor allem in einer Welt mit weniger lohnendem Beta.

Angesichts des höheren Inflationsdrucks erscheinen zudem inflationsgeschützte amerikanische Staatsanleihen, Rohstoffe und ausgewählte globale inflationsgebundene Investments als vernünftig bewertete Absicherung. Immobilien können ebenfalls als Inflationsabsicherung dienen, insbesondere in Sektoren wie Mehrfamilienhäusern und „Self Storage“.

Vorsicht ist hingegen bei Unternehmensanleihen geboten. Hier sollten Anleger angesichts der Marktperspektiven den Fokus weiterhin auf Qualität richten. Insbesondere gilt es, Positionen zu vermeiden, die uns einem erheblichen Risiko in einem anhaltenden Kreditausfallzyklus aussetzen würden. Private-Credit-Strategien können eine attraktive Ergänzung zu öffentlich gehandelten Kreditpapieren sein. In einem schwierigeren Umfeld für öffentliche Kredite erwarten wir Chancen für Portfolios, die langfristig ausgerichtet sind und eine höhere Risikotoleranz aufweisen. Größere Volatilität und eine stärkere Differenzierung der Makro- und Markterträge werden sowohl Risiken als auch Chancen mit sich bringen. In einer Welt, in der die Marktteilnehmer stärker auf ihr Heimatland fixiert sind, die Deglobalisierung zunimmt und die Märkte stärker fragmentiert sind, können sich Chancen für global denkende Anleger ergeben.