Yen unter Druck

Bank of Japan fühlt sich in der Isolation wohl

Die ultraexpansive Geldpolitik der Bank of Japan stellt eine massive Belastung für den Yen dar. Auch längerfristig dürfte die Valuta gegenüber dem Euro und dem Dollar die schlechteren Karten haben.

Bank of Japan fühlt sich in der Isolation wohl

Von Matthias Krieger *)

Die Bank of Japan (BoJ) denkt derzeit nicht daran, sich dem Geleitzug der übrigen großen Notenbanken anzuschließen und wie diese ihre Geldpolitik zu straffen. Im Jahr 2016 – damals noch mehr oder weniger im Schulterschluss mit den anderen – führte die japanische Notenbank erstmals negative Zinsen auf große Teile der Einlagen der Geschäftsbanken ein. Während aber alle anderen Zentralbanken von Rang und Namen inzwischen längst die Zinswende eingeläutet haben, wirkt die BoJ derzeit ein wenig aus der Zeit gefallen. Unbeirrt hält sie an ihrem bisherigen ultraexpansiven geldpolitischen Kurs fest. Die jüngsten Äußerungen führender BoJ-Offizieller lassen auch keinerlei Raum für Spekulationen darüber, dass sich dies nun bald ändern könnte.

Gemäß der aktuell in Japan praktizierten Strategie der Zinskurvensteuerung („Yield Curve Control“) soll die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen (JGBs) bei etwa 0% verharren, wobei nach oben eine Abweichung um bis zu 25 Basispunkten toleriert wird. Tendiert der Markt in Richtung dieser Ober-grenze, erhöht die BoJ ihre JGB-Käufe, um den Anstieg der Staatsanleihe-Renditen zu stoppen bzw. das Renditeniveau wieder zu senken. Im Juni war dies beispielsweise der Fall, was sich an einer signifikanten Ausweitung des JGB-Kaufvolumens in diesem Monat zeigte.

Massive Belastung

Für den Yen stellt die Beibehaltung der bisherigen japanischen Geldpolitik mittlerweile eine massive Belastung dar. Denn die Zins- und Renditedifferenz von Yen-Anlagen zu auf Dollar oder Euro lautenden Pendants entwickelte sich infolgedessen zuletzt signifikant zuungunsten der japanischen Valuta. In den vergangenen Monaten hat der Yen dann auch entsprechend gelitten – die Abwertung zu Dollar und Euro fiel ziemlich kräftig aus. Da sich die Ausweitung der Zins- und Renditespreads zulasten des Yen bei weiter ansteigenden Leitzinsen in den USA und im Euroraum zudem fortsetzen dürfte, rechnen viele nun mit einem regelrechten Verfall des Außenwertes des Yen.

Auch an den Devisenmärkten kommt es aber ziemlich oft zu Entwicklungen, die den Erwartungen der Mehrheit entgegenlaufen. Hier macht sich dann z. B. das „Contrary Opinion“-Phänomen bemerkbar: Wenn alle von einer bestimmten zukünftigen Kurstendenz überzeugt sind, stellt sich diese nicht ein. Denn eine große Mehrheit ist dann schon dementsprechend positioniert. Insofern werden Nachrichten, die den „Mainstream“ bestätigen, eher ignoriert, während gegenteilige eine umso größere Aufmerksamkeit und Resonanz finden. Letztlich ist das Kurspotenzial für die „Mainstream-Meinung“ damit weitgehend erschöpft.

Wir sehen zwar keine Trendwende zu einer signifikanten Aufwertung des Yen zum Euro und zum Dollar. Ein ähnlich hoher Druck auf die japanische Valuta, wie er seit dem Frühjahr 2022 zu beobachten war, dürfte sich unseres Erachtens aber zunächst einmal nicht wieder aufbauen.

Moderate Teuerung

Denn die Aussichten für die japanische Währung stehen bei realer Betrachtung, also unter Berücksichtigung der jeweiligen Inflationsraten, gar nicht so schlecht. Die Preise steigen zwar auch in Japan. Mit Werten um die 2,5% per annum ist die Teuerung hier aber ungleich moderater als im Euroraum oder in den USA, wo zuletzt eher Raten um die 8% zu verzeichnen waren. Die Realzinsdifferenz spricht derzeit also eher für den Yen und gegen den Dollar oder den Euro. Denn Letztere weisen aktuell beide trotz höherer Nominalzinsen eine deutlich stärker ausgeprägte reale, also um den Preisauftrieb bereinigte Negativverzinsung auf.

Darüber hinaus dürfte die konjunkturelle Abschwächung an der Gemeinschaftswährung nicht spurlos vorübergehen. Die Energiekrise wirft dunkle Schatten auf Europas Wirtschaft. Die Währung einer schwachen Wirtschaft ist indes relativ unattraktiv für Engagements. Und die EZB könnte angesichts der drohenden Rezession versucht sein, ihre bislang ohnehin eher halbherzigen Bemühungen um eine Eindämmung der Teuerung im Euroraum eher früher als später wieder zu drosseln.

Das Ende des gerade begonnenen Zinserhöhungszyklus im Euroraum könnte also recht schnell erreicht sein. Dann ginge dem Euro gegenüber dem Yen der derzeit wichtigste Stützungsfaktor verloren. Und da weltwirtschaftliche Krisenzeiten ohnehin oft zu Repatriierungen japanischer Auslandsanlagen führen, wären rezessive Tendenzen in Europa und den USA – und angesichts der rigiden „Zero-Covid Strategy“ vielleicht sogar in China – ein zusätzlicher Faktor, der den Yen vorerst stützen könnte.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Nachfrage nach der japanischen Valuta kaum ins Bodenlose fallen. Wir rechnen daher nun zunächst einmal mit einer Konsolidierungsphase des Yen zum Euro und auch zum Dollar.

Schwäche auf längere Sicht

Unter der Annahme, dass sich die aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen (Energiekrise, Pandemie, Lieferkettenprobleme) auf Jahressicht etwas entschärfen, dürfte der Yen dann aber eher wieder die schlechteren Karten haben. Denn eine Mischung aus in Europa und den USA allmählich nachgebenden Inflationsraten bei moderat hohen Nominalzinsen und zumindest der Perspektive auf eine bald einsetzende wirtschaftliche Erholung würden sowohl dem Dollar als auch dem Euro im Hinblick auf den Yen wieder zunehmend Rückenwind verschaffen. Trotz der von uns nun zunächst erwarteten Konsolidierung beim Yen liegt unsere 12-Monats-Prognose für den Wechselkurs zum Euro mit 141 Yen daher nach wie vor über der aktuellen Marktnotiz von 138 Yen.

*) Matthias Krieger ist Senior Economist bei der LBBW.