Bondakteure blicken auf EZB
kjo Frankfurt
Die Renditen der Staatsanleihen praktisch rund um den Globus haben sich von ihren historischen Tiefs abgesetzt. Die zehnjährige Bundrendite handelt mit 1,28% über der Marke von 1%. Die zweijährigen Papiere des Bundes liegen bei einer Rate von 0,65% und die 30-jährigen Bundestitel bei 1,53%. Vorbei also die Zeiten, in denen die Anleger „Parkgebühren“ berappen mussten, wenn sie ihr Geld zum Bund brachten. Auch US-Staatsbonds haben sich von den historisch niedrigen Niveaus abgesetzt.
Die Gründe für die steigenden Renditen der Staatsanleihen liegen auf der Hand. Zum einen sind treibende Faktoren in der Pandemie zu suchen. Hier kam es zu inflationssteigernden Effekten. Und um diese zu bekämpfen, müssen die Notenbanken rund um den Globus die Leitzinsen erhöhen. Die Bondmärkte quittieren diese Erwartung höherer Leitzinsen mit steigenden Bondrenditen. Zum anderen sind die höheren Bondrenditen bzw. das Ausmaß der Steigerung derselben auch auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen. Er hat über nochmals stark steigende Energie- und Rohstoffpreise die Inflation befeuert. In der vorigen Woche wurde im Euroraum bei der Inflation nun schon die Acht vor dem Komma Realität. Das zwingt nach Einschätzung vieler Beobachter die Zentralbanken nun noch mehr dazu, auf die geldpolitische Bremse zu treten. Das wiederum sorgt dafür, dass der Aufwärtsdruck auf die Renditen intakt bleibt, auch wenn sich jüngst immer mehr abzeichnet, dass die Geschwindigkeit der Renditeanstiege nun etwas abgenommen zu haben scheint. Denn die Anleger sichern sich nun auch gern die höheren Verzinsungen, etwa im Bereich der Bundesanleihen. Allein diese Kaufnachfrage führt dazu, dass der Renditeanstieg abgebremst wird.
Geldpolitischer Wendepunkt
Im Blick haben die Anleger die nächste Sitzung des geldpolitischen Rats der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB dürfte nach Ansicht von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors, die dieswöchige Sitzung dazu nutzen, das Ende ihrer Wertpapierkäufe für Juni zu bestätigen und eine Zinserhöhung für Juli anzukündigen – die erste monetäre Straffung seit elf Jahren. „Diese Entscheidungen kämen nicht überraschend und ihre Reihenfolge stünde im Einklang mit der von der EZB-Führung wiederholt kommunizierten Abfolge geldpolitischer Maßnahmen“, sagt Dixmier in einer Einschätzung der gegenwärtigen Lage. Die nächste Sitzung werde einen Wendepunkt in der EZB-Geldpolitik markieren.
Angesichts des stetigen Anstiegs der Inflationsrate in der Eurozone – im Mai lag die Gesamt-Teuerungsrate bei 8,1% und die Kerninflation bei 3,8% gegenüber Vorjahr – stehe die EZB unter Druck. „Sie muss eine angemessene Antwort finden, und sie sollte sich dabei von einem Gefühl der Dringlichkeit leiten lassen, das in ihren Handlungen und Reden bislang fast nicht vorhanden war“, führt Dixmier weiter aus. In 14 Ländern liege die Inflation nämlich sogar über 8,1%, darunter auch in Deutschland mit 8,7% (vs. Vorjahr).
EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte laut Dixmier einen „hawkishen“ Ton anschlagen und die Entschlossenheit der EZB bekräftigen, das Mandat zur Preisniveaustabilität zu erfüllen. Darüber hinaus dürfte sie sich auch zu einem weiteren Thema äußern, das die Aufmerksamkeit der Märkte auf sich gezogen hat, nämlich Zeitpunkt, Ausmaß und Tempo der Zinserhöhungen. „Die Veröffentlichung der Mai-Inflationszahlen hat im EZB-Rat eine Debatte zwischen den Befürwortern einer ersten Anhebung um 25 Basispunkte und denjenigen einer Anhebung um 50 Basispunkte entfacht. Die Märkte haben begonnen, die Möglichkeit einer Zinserhöhung um 50 Basispunkte bereits im Juli und gegen Jahresende 2022 einzupreisen, und sie rechnen dazwischen während jeder EZB-Sitzung mit einem Zinsschritt“, sagt der Fixed-Income-Experte von AGI.
Jan Viebig, Chief Investment Officer von Oddo BHF, erwartet von der Sitzung des EZB-Rates am Donnerstag wenig Überraschendes. „Die EZB spielt unverändert auf Zeit. Spätestens im April war erkennbar, dass die Inflationsrate angesichts des neuen Energiepreisschocks ‚durch die Decke‘ gehen würde. Dennoch hielt man an der geplanten, aber ökonomisch nicht zwingenden Abfolge fest, Zinserhöhungen erst nach dem Ende der Anleihekäufe vornehmen zu wollen“, sagt Viebig in einer Analyse. So verzögere sich der erste Zinsschritt bis in die zweite Julihälfte. Hinzu komme, dass die EZB auf eine Rückführung ihrer Anleihebestände vorerst verzichten wolle. „Darüber hinaus scheint sich die EZB auf ‚kleine‘ Zinsschritte von 0,25 Prozentpunkten beschränken zu wollen. Im Verhältnis zur Inflationsrate von zuletzt 8,1% im Mai wirkt das aus unserer Sicht wenig ambitioniert.“
Klarer Handlungsbedarf
Aus seiner Sicht nimmt die Gefahr zu, dass sich die Inflation verselbständigt. „Damit ist der Handlungsbedarf der EZB, deren Auftrag die Sicherung der Preisstabilität ist, klar gegeben. Allerdings hat die Straffung der Geldpolitik ihren Preis: Sie dämpft das Wachstum weiter, das schon durch die Kaufkraftverluste im Gefolge des Energiepreisschocks, die erhöhte Unsicherheit und eine schwächere Auslandsnachfrage belastet ist.“ Die Gefahr einer Rezession sei unbestreitbar, zumal das Grundtempo des Wachstums im Euroraum eher niedrig und die Schwelle zur Rezession daher nah sei. Hinzu komme, dass die Energieversorgung nicht gesichert sei. Vor allem das Winterhalbjahr 2022/23 könne in dieser Hinsicht zu einer Herausforderung werden.