Auslandskredite

Chinas Kredite setzen Schwellenländer unter Druck

China wird künftig bei der Auslandskreditvergabe sehr viel selektiver vorgehen und höhere Kriterien für den wirtschaftlichen und strategischen Nutzen ansetzen. Dies könnte zu einem Auseinanderdriften der Wertentwicklung zwischen schwächeren...

Chinas Kredite setzen Schwellenländer unter Druck

China wird künftig bei der Auslandskreditvergabe sehr viel selektiver vorgehen und höhere Kriterien für den wirtschaftlichen und strategischen Nutzen ansetzen. Dies könnte zu einem Auseinanderdriften der Wertentwicklung zwischen schwächeren Schwellenländern führen.

Chinas vergibt seit Jahrzehnten aktiv international Kredite. In den 1950er und 1960er Jahren waren die Empfänger andere kommunistische Staaten – was sich im Rückblick als frühes Anzeichen für den starken strategischen Aspekt hinter den späteren Auslandsfinanzierungen des Landes offenbart. 1978 markierte die „Politik der offenen Tür“ des Parteivorsitzenden Deng Xiaoping einen deutlichen Fortschritt in der internationalen Ausrichtung der chinesischen Wirtschaft. Diese Strategie zielte jedoch vor allem auf eine Förderung der Exporte und auf das Einwerben ausländischer Direktinvestitionen ab.

Chinas Direktinvestitionen in anderen Ländern stiegen zwischen 1980 und 2000 um fast das Zehnfache auf 3 Mrd. Dollar. Allerdings war es die Strategie der weltweiten Ausdehnung 1999, die eine erste bewusste Abkehr vom maoistischen Gedanken der Eigenständigkeit bedeutete. Das Zusammenspiel aus steigenden Exporten, Devisen- und Kapitalkontrollen hatte den Wechselkurs unter Druck gesetzt und führte zu Spannungen mit den Handelspartnern. Durch die internationale Ausrichtung wollte China ein nachhaltigeres Gleichgewicht im Inland schaffen.

Intransparentes System

Die Volksrepublik wollte im Ausland investieren, um neue Absatzmärkte zu erschließen, die Internationalisierung des Renminbi zu fördern, in der globalen Wertschöpfungskette nach oben zu klettern, ein regional ausgewogeneres Wachstum im Inland zu generieren und eine höhere Kapitalrendite zu erzielen als die niedrigen Zinsen auf US-Treasuries. Es ist kein Zufall, dass diese Expansionsphase im Ausland mit einem hohen, von der verarbeitenden Industrie getriebenen Leistungsbilanzüberschuss zusammenfiel.

Chinas Kreditvergabesystem nachzuverfolgen ist schwierig, denn dieser Prozess ist intransparent und eine systematische Berichterstattung der chinesischen Regierung gibt es nicht. Selbst die Nachverfolgung der Kreditvergabe auf der Schuldnerseite wird durch die Art der Kreditvergabe selbst verkompliziert. Nur selten werden Darlehen bilateral zwischen den Regierungen ausgehandelt, meistens werden die Verträge auf Gläubiger- wie auf Empfängerseite von staatseigenen Unternehmen geschlossen.

In einem Bericht aus dem Jahr 2019 beschreibt das Kieler Institut für Weltwirtschaft eine „zirkuläre“ Kreditstrategie, bei der eine chinesische Staatsbank Mittel direkt an ein heimisches Vertragsunternehmen ausschüttet, das ein Bauprojekt durchführt, so dass dem Schuldnerland die missbräuchliche Verwendung der Gelder erschwert wird. Da ein Großteil der chinesischen „Auslandskredite“ das heimische Finanzsystem eventuell niemals verlässt, ist offensichtlich, warum sie von Statistikämtern in Schuldnerländern nicht erfasst werden.

Die meisten chinesischen Kredite flossen zwar in Staaten mit ausreichend Spielraum in den Bilanzen, aber zu hohe oder besonders günstige chinesische Kredite haben in einigen wenigen Empfängerländern Probleme mit der Nachhaltigkeit der Staatsverschuldung verstärkt. Diese Dynamik ist für Inhaber von Staatsanleihen eine Herausforderung, für die – im Gegensatz zu anderen staatlichen Kreditgebern – kein transparenter Rahmen vorhanden ist, anhand dessen sie die chinesischen Reaktionen auf solche Schulden­tragfähigkeitsprobleme vorhersehen können. Bisher deutet alles darauf hin, dass China beim Umgang mit notleidenden Staatsschulden Einzelfallentscheidungen trifft.

Kredite in Afrika

Afrika bietet einige jüngere Beispiele, die unterstreichen, wie unterschiedlich China bei Umstrukturierungen vorgeht. Zwischen 2000 und 2018 erhielten staatliche Kreditnehmer aus Afrika und deren Staatsunternehmen geschätzte 148 Mrd. Dollar an chinesischen Krediten. Nach dem Einbruch der Rohstoffpreise erreichten die Umstrukturierungen chinesischer Kredite in Afrika 2015 einen Höhepunkt. In vielen Fällen profitierten notleidende Staaten vom milden Vorgehen Chinas und erhielten bei Liquiditätsproblemen zusätzliche Kredite und Stundungen.

Angola ist eines der jüngsten Beispiele für einen Staat, bei dem es die Reprofilierung chinesischer Schulden den Inhabern von Eurobonds effektiv ermöglichte, ein Szenario mit Beteiligung des Privatsektors zu vermeiden. Schulden wurden großzügig und umfangreich erlassen, allerdings wurden anderen Staaten wie beispielsweise Kamerun schon vor der Coronakrise ähnliche Zugeständnisse gemacht.

Doch aus strategischen Erwägungen wird die Volksrepublik wohl weiterhin durch Unternehmensinvestitionen, auf Entwicklung fokussierte Kredite und andere Kanäle wie etwa die Impfdiplomatie Einfluss nehmen.

Auseinanderdriften erwartet

Wenn sich die Umstände nicht ändern, dürften die größten Kredite auch weiterhin in die Länder mit direktem Zugriff auf verwertbare Vermögenswerte wie beispielsweise Öl und auch in diejenigen Staaten gehen, die bei der Förderung von Chinas strategischen oder Sicherheitsinteressen eine eindeutige Rolle spielen. Die Dynamik zwischen den USA und China könnte sich in den kommenden Jahren ebenfalls auf Chinas Motivation auswirken, Kapital im Ausland einzusetzen. Engagiert sich die Regierung Biden international stärker, könnte der Wettbewerb zwischen den zwei Ländern einen „Bieterwettkampf“ auslösen, von dem bestimmte Schwellenländer kurzfristig profitieren.

China dürfte künftig bei der Kreditvergabe ins Ausland sehr viel selektiver vorgehen und höhere Kriterien für den wirtschaftlichen und strategischen geopolitischen Nutzen ansetzen. Eine derartige Dynamik könnte zu einem Auseinanderdriften der Performance zwischen schwächeren Schwellenländern führen, wobei eine Hand voll rohstoffreicher und strategisch wichtiger Hochzinsländer weiterhin von einem „Chinese Put“ profitieren.