Dax im September-Blues
Es ist wieder September geworden. Und der September ist in den vergangenen Jahren oft ein fürchterlicher Monat für die westlichen Aktienmärkte insgesamt und besonders für den Dax gewesen. Denn gerade in diesem Monat kam es öfters zu heftigen Korrekturen. 2001 brachen die Kurse nach dem Terrorangriff am 11. September ein, 2008 nach der Lehman-Insolvenz am 15. September.
Die Risiken für Aktien sind auch in diesem Jahr sehr groß: Wir befinden uns seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in einer massiven Energiekrise, die sich noch verschärfen könnte. Stark steigende Energiepreise haben zu einem enormen Anstieg der Inflation geführt. Inzwischen treten bereits Zweitrundeneffekte auf, und Bundesbankpräsident Joachim Nagel schließt gar eine Teuerungsrate in Deutschland von 10% gegenüber Vorjahr im Herbst nicht aus. Vor dem Hintergrund des starken und wohl einige Zeit anhaltenden Inflationsdrucks sind die großen Notenbanken gezwungen, die Stabilität ihrer Währungen über Liquiditätsstraffungen und Zinserhöhungen zu verteidigen.
Einen EZB-Put gibt es nicht mehr, die Währungshüter haben gerade ihren Leitzins um 75 Basispunkte erhöht und müssen weiter deutlich straffen, um die Stabilität des Euro zu verteidigen. Und die Fed wird laut jüngsten Äußerungen weiter deutlich mit den Zinsen hochgehen.
Zu dem perfekten Sturm am Aktienmarkt trägt bei, dass die Explosion der Energiepreise das Rückgrat unserer Volkswirtschaft trifft. Immer mehr Firmen dürften insolvent gehen, weil sie die Erhöhung der Gas- oder Strompreise nicht schultern können; inwieweit hier staatliche Stützungsprogramme helfen können, ist fraglich. Der private Konsum bricht ein, weil die Menschen ihr Geld brauchen, um Gas, Strom, Holz und Benzin zu bezahlen. Eine Rezession erscheint unausweichlich. Und die Unternehmensgewinne, auch die der Dax-Firmen, werden einbrechen.
Angesichts dieser Gemengelage raten die Analysten und Kapitalmarktstrategen für die kommenden Wochen durchweg zur Vorsicht an den Aktienmärkten. Zumal in den nächsten Tagen und Wochen einige Ereignisse anstehen, die eher belasten dürften. Am Donnerstag, dem 15. September, wird die Bank of England ihren Leitzins weiter anheben, am 21. September folgt dann die Fed mit einer neuerlichen Straffung, die deutlich ausfallen dürfte. Am 25. September sind Parlamentswahlen in Italien, bei denen radikale Parteien gestärkt werden dürften. Und in Sachen Energiekrise und Firmenpleiten kann es täglich weitere Hiobsbotschaften geben.
„Warm anziehen!“
„Warm anziehen!“, lautet der Ratschlag von Martin Lück, Kapitalmarktstratege bei Blackrock, der vor den „noch völlig unabsehbaren Folgen, die sich aus dem Verschwinden des Zentralbank-Puts ergeben“ warnt. Lücks Ratschlag ist auf jeden Fall richtig, hilft er doch, im Herbst und Winter Energie zu sparen.
„Die kommenden Belastungen für die deutsche Wirtschaft und Börse werden wahrscheinlich unterschätzt“, sagt Investorenlegende Jens Ehrhardt. „Niedrige Bewertungen nützen nichts, wenn die Gewinne dramatisch fallen werden.“ Die Analysten von Sentix stellen fest, dass den Investoren gerade die Angst massiv in die Glieder fährt. Sie sehen starke Parallelen zu 2008, wobei dieses Mal die Energiekrise statt der Bankenkrise der Auslöser für einen Kurssturz sein könnte.
„Im Fall einer stärkeren und nicht nur milden Rezession in Deutschland könnte dem Dax im Worst Case ein temporärer Rückfall auf seinen Buchwert drohen“, meint Uwe Streich, Stratege der LBBW. Der Buchwert liegt bei knapp 10000 Punkten. Und auch in früheren Krisen fiel der Dax bis auf seinen Buchwert zurück. Doch Streich hat auch eine gute Botschaft, denn für mittelfristig orientierte Anleger sei das Bewertungsniveau des Dax bereits attraktiv.
Zunächst sind aber erst einmal Krise und September angesagt.