Die Kapitalmarktwelt wird nachhaltig
Von Kai Johannsen, Luxemburg
Im Jahr 2007 legte die Europäische Investitionsbank (EIB) den Grundstein für eine sehr erfolgreiche Entwicklung an den internationalen Kapitalmärkten. Die im Großherzogtum Luxemburg beheimatete Bank der Europäischen Union (EU) emittierte ihren ersten Green Bond, bekannt als Climate Awareness Bond (CAB). Was als Pflänzchen begann und über die skandinavischen Märkte im Laufe der Zeit immer stärker aufgebaut wurde, ist heute längst eine etablierte Anlagegattung an den internationalen Märkten. Keiner wird heute ernsthaft versuchen wollen, die Notwendigkeit und damit die Existenzberechtigung dieses Marktsegmentes im Bondbereich in Frage zu stellen. Die EIB ist der Pionier dieses internationalen Erfolgsproduktes, das mittlerweile sehr viele Emittenten gewonnen hat.
In den vergangenen Jahren hat sich das Thema Green immer weiter ausdifferenziert. Die Entwicklung ist sehr rasant verlaufen. Längst sind es nicht mehr nur grüne Anleihen, die emittiert werden. Soziale Anleihen sind gefolgt, nachhaltige Bonds ebenso. Seit vorigem Jahr gibt es offiziell auch das Segment der Sustainability-Linked Bonds, also der nachhaltigkeitsorientierten Anleihen, die in der Phase des Übergangs zu einer nachhaltigen Welt für Emittenten sehr wichtig geworden sind. Zur Definition: Die Erlöse aus grünen Anleihen kommen Klima- und Umweltschutzprojekten zugute. Bei Social Bonds werden die Gelder aus dem Bond sozialen Verwendungszwecken zugeführt. Und nachhaltige Anleihen werden begeben, um Projekte zu finanzieren, die nach Definition der International Capital Market Association (ICMA) sowohl grünen als auch sozialen Aspekten zugleich Rechnung tragen.
In der zweiten Jahreshälfte 2016 wurde in Luxemburg die erste grüne Börse ins Leben gerufen, die Luxembourg Green Exchange (LGX), die sich zu einem enormen Erfolg entwickelte. Emittenten aller Bereiche wie Staaten, staatsnahe Adressen, Banken, Versicherer und Unternehmen können an der LGX ihre grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen listen. In diesem Monat wurde der 1000. Bond dieser Gattung an der LGX aufgenommen, er kam wiederum vom Pionier EIB.
Der Markt hat zweifelsohne erhebliches Potenzial. Expertenschätzungen zufolge haben Anleihen grüner, sozialer oder nachhaltiger Ausrichtung einen Anteil am ausstehenden Volumen des gesamten Bondmarkts, der sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegt. Das zeigt, wo die Reise noch hingehen wird. Laut Bonddata sind derzeit Anleihen von umgerechnet rund 1,7 Bill. Dollar grün, sozial bzw. nachhaltig – in allen Emittentengruppen zusammengenommen (vgl. Grafik).
Im Laufe der Jahre wurde der Markt immer weiter fortentwickelt – maßgeblich durch die EIB in Kooperation mit der ICMA. Die Green Bond Principles sowie Social Bond Principles (GBP/SBP) sind ein internationaler Marktstandard. Hierbei handelt es sich um freiwillige Prozessleitlinien für Emittenten solcher Bonds. Für Anleger und Emittenten sind sie gleichermaßen eine wichtige gemeinsame Grundlage in diesem Markt. Geschaffen wurde auf EU-Ebene zudem eine Taxonomie für grüne und nachhaltige Finanzen. Auch sie ist ein Erfolg, schafft sie doch für alle Beteiligten die gemeinsame Sprache: Was ist grün und was ist eben nicht grün?
Bund ist mit von der Partie
Immer mehr Emittenten haben sich in den vergangenen Jahren dem Trend zu diesen Bonds angeschlossen. Im vorigen Jahr kam auch der Bund mit seiner ersten grünen Anleihe, die vom Markt sehnlichst erwartet wurde und auf eine rege Resonanz traf, wie an den hohen Überzeichnungen abzulesen war. Mittlerweile ist der Benchmarkemittent der Eurozone mit drei Laufzeiten (fünf, zehn und 30 Jahre) im Green-Bond-Markt vertreten. Ein neuer Name in diesem Markt ist auch die EU. Im Zuge der Covid-19-Krise emittierte die EU ihre ersten Social Bonds: Sure-Anleihen, mit denen die Kurzarbeiterprogramme in der EU finanziert werden. Nach den Anleihen gab es Rekordnachfrage im dreistelligen Milliardenbereich.
Schub durch die Krise
Gerade die Covid-19-Krise hat dem Markt einen enormen Schub verliehen. Denn Emittenten und Investoren ist durch die Krise vor Augen geführt worden, wie wichtig der Aspekt von Grün, Sozial und damit von Nachhaltigkeit geworden ist. Das Thema wird mittlerweile noch höher auf der Agenda gewichtet, als das vor dieser Krise ohnehin schon der Fall gewesen ist. Das wird nach Einschätzungen von Experten auch nicht einfach nach der Krise wieder abebben. Diese Aspekte werden auf der Agenda bleiben und damit auch weiterhin das Emissionsgeschehen an den Märkten bestimmen. Es vergeht in diesen Monaten der Krise auch fast kein Tag an den Anleiheprimärmärkten, an dem die Anleger nicht bei einem grünen, sozialen oder nachhaltigen bzw. nachhaltigkeitsgebundenen Bond zugreifen können. Viele Debütemissionen sind darunter. Der Markt setzt im Hinblick auf das platzierte Volumen bei Emissionen oder bei Orderbüchern laufend neue Meilensteine bzw. bricht Rekorde.
Aber es geht eben auch nicht nur um das Emissionsgeschehen. Grün, sozial oder nachhaltig ist ein Emittent nicht dann, wenn er eine entsprechende Anleihe begeben hat. Damit allein lässt sich bei Investoren schon lange nicht mehr punkten. „Practice what you preach“ lautet die Devise, um nachhaltig Anleger überzeugen zu können. Wer grün oder sozial emittiert, muss das als Institution auch vorleben, sonst kann man niemanden mehr im Markt überzeugen. Das Gleiche gilt für die Anbieter von entsprechenden Kapitalmarktprodukten. Und genau hier besteht eben auch die Gefahr, dass vieles nur einen grünen oder nachhaltigen Anstrich bekommt oder mit einer grünen Kommunikation versehen wird, ohne dass sich an den Produkten in ihrer entsprechenden Ausrichtung irgendetwas geändert hat. Die Beteiligten im Markt hoffen, dass dies nicht einmal zum Problem in Form eines Greenwashing-Skandals wird. Das hätte schwerwiegende Auswirkungen für die weitere Entwicklung dieses Marktsegmentes – ganz ohne Frage.
Der Markt wird verteilt
Derzeit befindet sich der Sustainability-Bond-Markt in der Übergangsphase hin zu der nachhaltigen (Kapitalmarkt-)Welt, in der die Sustainability-Linked Bonds eine wichtige Rolle spielen – etwa wenn es darum geht, dass ein Unternehmen die Energieversorgung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem definierten Prozentsatz auf erneuerbare Energien umstellen will und dafür bestimmte Performanceindikatoren zugrunde legt. Viele im Markt sind auch der Überzeugung, dass gerade dieser Transition Period und damit der Transition Finance eine erhebliche Bedeutung zukommt, wird doch schließlich nun der Grundstein für die künftige Kapitalmarktwelt gelegt. Viele Assetmanager buhlen nun um das Kapital der Investoren, viele neue grüne und nachhaltige Kapitalmarktprodukte kommen auf den Markt. Der Verteilungsprozess ist längst in vollem Gange.
Investoren zahlen Prämie
Eine weitere sehr positive Entwicklung lässt sich in diesem Markt ablesen. Emittenten von grünen und nichtgrünen Anleihen können sich über das positive Greenium freuen. Das Wort Greenium wird gebildet aus Green und Premium und bezeichnet die – grüne – Prämie, die Anleger dafür zu zahlen bereit sind, dass ihr Geld grün (oder sozial oder nachhaltig) angelegt wird. Beim Bund sind das immerhin wenige Basispunkte bei dem zehn- bzw. fünfjährigen grünen Bundeswertpapier (vgl. Grafik). Das bedeutet: Investoren sind bereit, eine geringere Rendite für ihr Investment in Kauf zu nehmen, wenn sie sich sicher sein können, dass der Emittent Bund ihr Geld grünen, sozialen oder nachhaltigen Verwendungszwecken zuführt. Am Anfang dieses Marktes war dies eine vielfach geäußerte Hoffnung, dass diese Renditeentwicklung – geringere Renditen für grüne Schuldtitel als für nichtgrüne Bonds – eintreten möge. Heute ist es Realität, die Investoren und Emittenten sind gleichermaßen erfreut. Das Phänomen ist über alle Emittentenklassen hinweg zu konstatieren.
Der Markt ist aber auch nicht ohne Probleme. Die Datenbereitstellung seitens der Emittenten und die Nachverfolgung derselben ist für Investoren nicht immer einfach. Wie werden die Gelder tatsächlich angelegt, und wie transparent wird genau dieser Investitionsprozess gestaltet? Für große Emittenten wie die EIB und für namhafte global tätige Assetmanager ist das alles überhaupt kein Thema. Sie haben das Kapital und die Kompetenz, genau dies ihren Anlegern demonstrieren zu können. Ob das in Zukunft jeder kann, wird sich noch herausstellen müssen. Ein Problem ist aber auch die Ausbildung von Mitarbeitern in diesen Bereichen. Das steht alles erst noch am Anfang. Genauso sieht es bei den Definitionen und Abgrenzungen aus. Die Taxonomie der EU ist da, aber in der Praxis wird sie eben auch erst seit Kurzem gelebt. Sie hat Potenzial und sie hat auch das Zeug, sich zu einer Blaupause auf internationalem Niveau zu entwickeln. Aber das ist eben auch erst noch Zukunftsmusik. Der letzte problematische Punkt sind die Vergleichbarkeit von Daten, Abgrenzungen und Definitionen sowie Ausbildungsstandards. Auch hier gibt es noch viel zu tun. Und damit bleibt die Gefahr des Greenwashing in den vielen unterschiedlichen Bereichen.
Aber Sustainability an den Finanzmärkten ist eben auch nicht mehr wegzudiskutieren. Es wird die maßgebliche Richtung an den Kapitalmärkten in den nächsten Jahren bleiben – nicht nur bei Anleihen, sondern auch bei Aktien und den von Assetmanagern angebotenen Kapitalanlageprodukten, von denen es mittlerweile sehr viele gibt. Vermutlich wird in zehn Jahren der Übergang zu nachhaltigen Finanzmärkten weitgehend gelungen sein. Viele Anbieter werden dann aus dem Markt längst verschwunden sein, neue Player werden hinzugekommen sein.
Wo geht die Reise hin?
Die Börsen-Zeitung widmet sich in einer Serie namens „Sustainability an den Finanzmärkten“ genau diesem Entwicklungsprozess, der in den kommenden Jahren stattfinden wird. Die führenden Vertreter aus den beteiligten Kapitalmarktbereichen stehen Rede und Antwort. Sie zeigen auf, wo die Reise in Sachen Sustainability an den Finanzmärkten hingehen wird. Diskutiert werden nicht tagesaktuelle Ereignisse, sondern die wesentlichen Strömungen, auf die sich die Kapitalmarktteilnehmer in den kommenden Jahren einstellen müssen und die ihr Wirken und ihr Geschäftsmodell in den kommenden Jahren erheblich beeinflussen werden. Zu Wort kommen Repräsentanten der EIB, ICMA, Zentralbanken, die grüne Börse, EU-Institutionen, Nachhaltigkeitsratingagenturen und Assetmanager.
Leitartikel Seite 6