Nachhaltigkeit

Die Sustainability-Challenge

In dem beschleunigten Prozess hin zu einer nachhaltigeren Finanzwelt sind noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Diese beginnen schon in der Ausbildung der Marktteilnehmer.

Die Sustainability-Challenge

Dass Green, Social und Sustainability Finance sowie Sustainability-Linked Bonds das Bild der Finanzmärkte in den nächsten Jahren stark prägen und verändern werden, wird wohl kaum noch ein Marktteilnehmer ernsthaft in Zweifel ziehen. Die Covid-19-Krise mit allen ihren Auswirkungen nicht nur auf die Finanzmärkte, sondern auch auf Arbeitswelt, Klima und insbesondere diverse soziale Aspekte hat die Themen Grün, Sozial und Nachhaltigkeit bei Marktteilnehmern aller Gruppierungen, Emittenten, Unternehmen, Banken und öffentlichen Institutionen noch sehr viel weiter oben auf der Agenda für die nächsten Jahre platziert. Es wäre ohnehin dazu gekommen, aber durch die Covid-19-Krise hat alles nochmals einen gewaltigen Schub erfahren. Und wenn heute jemand tatsächlich noch glauben sollte, dass die (Finanzmarkt-)Welt, das Arbeitsleben oder andere soziale Aspekte nach dem Überwinden der Krise wieder in den Vorkrisenstatus zurückkehren, hat er irgendetwas nicht verstanden oder sperrt sich nur dagegen. Plausible Argumente gibt es dafür so gut wie keine. Allein der Aspekt des verbesserten Klimas während der Lockdown-Phasen hat gezeigt, wie wichtig der Übergang zu einer nachhaltigen Welt ist. In dem nun beschleunigten Prozess hin zu einer grünen, sozialen und nachhaltigen Welt ist aber noch einiges an Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehören drei Themen.

Erstens: Ausbildung. Nachhaltigkeit ist eine Frage der Einstellung, der Bewusstseinsschärfung und auch der Ausbildung. Sie beginnt zu Hause, muss in der Schule und dann in der universitären Ausbildung fest verankert und fortgeführt werden. Aber auch Marktteilnehmer, die heute in der Finanzwelt tätig sind, müssen eine entsprechende Ausbildung erhalten. Dafür reichen eben nicht zwei, drei Projektmeetings und ein paar Präsentationsfolien. Und Umetikettierungen von Kapitalanlageprodukten verbunden mit einer grün angestrichenen Kommunikationspolitik haben nur das Zeug dazu, seriöse Anbieter gleich mit in Verruf zu bringen. Dass so etwas immer mal wieder auftauchen wird, muss allen bewusst sein, aber man kommt nur mit Ausbildung und damit mit bestimmten zu erlangenden Kenntnisniveaus dagegen an. Mit der Zeit wird das Problem sicher aus dem Markt verschwinden, noch ist es aber nicht so weit.

Zweitens: Einheitliche Reporting-Standards – für Unternehmen etwa. Die Zeiten, in denen Emittenten zwei, drei grüne oder nachhaltige Anleihen an den Markt brachten, sie auf eine schöne Webseite stellten oder in einem Hochglanzprospekt darstellten und sich in der Folge „Green“ tauften, gehören längst der Vergangenheit an. Das Thema muss vorgelebt werden nach der Devise „Practice what you preach“. Heute kann aber jedes Unternehmen, jeder Emittent eben noch weitgehend selbst entscheiden, was alles grün, sozial und nachhaltig ist und das entsprechende Reporting vornehmen. Anleger müssen sich die Daten weitgehend selbst in mühevoller Kleinarbeit zusammensuchen. Ein einheitliches Reporting, in dem es klare Definitionen und Standards für dieses Reporting gibt, sind der nächste große Wurf, der aber nicht bis nächste Woche gelingt.

Drittens: Die Phase des Übergangs hin zu einer wirklich grünen, sozialen und nachhaltigen (Finanzmarkt-) Welt. In dieser Phase befindet sich der Markt derzeit. Mit Sustainability-Linked Bonds können Unternehmen, aber auch andere Institutionen vieles in diesem Übergang finanzieren – etwa den zunehmenden Einsatz von recycelten Vorerzeugnissen im Produktionsprozess, der Übergang zu mehr Nutzung von erneuerbaren Energien und anderes mehr. Es sind aber noch gewaltige Kraftanstrengungen und damit verständlicherweise auch Kapitalmobilisierungen notwendig. Vieles, vermutlich sogar den Löwenanteil, wird man über den Anleihemarkt stemmen können. Aber das Beispiel der Sustainability-Linked Bonds, die ja erst eine sehr junge Bond-Generation sind, zeigt auch, dass neue Produktarten erforderlich sind und eben auch geschaffen werden. Wie sagt Michael Jantzi, Chef und Gründer der Nachhaltigkeitsratingagentur Sustainalytics, vollkommen richtig: Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung – somit prognostiziert er grüne Pendants zu praktisch allen konventionellen Produkten. Diese werden in den nächsten Jahren auch kommen. Und damit wird sich die Finanzmarktwelt in eine sehr erfolgreiche Phase des Übergangs bewegen, in der man sich sehr viel stärker als heute auch mit braunen Assets und der Erfordernis, grüner zu werden, auseinandersetzen muss. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sich nicht alles auf nachhaltig trimmen lässt. Gestrandete Vermögensgegenstände werden die Folge sein.