ESG-Pläne der Post beflügeln Kursfantasie
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Es gehört zu den Binsenweisheiten dieser Tage, dass Nachhaltigkeit für Unternehmen längst keine Randerscheinung mehr ist, sondern ein Kernthema. Kein Wunder also, dass die Frage, wie es ein Konzern mit Umweltschutz, sozialer Verantwortung und Governance hält, eine immer wichtigere Rolle im Aktienresearch bei der Bewertung seiner Aussichten an den Kapitalmärkten spielt – insbesondere wenn es sich um einen Logistiker handelt, für den Treibstoffpreise ebenso wie Schadstoffemissionen zentrale Größen sind.
Die Aktie der Deutschen Post zeigt, dass beim analytischen Blick auf unternehmerische Nachhaltigkeitspläne nicht zwangsläufig nur Risiken und Aufwände zum Vorschein kommen, sondern dass diese Perspektive auch Kursfantasien beflügeln kann. So kommt Barclays in einer umfangreichen Studie der Deutschen Post unter ESG-Aspekten zum Schluss, dass die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele durchaus positive Weiterungen für die Profitabilitätskennziffern haben können. Dass sich der in mehr als 200 Ländern tätige Konzern ambitionierte Nachhaltigkeitsziele setzt, die Boni der Vorstände an deren Einhaltung knüpft und zudem die Dekarbonisierung durch milliardenschwere Investitionen unterstützt, betrachtet Barclays „als positiv für den Investment Case, der das Wachstum unterstützt und mittelfristig die Rendite des eingesetzten Kapitals (Roce) verbessert“. Denn, so argumentieren die Analysten, die Unternehmenskunden der Post verlangten in zunehmendem Maße nach nachhaltigen Lieferkettenlösungen. Und im Oligopol der Anbieter im globalen Geschäft (Fedex, UPS, Deutsche Post DHL) haben die Deutschen gute Aussichten, zum weltweiten Vorreiter zu werden und damit auch Preissetzungsspielraum zu gewinnen.
Alternative Treibstoffe
Konkret nimmt sich die Post vor, die aktuell jährlich ausgestoßenen 41 Mill. Tonnen Treibhausgasemissionen bis 2030 auf 29 Mill. zu reduzieren. Bis 2050 will das Bonner Unternehmen das Nettonullemissionsziel erreichen. In acht Jahren möchte der Logistikriese so weit sein, dass 30% seiner Flugkraftstoffe ohne die Verwendung von fossilen Energieträgern hergestellt werden. Zu diesem Zweck wurden bereits Verträge mit Nestlé und der Luftfahrtabteilung von BP abgeschlossen – somit gilt es als realistisch, dass die Post ihren Vorsatz bis 2030 erreicht.
Zugleich bescheinigt Barclays der Post auch beim S und beim G von ESG einen vorzeigbaren Track Record und ambitionierte Pläne – messbar in Kennziffern etwa für Arbeitsschutz, dem Anteil weiblicher Führungskräfte oder der Zahlung von Boni für alle in der Pandemie. Verwiesen wird zudem auf die Initiativen des Konzerns mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen oder auch die Berichterstattung unter Berücksichtigung internationaler Standards für verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Post sei in den zurückliegenden Jahren bereits in externen Nachhaltigkeits-Scores aufgestiegen – vor allem dank der Zusagen in den Bereichen Compliance und Umwelt- beziehungsweise Klimaschutz. „Die ESG-Verbesserungen sollten auf mittlere Sicht zu höheren Einnahmen führen“, lautet ein Resümee der Barclays-Analysten, die deshalb nach wie vor empfehlen, die Aktie der Deutschen Post DHL überzugewichten.
Mit dieser Empfehlung stehen sie nicht allein. Unter 25 von Bloomberg befragten Häusern raten 22 dazu, die Aktie zu kaufen, drei empfehlen den Titel zum Halten. Eine Verkaufsempfehlung gibt es derzeit nicht. Der Aktienkurs liegt mit gut 35 Euro aktuell am unteren Rand der Spanne, in der er sich in den vergangenen zwölf Monaten bewegt hat, dieses Band verläuft zwischen 33 und 62 Euro.
KGV nahe 9
Mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das bezogen auf den erwarteten Überschuss 2023 nahe der Marke von 9 liegt, ist die Post-Aktie günstiger als die Anteilscheine der Wettbewerber. Auch die Dividendenrendite von zuletzt 5% ist attraktiv – und liegt höher als jene von Logistikern wie DSV Panalpina oder Kühne & Nagel. Vieles spricht dafür, dass die Post auch in den nächsten Jahren die Ausschüttungen hochhalten oder sogar anheben wird.
Die Aktie der Deutschen Post zählt zwar absehbar in den nächsten Jahren nicht zu den großen Wachstumstiteln. Das Ergebnis dürfte sich voraussichtlich eher auf dem aktuellen Niveau bewegen – und auch beim Umsatz sind keine großen Sprünge zu erwarten. Andererseits darf dabei nicht vergessen werden, dass die Post pandemiebedingt den Boom der Pakete vorgezogen und während Corona die Prognosen mehrfach hintereinander angehoben hat – und es sich somit um eine Stabilisierung auf einem spürbar höheren Niveau handelt.
Zudem hat die Post auch jüngst wieder unter Beweis gestellt, dass ihr Geschäftsmodell robust ist. Die Kennziffern für das erste Quartal lagen über den Erwartungen der Analysten – vor allem, weil die Frachtsparte (Global Forwarding, Freight) glänzte, denn die Kapazitäten für den Transport von Waren haben sich in Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg verknappt und verteuert. Unterm Strich stieg das Spartenergebnis im ersten Jahresviertel dreistellig.
Daneben läuft es auch im Geschäftsbereich Supply Chain rund. Die Hochkonjunktur im Paketgeschäft hat zwar an Dynamik verloren, aber die Normalisierung des Aufkommens verläuft nicht abrupt, sondern schrittweise.
Zudem ist die Post finanziell gut gepuffert. Die Übernahme des internationalen Getränkelogistikers Hillebrand konnte der Konzern stemmen, ohne dafür Fremdkapital aufzunehmen.
Nach eigener Überzeugung hat es die Post außerdem geschafft, sich aus der Abhängigkeit von der Konjunktur zu lösen. Finanzvorständin Melanie Kreis hatte bereits vor anderthalb Jahren festgestellt, dass ihr Haus dank des Booms im E-Commerce kein typischer Zykliker mehr sei.
Last, but not least hat das Unternehmen einer Hängepartie an der Spitze vorgebeugt. Wenn der seit mittlerweile 14 Jahren amtierende Vorstandschef Frank Appel nächstes Frühjahr seinen Posten aufgibt, wird ihm Tobias Meyer folgen. Dieser kümmert sich im Vorstand derzeit um Global Business Services. Damit steht ein recht reibungsloser Übergang zu erwarten.