Exchange Traded Products trotzen dem Krypto-Winter
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Zahlreiche Assetmanager trotzen dem Kryptowinter: Denn während die Kurse von Cyberdevisen im laufenden Jahr erheblich unter Druck stehen, wächst das Angebot an börsengehandelten Produkten auf digitale Assets rasant. Im Juni 2020 startete das erste zentral geclearte Exchange Traded Product (ETP) mit Bitcoin als Basiswert auf Xetra – inzwischen sind auf dem Handelssystem der Deutschen Börse mehr als 90 solcher Vehikel auf einzelne Kryptowährungen verfügbar. Assetmanager bilden dabei nicht nur die Kurse der führenden Cyberdevisen Bitcoin und Ether nach, sondern auch die kleinerer Digital Assets wie Polkadot, XRP oder Solana. Auch an anderen Börsen wie der Six Swiss Exchange sind zahlreiche solcher Produkte gelistet.
Einfachere Verwaltung
Der entscheidende Vorteil bei Kryptoinvestitionen über ETPs ist für Anleger, dass sie anders als bei Direktbeteiligungen kein Wallet eröffnen müssen. Denn die Verwaltung und der Schutz einer solchen digitalen Geldbörse erfordern technisches Verständnis. Wer seinen Private Key – eine Zahlenkombination, die aus 256 aneinandergereihten Nullen und Einsen besteht – verliert, kann nicht mehr auf sein Wallet zugreifen. Dies ist durchaus kein seltenes Phänomen: Laut der Datenfirma Chainanalysis sind ungefähr 20% aller bisher geschürften Bitcoin aufgrund verlorener Zugangsdaten unwiederbringlich aus der Zirkulation verschwunden.
Auch Andreas Wölfl, Gründer und Verwaltungsratspräsident des Produktemittenten iMaps ETI, hebt den geringeren Verwaltungsaufwand hervor. „ETPs können einem Depot sehr leicht und in kleinen Stückzahlen beigemischt werden“, sagt der Digital-Assets-Experte. Dies sei gerade deshalb vorteilhaft, weil Kryptoinvestments nicht den Hauptteil eines Portfolios ausmachen sollten, sondern ihre Berechtigung in der Beimischung zur Erzielung von Diversifikationseffekten hätten.
Allerdings bestehen zwischen den verschiedenen am Markt verfügbaren ETPs durchaus Unterschiede. Diese sollten Investoren, die zum Beispiel aufgrund der fortschreitenden institutionellen Adoption an einen neuen Kryptoaufschwung glauben, vor der Anlageentscheidung genau beachten. „Da die Assetklasse noch relativ jung ist, entsprechen einige der verwendeten Strukturen nicht den Standards, die Anleger aus breiteren und traditionellen ETF- und ETP-Märkten gewohnt sind“, betonen die Analysten des Anbieters ETC Group. Ein wesentlicher Unterschied liege darin, ob ein Kryptoprodukt die zugrundeliegenden Vermögenswerte verleihe. Wie in der Welt der Aktien-ETFs gehe es den Emittenten dabei darum, den größtmöglichen Wert aus den Assets under Management zu holen, indem sie mit den eingelagerten Kryptowährungen zusätzliche Renditen erzielten.
Hohes Kontrahentenrisiko
Diese Praxis sei allerdings mit einem erheblichen zusätzlichen Kontrahentenrisiko verbunden. „Wenn ein Kreditnehmer zahlungsunfähig wird und die Vermögenswerte nicht zurückgeben kann, reicht das Geld, das der Kreditgeber durch den Verkauf der Sicherheiten aufbringen kann, im Normalfall nicht aus, um die Differenz zu decken“, warnen die Analysten. Das Problem werde dadurch erschwert, dass die Produktanbieter ihre verwalteten Assets oftmals an Finanzinstitute verliehen, die den jeweiligen Kredit weiterreichten. „Der Kreditgeber hat also oft keine Ahnung, wer der Endkreditnehmer ist“, unterstreichen die Strategen der ETC Group. Gerade in Zeiten von hohem Marktstress stelle die Weiterverpfändung ein zusätzliches Risiko für Exchange Traded Products und ihre Nutzer dar.
„Aufgrund des komplexen Geflechts von Kreditgebern, Kreditnehmern und Hebelwirkungen an den Finanzmärkten kann die Zahlungsunfähigkeit eines einzigen Unternehmens zu einem Dominoeffekt an Ausfällen führen, wie wir es in jüngster Zeit öffentlichkeitswirksam in der Kryptobranche erlebt haben“, heißt es bei der ETC Group. Das Kontrahentenrisiko sei am Kryptomarkt auch deshalb ausgeprägter als bei Aktien, weil die Kreditvergabe häufiger unbesichert sei und es weniger Risikokontrollmaßnahmen gebe.
Die Analysten spielen auf den Zusammenbruch von Lending-Plattformen an, die Anleger mit hohen Renditeversprechen zum Verleih von Kryptowährungen bewegt hatten. So musste der Anbieter Celsius Network im Juli Insolvenz anmelden, nachdem er im Zuge der Turbulenzen nach dem Crash des Stablecoin Terra USD (UST) unter erheblichen Druck geraten war.
Der Kryptotoken hatte eigentlich Wertstabilität gewährleisten sollen, verlor die Bindung zum Dollar Anfang Mai aber vollständig und stürzte ins Bodenlose ab. Weil die Organisation hinter UST großvolumige Bitcoin-Reserven hielt und diese in dem Versuch, das eigene System zu stabilisieren, anzapfen musste, hatte der Zusammenbruch weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Kryptomarkt.
Umdenken bei Due Diligence
iMaps-ETI-Gründer Wölfl erwartet, dass die Entwicklungen der vergangenen Monate zu einem Umdenken in der Due Diligence der Anbieter führen werden. „Die Insolvenzen und Schieflagen werden den Trend, über regulierte Kryptobroker zu handeln, beschleunigen“, prognostiziert der Experte. „Auch werden sich vermehrt alternative Investmentfonds durchsetzen, welche von voll regulierten Managern verwaltet werden. Ich sehe hier eine große Chance für Deutschland und Europa, Global Player im regulierten Bereich heranwachsen zu lassen.“
Durch die hohe Inflation und die restriktiven Maßnahmen internationaler Notenbanken in Reaktion darauf bestehe für Kryptowährungen indes durchaus noch beträchtliches Rückschlagspotenzial. Zumindest die Europäische Zentralbank besitze dabei aber nur begrenzten Spielraum: Greife sie dauerhaft zu extrem kontraktiven Maßnahmen, werde dies eine Wirtschaftskrise auslösen, die auch in Assetklassen abseits digitaler Anlagen zu einer massiven Korrektur führen würde.
Der unsichere geldpolitische Ausblick bedingt allerdings eine hohe Volatilität am Kryptomarkt, die auch in den schwankenden Mittelflüssen bei Produkten auf Cyberdevisen reflektiert wird. Im laufenden Jahr wechseln sich Monate mit kräftigen Zuflüssen und solche mit hohen Abflüssen ab: Waren im Juli laut dem Informationsdienstleister Bloomberg netto noch 207 Mill. Dollar in Digital-Asset-ETPs geströmt, gab das Volumen der verwalteten Mittel im August per saldo um 89 Mill. Dollar nach. Der Großteil der Abflüsse entfiel auf Bitcoin-Vehikel – dagegen legten Basket-Produkte, die Körbe aus verschiedenen Kryptowährungen verfolgen, sogar an Volumen zu.
„Gerade bei ETPs sehe ich die bessere Investitionsmöglichkeit in Kryptokörben als in Einzelcoins“, sagt Wölfl. Allerdings müssten die Baskets dynamisch sein und damit den sich stetig verändernden Markt abbilden. Dann böten sie sowohl Diversifikationseffekte als auch den Vorteil, dass es zu einer Reallokation innerhalb des ETPs komme.
So sei mittel- bis langfristig davon auszugehen, dass Ether aufgrund des starken Potenzials der Blockchain für realwirtschaftliche Anwendungen zur Kryptowährung mit der höchsten Marktkapitalisierung aufsteigen und damit Bitcoin ablösen werde. Auch andere native Token, die ähnlichen Mehrwert böten, gewännen noch an Bedeutung. „Eine solche Rotation bekommen Anleger in einem Krypto-Basket-ETP gleich inklusive – also ganz ähnlich wie bei einem ETF“, führt Wölfl aus.
Unterdessen stehen Anlegern, die mit einem Bedeutungsverlust von Bitcoin rechnen, auch ETPs zur Verfügung, mit denen sie auf fallende Kurse setzen können. Ein solches Short-Vehikel des Anbieters 21 Shares weist im bisherigen Jahresverlauf eine Performance von mehr als 82% auf und stellt seine Long-Pendants damit klar in den Schatten.
Ausgewählte Kryptoprodukte im Vergleich | ||||||
Bezeichnung | ISIN | Listing-Datum auf Xetra | AuM (Mill. Euro) | Performance (%) | Verwaltungsgebühr (%) p.a. | |
YTD | seit Auflage | |||||
21 Shares Short Bitcoin ETP | CH0514065058 | 01.09.2020 | 15,30 | 82,4 | −82,2 | 2,50 |
BTCetc – ETC Group Physical Bitcoin | DE000A27Z304 | 18.06.2020 | 377,13 | −52,7 | 125,1 | 2,00 |
Coinshares Physical Ethereum | GB00BLD4ZM24 | 07.06.2021 | 114,16 | −55,0 | −35,0 | 1,25 |
Van Eck Solana ETN | DE000A3GSUD3 | 21.09.2021 | 18,99 | −79,8 | −74,0 | 1,50 |
Wisdom Tree Crypto Market | GB00BMTP1626 | 29.11.2021 | 2,50 | −58,6 | −65,7 | 1,45 |
Quelle: Emittenten, Börse Frankfurt, Morningstar, Stand: 29.8.2022Börsen-Zeitung |