Anleihen

Für Unternehmensbonds wird die Luft rauer

Angesichts der erheblichen Risiken überrascht die Stabilität der Euro-Kreditmärkte. Im aktuellen Umfeld ist das Risiko/Chancen-Verhältnis für Unternehmensanleihen des Euroraums wenig attraktiv.

Für Unternehmensbonds wird die Luft rauer

Von Michael Klawitter*)

Während der vergangenen vier Wochen hat sich der fundamentale Ausblick für Unternehmen in der Eurozone deutlich verschlechtert. Bislang schlug sich dies in tieferen Aktienkursen und weiteren CDS-Spreads, aber nur wenig in höheren Spreads bei Unternehmensanleihen nieder. Ausschlaggebend für die sich eintrübenden Perspektiven an den Kreditmärkten sind einerseits die sich verfestigenden Rezessionsvorzeichen in der Eurozone aufgrund der Vervielfachung der Preise für Strom und Gas. Zum anderen deuten die Äußerungen der Zentralbanker in Jackson Hole auf verstärkten geldpolitischen Gegenwind für die Kapitalmärkte insgesamt hin.

Rezession unvermeidbar

Auch wenn die von der EU-Kommission angekündigten Maßnahmen zur Begrenzung der Strom- und Gaspreise im gegenwärtig illiquiden Markt zu deutlichen Preisrückgängen führten, so handelt der Gaspreis für Lieferung im März 2023 weiterhin mehr als 50% über dem Niveau von Anfang Juli und auf dem Vierfachen des Stands am Jahresbeginn. Die Forward-Kontrakte deuten erst ab 2024 auf eine Entspannung der Situation hin. Ähnlich dramatisch ist die Situation am Strommarkt, wo ebenfalls das Vielfache der Preise von Anfang des Jahres bezahlt wird. Trotz der verschiedenen staatlichen Hilfsprogramme, die sich EU-weit inzwischen auf etwa 280 Mrd. Euro summieren und die versuchen, die Preissprünge bei Energie vor allem für die Konsumenten abzufedern, wird sich eine Rezession in Europa nicht vermeiden lassen. Die Kaufkraftverluste bei den privaten Haus-halten dürften zu groß sein. Zudem beinhalten die Hilfen bislang wenig Unterstützung für Unternehmen, und für Betriebe in energieintensiven Branchen stellt sich in Teilen der Eurozone inzwischen die Überlebensfrage. Die Unternehmen stehen auf dem Weltmarkt im internationalen Wettbewerb und können die hiesigen Preisanstiege bei Energie nicht auf die Verkaufspreise überwälzen. In einem Umfeld, in dem der Preis für Strom und Gas z. B. in den USA und Kanada weitaus niedriger ist als in Europa, dürften für viele europäische Produzenten die Verlagerung der Produktion oder Produktionsschließungen die einzigen Auswege sein. Diese Schritte, wie sie schon von Alumini­um- und Buntmetallhütten bzw. Düngemittelproduzenten angekündigt bzw. umgesetzt wurden, verschärfen allerdings die Angebotsverknappung bei Endprodukten und damit den nachgelagerten Preisdruck. Es ist nicht die Frage, ob Europa eine Rezession verzeichnen wird, sondern wie tief diese sein wird und wie lange sie andauert.

Geldpolitischer Gegenwind

Seit der Finanzkrise 2007/2008 griffen Zentralbanken häufig mit expansiven geldpolitischen Maßnahmen Unternehmenswerten in Stressphasen unter die Arme. Allein die EZB stellte zwischen März 2020 und Mitte 2022 die unvorstellbare Summe von 4100 Mrd. Euro an zusätzlicher Liquidität über Anleihekäufe und Langfristtender zur Verfügung und weitete ihre Bilanz um knapp 90% aus. Die Fed verdoppelte sogar ihre Bilanz im gleichen Zeitraum. Eine Fortführung dieser im Nachhinein umstrittenen Politik ist im aktuellen Hochinflationsumfeld auf absehbare Zeit keine Option bzw. das Gegenteil erfolgt. Mit Ausnahme der EZB haben wichtige Zentralbanken schon begonnen, ihre Bilanzen wieder zu schrumpfen, und den Märkten wird Liquidität entzogen, was in vielen Marktsegmenten zu niedrigeren Preisen und einem Anstieg der Volatilität führt. Die Aussagen beim geldpolitischen Symposium in Jackson Hole lassen zudem keine Zweifel daran, dass der Kampf gegen die Inflation oberste Priorität hat und Zentralbanken dabei negative Auswirkungen auf die Konjunktur billigend in Kauf nehmen. Unabhängig davon, ob die EZB am Donnerstag die Zinsen um 50 BP oder 75 BP anhebt, heißt dies für die Eurozone, dass ein Nachlassen der hawkishen Rhetorik auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist, auch wenn die Diskussion, dass es zu einem vorzeitigen Ende der Re­investitionen der Fälligkeiten des APP- und PEPP-Portfolios kommen wird, überzogen erscheint. Seitens der Geldpolitik dürfte sich damit in den kommenden Monaten der Gegenwind bei Unternehmensanleihen eher noch etwas verstärken.

Angesichts dieser Vorzeichen überrascht die Stabilität an den Euro-Kreditmärkten. Auch wenn sich die Spreadniveaus am Kassamarkt zuletzt wieder etwas ausgeweitet haben, handeln sie weiterhin unter den Niveaus von Anfang Juli. Vor allem die seit Anfang Juli feststellbare Outperformance von High-Yield-Anleihen gegenüber Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (IG-Rating) ist schwer nachvollziehbar. So engte sich der Spread zwischen diesen Ratingklassen im Durchschnitt während der letzten acht Wochen um 80 BP ein. Eine solche Spreadkompression ist normalerweise ein Zeichen für einen entspannten konjunkturellen, aber auch geldpolitischen Ausblick und damit das Gegenteil der aktuellen Situation.

Unauffällige Ratingtrends

Neben technischen Faktoren wie der nach den Sommermonaten weiter nur schwachen Neuemissions­tätigkeit bieten die immer noch unauffälligen Ratingtrends Unternehmensanleihen aus der Eurozone Unterstützung. So geht zum Beispiel Moody’s zwar von leicht steigenden Kreditausfällen in den kommenden zwölf Monaten aus, doch bleiben die Prognosen für Ausfälle bei High-Yield-Anleihen bis Juli 2023 im Basisszenario mit 3,3% weiterhin unter dem historischen Durchschnitt. Die Vereinnahmung von Carry mittels Unternehmensanleihen erscheint damit weiter attraktiv. Ein weiterer Erklärungsgrund für die bislang relative Ruhe bei Unternehmensanleihen könnte sein, dass Marktteilnehmer auf eine Wiederholung der breitgefächerten staatlichen Hilfen, wie es sie im Anschluss an die erste Coronawelle im Frühjahr 2020 gab, setzen. In diesem Fall würde die öffentliche Hand Emittenten von Unternehmensanleihen vor den konjunkturellen Risiken abschirmen und entsprechend würden Kreditausfälle auf niedrigen Niveaus verharren. Bevor jedoch die Diskussion um weitreichende staatliche Hilfen für die Wirtschaft anlaufen wird, muss sich zunächst die makroökonomische Situation deutlich verschlechtern, um so den Druck auf die Politik zu erhöhen.

In diesem Umfeld ist das Risiko/Chancen-Verhältnis für Unternehmensanleihen aus der Eurozone aktuell wenig attraktiv, wobei sich die Risiken abhängig von den Geschäftsmodellen der Unternehmen deutlich unterscheiden. Se­nior-Non-Preferred-Bankanleihen, die von einer tiefen Rezession in der Eurozone überproportional betroffen wären und die gewöhnlich ein im Vergleich zum Gesamtmarkt erhöhtes Beta aufweisen, sollten in der Gewichtung reduziert werden. In Portfolios mit Mindestquoten an Unternehmensanleihen sollte der Fokus auf hochgerateten Emittenten mit einem AA- bis A+-Rating liegen. Alternativ können Investoren auf den Kreditderivatemarkt ausweichen, da hier die Risikoprämien im Vergleich zu Unternehmensanleihen schon deutlich angesprungen sind.

*) Michael Klawitter ist im Floor Research der DekaBank tätig.