Guter Jahresauftakt für Schwellenländeranleihen
Von Janis Hübner*)
Nach einem historisch schwachen Jahr 2022 sind Schwellenländer-Hartwährungsanleihen mit Kursgewinnen in das neue Jahr gestartet. Wie schon 2022 war eine Kehrtwende in der geldpolitischen Kommunikation der US-Notenbank der Auslöser für die Marktbewegung – nur diesmal mit anderem Vorzeichen. Nachdem die Fed noch im Dezember die Inflationsrisiken betont hatte, lässt sie seit Jahresbeginn erkennen, dass das Tempo weiterer Zinsanhebungen gedrosselt werden dürfte. Von makroökonomischer Seite bekam dieser Ausblick Unterstützung durch den Rückgang der Lohnsteigerungen und die schwächeren realwirtschaftlichen Daten, insbesondere vom verarbeitenden Gewerbe. So ist sogar die Diskussion über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung bereits in vollem Gange.
Vor diesem Hintergrund sanken die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen seit Jahresbeginn um mehr als 30 Basispunkte. Der Renditerückgang stützt die US-Dollar-denominierten Schwellenländeranleihen, die der J.P. Morgan EMBIG Diversified Index abbildet, ganz direkt, da diese die Kursrichtung des US-Staatsanleihenmarktes in der Regel nachvollziehen. Der veränderte Ausblick für die US-Geldpolitik verbessert darüber hinaus den Bonitätsausblick für Emerging Markets, weil das Risiko sinkt, dass eine restriktive Gangart der amerikanischen Währungshüter zu einer tiefen globalen Rezession führt.
Schon vor der Änderung in der Tonlage der Fed hatte die Zuversicht für den globalen Konjunkturausblick zugenommen, nachdem immer mehr Zahlen belegten, dass die Weltwirtschaft den Belastungen aus hoher Inflation und restriktiver Geldpolitik bislang besser widerstanden hat als befürchtet. Hinzu kommt die Kehrtwende in der Coronapolitik in China, die die chinesische Wirtschaft schon im ersten Quartal beflügeln dürfte.
Die angesprochenen Faktoren Geldpolitik, Inflations- und Konjunkturentwicklung haben sich zuletzt allesamt in die richtige Richtung bewegt. Doch bleibt das Umfeld für die meisten Schwellenländer noch immer herausfordernd. So erwarten wir für die USA eine Rezession im gesamten ersten Halbjahr und für die Eurozone eine Schrumpfung der Wirtschaft im ersten Quartal. In beiden Regionen dürfte die Erholung im weiteren Jahresverlauf eher schwach ausfallen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den Schwellenländern: Vor allem in Lateinamerika sowie Mittel- und Osteuropa waren die Inflationsraten seit 2021 deutlich über die Zentralbankziele hinaus angestiegen, weshalb die Notenbanken die Geldpolitik in den restriktiven Bereich straffen mussten. In Asien blieben Preis- und Zinsentwicklung moderater, doch leidet diese Region unter der Schwäche des globalen Handels. In allen drei großen Schwellenländerregionen kam es daher bereits 2022 zu Schrumpfungsquartalen in einer ganzen Reihe von Ländern und diese Entwicklung dürfte sich im ersten Halbjahr dieses Jahres fortsetzen. Die Inflationsraten haben zwar fast überall ihren Höhepunkt überwunden, doch werden sie sich nur ganz allmählich in Richtung der Notenbankziele bewegen. Die Wende hin zu einer Lockerung der Geldpolitik dürfte in den Schwellenländern daher nicht schnell erfolgen können. Die Fed dürfte selbst 2024 kaum in der Lage sein, den Leitzins wieder auf ein neutrales Niveau von 2,50% zu reduzieren.
Auch die weitere Erholung der chinesischen Wirtschaft bleibt mit Fragezeichen versehen. Zwar dürfte der Einfluss des Infektionsgeschehens bereits während des laufenden Quartals deutlich nachlassen und sich der angeschlagene Immobilienmarkt stabilisieren. Im ersten Halbjahr dürfte China der Weltwirtschaft daher Impulse verleihen. Mittelfristig dürften trotz der angekündigten Hilfen die Zweifel an der Überlebensfähigkeit vieler Bauentwickler bestehen bleiben und die Kaufbereitschaft hemmen. Die Exportbranche hatte während der Pandemie von einer Sonderkonjunktur profitiert und dürfte daher 2023 kaum Zuwächse erzielen können. Mittelfristig lastet zudem die demografische Lage auf dem wirtschaftlichen Ausblick, die sich nach jüngsten Daten schneller verschlechtert als zuvor angenommen.
Zu dem bestenfalls verhaltenen Konjunkturausblick kommen politische Risiken hinzu. Im Krieg zwischen Russland und der Ukraine war in den vergangenen Wochen wenig Verschiebung an den Frontlinien zu beobachten. Doch Russland verstärkt seine militärischen Kräfte und die Ukraine wird Kampfpanzer aus Beständen der Nato-Länder erhalten. Im Falle einer erfolgreichen ukrainischen Offensive steigt das Risiko, dass Russland neue Eskalationsstrategien wählt, um eine Wende zu erreichen. In einem Eskalationsszenario könnte der Konflikt über die Ukraine hinaus ausgeweitet werden.
Im Verhältnis zwischen China und den USA gab es zuletzt Hinweise, dass gegenwärtig keine Seite an einer weiteren Zunahme der Spannungen interessiert ist. Doch in den kommenden Monaten dürfte der neue Sprecher des US-Repräsentantenhauses McCarthy Taiwan besuchen, was wie schon beim Besuch seiner Vorgängerin Pelosi wahrscheinlich zu einer scharfen Reaktion Chinas führen wird.
Der Finanzmarkt hat im vergangenen Jahr deutlich zwischen stark gefährdeten und weniger gefährdeten Schwellenländern unterschieden. So waren die Risikoprämien für High-Yield-Emittenten deutlich gestiegen, während sie sich bei Investment-Grade-Emittenten kaum verändert haben. So war die jüngste Einengung der Spreads auch fast ausschließlich auf eine leichte Entspannung bei den bonitätsschwachen Ländern zurückzuführen. Hier bleiben die Risiken jedoch erheblich. Es erscheint wahrscheinlich, dass es 2023 weitere Länder geben wird, die ihren Schuldendienst nicht mehr leisten können, wie dies auch 2022 der Fall gewesen ist. Doch der Markt wird von den Krisen einzelner Länder nicht mehr so stark bewegt wie in früheren Krisen, weil die Investoren besser in der Lage sind, zwischen guten und schlechten Emittenten zu unterscheiden. Die stark ausfallgefährdeten Länder haben zudem eine geringe Marktgewichtung. Schwergewichte wie China, Indonesien, Mexiko, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate zeichnen sich durch einen geringen externen Finanzierungsbedarf aus und sind daher wenig anfällig, sollte sich die Marktstimmung deutlich eintrüben.
Da sich das Umfeld für EM-Hartwährungsanleihen im Laufe des Jahres verbessern dürfte, wenn sich die Weltwirtschaft wieder etwas erholt und die Zinswende in den USA näher rückt, dürften die Risikoprämien Ende des Jahres nicht wesentlich höher liegen als heute. Die Abnahme des Inflationsdrucks in den USA spricht zudem für rückläufige Renditen am US-Rentenmarkt. Nimmt man die hohe laufende Rendite von rund 8% hinzu, bieten EM-Hartwährungsanleihen mittelfristig gute Ertragsperspektiven.
*) Janis Hübner arbeitet im Makro Research der DekaBank.