Infrastruktur und Immobilien bieten Chancen
Die Herausforderungen für institutionelle Investoren waren selten größer als heute. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Momentaufnahme. Vielmehr müssen sich Anleger auf längerfristige, strukturelle Veränderungen einstellen. Denn in der Weltwirtschaft ist eine jahrzehntelange Periode enormer Stabilität zu Ende gegangen. Die neue Ära der „Great Transformation“ mit höherer Volatilität und Inflation bietet aber auch interessante Anlagechancen.
Vollendet haben den Übergang von der seit Mitte der 80er Jahre anhaltenden „Great Moderation“ zur „Great Transformation“ die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Die Great Transformation bringt ausgeprägtere Wirtschaftszyklen mit mittelfristig mehr Wachstum, aber auch erhöhter Inflation, höheren Zinsen und mehr Volatilität.
Der Übergang in eine von einem verschärften Großmachtwettbewerb geprägte neue Weltordnung hat zu einer Verschiebung der Prioritäten geführt. Während zuvor möglichst effiziente Lieferketten angestrebt wurden, stehen nun nationale Interessen und möglichst resiliente Lieferketten im Vordergrund. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten steigen aufgrund der reduzierten internationalen Arbeitsteilung und höherer Rohstoffpreise. Gleichzeitig sorgen die Restrukturierung der Lieferketten und die nachhaltige Transformation der Unternehmen für massive Investitionen und einen Produktivitätsschub. Die USA haben mit ihren großen staatlichen Investitionsplänen in Billionenhöhe den Grundstein für einen langfristigen Investitionsboom gelegt. Allein das Volumen des „Inflation Reduction Act“ beläuft sich auf mehr als 400 Mrd. US-Dollar. Dieser über mehrere Jahre ausgerollte Investitionsboom sorgt für mehr Wachstum und höhere Realzinsen. In diesem Umfeld sind insbesondere Investments in Infrastruktur aussichtsreich.
Bei der Aktienanlage stehen die Gewinner der Great Transformation im Fokus, zu denen börsennotierte Infrastrukturunternehmen zählen. Insgesamt hat sich in der Aktienanlage die Attraktivität von Wachstumstiteln hin zu Substanztiteln verschoben, nachdem Letztere über viele Jahre schlechter performt hatten. Substanzstarke Value-Aktien haben im veränderten Marktumfeld einen Bewertungsvorteil gegenüber Growth-Titeln. Institutionelle Investoren sollten daher die Gewichtung von Growth- und Value-Aktien in ihren Portfolios neu justieren.
Renaissance des Bondmarkts
Gleichzeitig sind Aktien infolge der Zinswende nicht mehr alternativlos – statt TINA („There Is No Alternative“) gilt nun TARA („There Are Reasonable Alternatives“). Die Renaissance des Rentenmarktes schafft bereits bei kurzen Restlaufzeiten eine gute Ausgangslage für Anleger. Die Alternativen reichen von attraktiv verzinsten Unternehmensanleihen guter Bonität über inflationsgeschützte Anleihen bis hin zu verbrieften Unternehmenskrediten (Collateralized Loan Obligations). Trotz der veränderten Rahmenbedingungen sollten institutionelle Investoren in ihrem Portfolio nicht auf Alternative Investments verzichten. Gerade angesichts der in der Great Transformation tendenziell geringeren Diversifikationseffekte zwischen Aktien und Anleihen sind Alternative Investments als Stabilisator im Portfolio gefragt. Geht nämlich die Kapitalmarktvolatilität von der Rentenseite aus, so tragen Anleihen nur noch geringfügig zur Stabilisierung von gemischten Portfolios bei, wie eine Studie unseres Hauses belegt.
Stabilitätsanker
Immobilien bleiben ein unverzichtbarer Stabilitätsanker für institutionelle Anleger. Auch im herausfordernden Jahr 2022 konnten institutionelle Anleger mit einem gut strukturierten Immobilienportfolio eine robuste Verkehrswertentwicklung verzeichnen. Und perspektivisch sorgen Marktkorrekturen bei begrenztem Flächenzuwachs für interessante Einstiegspreise und bieten Chancen für eigenkapitalstarke Investoren, die trotz Zinswende über die nötigen Mittel verfügen.
Allerdings gilt es ähnlich wie bei Aktien auch bei Immobilien, die Gewichtung an die aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen. So sollten Core-Immobilien gegenüber Value Add übergewichtet werden. Denn Core-Immobilien mit guter Gebäudequalität und hohen ESG-Standards profitieren von einer gesteigerten Mieternachfrage bei begrenztem Angebot. Core-Immobilien können zudem durch inflationsgesicherte Mieten einen Inflationsschutz bieten. Und sie können mit zukunftsfähigen Gebäudestrukturen einen wichtigen Nachhaltigkeitsbeitrag in Hinblick auf die wichtigsten ESG-Kriterien der EU-Taxonomie liefern.
Auch Infrastrukturinvestments weisen eine niedrige Korrelation zu traditionellen Assetklassen auf. Zudem erstreckt sich die Investitionsphase über mehrere Jahre, wodurch eine größere Unabhängigkeit vom jeweiligen Marktzyklus gegeben ist. In Bezug auf die aktuellen Marktturbulenzen sollten sich Investoren bewusst sein, dass die Währungshüter und Aufseher Vertrauen in ihre Bankensysteme haben, wofür es gute Gründe gibt. Sie werden daher die hartnäckig hohe Inflation nicht aus den Augen verlieren und die Zinswende nicht beenden.
Im Infrastruktursektor stehen die Zeichen auf Wachstum, denn die Infrastruktur muss global ausgebaut werden, um zukünftige Herausforderungen zu bewältigen. Staatliche Investitionen reichen hier nicht aus, auch private Gelder müssen dafür in hohem Umfang mobilisiert werden. Gefragt sind sogenannte transformative Technologien, um mit nachhaltiger Infrastruktur die Zukunft zu gestalten.
Chance zur Diversifizierung
Ebenso wie Immobilien- ermöglichen Infrastrukturinvestments thematisch und regional sehr breite Anlagen unter Einbeziehung von ESG-Aspekten. Denn Investitionen in moderne und umweltfreundliche Infrastruktur und Gebäude stehen weltweit auf der politischen Agenda. Institutionelle Investoren haben jetzt die Chance, damit ihr Portfolio in Zeiten der Great Transformation weiter zu diversifizieren.