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Investoren müssen sich neuer Anlagewelt anpassen

In der aktuell ökonomisch angespannten Lage ist es entscheidend, fundamental die Unternehmen zu selektieren, welche gestärkt aus der Krise kommen sollten.

Investoren müssen sich neuer Anlagewelt anpassen

Die Bundesregierung hat zu Beginn des Ukraine-Krieges die politische Zeitenwende ausgerufen. Zeitgleich läuft eine ökonomische Zeitenwende, die zu strukturellen Verwerfungen führt. Fragile Wertschöpfungsketten, Arbeitnehmermangel, hohe Inflationsraten und Energiekosten, monetäre Straffungen sowie steigende Zinsniveaus sorgen für einen Wintersturm an den globalen Kapitalmärkten. In dieser ökonomisch angespannten Lage ist es entscheidend, fundamental die Unternehmen zu selektieren, welche gestärkt aus der Krise kommen sollten.

Hilfsprogramme nötig

Die Weltwirtschaft ist aus dem Tritt gekommen. Die Zentralbanken stehen unter Zugzwang, die hohe und grassierende Inflation einzudämmen, und heben die Leitzinsen rasant an. Darunter leidet nicht nur das globale Wirtschaftswachstum, sondern auch die Aktien- und Anleihemärkte erleben signifikante Korrekturen. Die negative Lage in Europa und insbesondere Deutschland wird durch die hohe Energie- und Rohstoffabhängigkeit von Russland nochmals verstärkt. Die enormen Preissteigerungen treffen die deutsche Industrie an ihrer Achillesferse. Infolgedessen wird der Staat mit weiteren Hilfsprogrammen die Wirtschaft stützen müssen.

Die volatile Phase hat defensive Sektoren und Energiekonzerne begünstigt. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn die defensiven Konzerne sind, im Vergleich zum breiten Markt, deutlich in ihrer Bewertung gestiegen. Außerdem ist es ungewiss, inwiefern das schwächelnde makroökonomische Umfeld sowie staatliche Eingriffe zu Verwerfungen bei Energiekonzernen führen können.

Aufgrund des globalen Abschwungs sind viele Rohstoffe weit vom Jahreshoch entfernt. Wir finden die zweite Reihe der Profiteure deutlich interessanter, beispielsweise Zykliker mit Preissetzungsmacht und klein- und mittelgroßkapitalisierte Nischenspezialisten. Diese Unternehmen handeln zu enormen Preisabschlägen, insbesondere in Europa.

Wir beobachten, dass die angelsächsischen Kapitalsammelstellen sich undifferenziert von europäischen Aktien zurückziehen. Dies eröffnet langfristigen Investoren attraktive Chancen wie zu Zeiten der Finanz- oder Eurokrise. Die Unternehmen können trotz eines inflationären Umfelds mittels Preissteigerungen ihre Umsätze und Gewinne steigern bzw. schützen. Dies ergibt sich aus unterschiedlichen qualitativen und quantitativen Faktoren, die zunächst die generelle Preismacht durch hohe Marktanteile und die Fähigkeit, diese mittels Preiserhöhungen durchzusetzen, umfassen. Zweitens sind die Inputkosten von Bedeutung, also Rohstoff- und Energiekosten sowie Automatisierungsgrad innerhalb der Verarbeitung. Drittens, wie dynamisch lassen sich die Kosten steuern, um die Margen zu schützen? Unterschätzt wird hierbei oftmals die etablierte Kostenkultur. Unternehmen, die eine kontinuierliche Verbesserung der Kosteneffizienz als Ziel definieren, kommen deutlich gestärkter aus einer Krise.

Strukturelle Änderungen

Der Krieg gegen die Ukraine wird auch zu strukturellen Änderungen führen. Die Inflationsraten werden höher liegen als in der vergangenen Dekade, welche durch eine niedrige Volatilität und eine globale Kostenoptimierung gekennzeichnet war. Unternehmen haben bereits aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Pandemie begonnen, ihre Wertschöpfungsketten mittels Verlagerung von betrieblichen Aktivitäten in naheliegende Regionen zu diversifizieren. Eine breitere Aufstellung auf Seiten der Zulieferer ist ein weiterer Aspekt, der die Inflation antreibt. Diese Veränderungen gehen meist mit höheren Produktionskosten einher, welche letztendlich vom Endverbraucher getragen werden müssen.

Eine neue Inflationskomponente stellt der Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern dar. Dieser erstreckt sich vom Lastwagenfahrer bis hin zum IT-Experten und führt zu stärkeren Lohnanstiegen als in der Vergangenheit. Übergeordnet sorgen geopolitische Spannungen für weitere Belastungen. Es erfolgt ein Systemwechsel von globalen, kosteneffizienten „Just-in-Time“-Wertschöpfungsketten zu „Just-in-Case“. Bei Letzterem ist die Verlässlichkeit und Resilienz der Wertschöpfungskette priorisiert. Zudem stellen die hohen Energiekosten ein strukturelles Problem für Europa beziehungsweise Deutschland dar.

Unternehmen, die global agieren und neue Absatzmärkte erschließen, sind deutlich besser gerüstet, um mit diesen Widrigkeiten umzugehen. Zudem sind eine Vielzahl von klein- und mittelgroßkapitalisierten Unternehmen inhaber- bzw. familiengeführt und weisen robuste Bilanzen auf. Diesen Vorteil konnten sie bereits während der Pandemie nutzen und weiter in Produkte und Dienstleistungen investieren, so dass sie gestärkt aus der Krise kamen.

Im Gegensatz zur Pandemie werden die Sanktionen gegenüber Russland langfristig bestehen bleiben. Dies wird Implikationen für Unternehmen sowie Gesellschaften haben, wie sie derzeit bei den Wertschöpfungsketten bereits zu beobachten sind. In diesem Umfeld bieten Dividendenwerte eine Kombination aus robusten und defensiven Geschäftsmodellen gepaart mit attraktiven Ausschüttungen. Unternehmen, die qualitativ nachhaltige Dividenden ausschütten, haben auch in anderen Krisenzeiten bewiesen, dass sie in volatilen Phasen an diesen Auszahlungen festhalten.

Sukzessiver Einstieg

Hierbei sind Krisenzeiten die besten Investitionszeiten! Der Kapitalmarkt antizipiert zukünftige Veränderungen, und die meisten Anleger verpassen diese Drehpunkte und partizipieren zu gering an der Erholungsphase. Diese Punkte zeitlich präzise zu bestimmen, ist extrem schwierig, daher raten wir Investoren, in diesen Phasen sukzessiv einzusteigen und die Chance zu nutzen, qualitativ hochwertige Unternehmen zu attraktiven Bewertungen zu erwerben.