Japans fragwürdige Intervention
Von Ulrich Leuchtmann*)
In der vergangenen Woche hat Japans Finanzministerium (MOF) am Devisenmarkt interveniert und die eigene Währung – den Yen – gekauft, um dessen Kursverfall entgegenzuwirken. Nun dürfte die Yen-Schwäche die Folge der Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ) sein. Alle anderen G10-Zentralbanken erhöhen seit einiger Zeit mehr oder weniger schnell ihre Leitzinsen. Die meisten verstärken sogar ihre Bemühungen. Im Gegensatz dazu hält die BoJ eisern an ihrer expansiven Geldpolitik fest. Damit vergrößert sich der aktuelle und zukünftig zu erwartende Zinsnachteil des Yen gegenüber anderen Währungen, was Japans Währung unter Druck bringt.
Die Haltung der BoJ ist verständlich. Klar, mit 3% liegt die Konsumentenpreis-Inflation mittlerweile über dem Ziel von 2%. Die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) notiert mit 1,6% aber weiterhin unter dem BoJ-Ziel. Und weil allgemein erwartet wird, dass der globale Inflationsschock in absehbarer Zeit ausläuft, dürften Japans Währungshüter befürchten, dass ohne die Flankierung durch eine lockere Geldpolitik die Inflation in Japan schon bald wieder in ungewollt niedrige Bereiche abrutscht.
Doch warum sind Japans Geldpolitiker in BoJ und MOF nicht bereit, diese Folge hinzunehmen? Müssten sie nicht sogar glücklich darüber sein? Schließlich wirkt die Yen-Schwäche (über die daraus resultierende Inflation der Preise importierter Güter) sogar zusätzlich inflationär und verstärkt die inflationäre Wirkung der Geldpolitik.
Höhere Importrechnung
Mit dem schwachen Yen erhöht sich die Importrechnung der japanischen Volkswirtschaft. Zwar werden im Umfeld weltweit steigender Preise auch Japans Exportgüter teurer, aber längst nicht in dem Umfang. Das Verhältnis von Exportpreisen zu Importpreisen (die Terms of Trade, ToT) sinkt zuungunsten Japans.
Allerdings können Interventionen daran mittelfristig kaum etwas ändern. Als Energie-Importeur leidet Japans Außenhandelsrechnung unter den global steigenden Energiepreisen. Und ein sich abkühlendes Wachstum in China und den USA (Japans wichtigsten Absatzmärkten) reduziert die ausländische Nachfrage nach Japans Exportgütern. Wenn aber gleichzeitig die heimische Geldpolitik verhindert, dass die Yen-Preise japanischer Güter sinken (also Deflation entsteht), gibt’s nur einen Weg, Japans Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern zu verbilligen: Der Yen muss abwerten. Aus fundamentaler Sicht ist der Versuch, den Yen zu stärken, zum Scheitern verurteilt.
An dieser Stelle mag man argumentieren, dass das Ziel der MOF-Interventionen gar nicht eine Umkehr der Yen-Abwertung ist, sondern dass es ihm nur um die Geschwindigkeit gehen könnte. „Leaning against the wind“ wird solch eine Interventionsstrategie genannt.
Schaden verhindert
Allerdings muss bezweifelt werden, dass „leaning against the wind“ tatsächlich die Abwertungsgeschwindigkeit abbremst. Würde das MOF immer mal wieder Dollars verkaufen und Yen kaufen, würde es zwangsläufig mittelfristig Verluste verzeichnen. An sich sollte das kein Problem sein. Mögliche MOF-Verluste wären gerechtfertigt, wenn sie größeren volkswirtschaftlichen Schaden verhindern könnten.
Das Problem ist nur: Der Devisenmarkt ist ein Nullsummenspiel. Wenn das MOF systematisch draufzahlt, kann das sehr leicht spekulative Marktteilnehmer anlocken, die sich dagegen positionieren. Falls viele spekulative Marktteilnehmer so in Yen-Short-Positionen gelockt werden, kann das den Abwertungsdruck auf den Yen erhöhen. Dann wertet er noch schneller oder weiter ab, als das ohne Interventionen der Fall wäre.
Das gilt insbesondere deshalb, weil diesmal die Interventionen „auf der schwachen Seite“ erfolgen. Das MOF verkauft Dollars. Nun ist aber sein Bestand der Dollar-Reserven begrenzt. Er betrug vor der Intervention von letzter Woche rund 1,3 Bill. Dollar. Das hört sich viel an, ist aber kaum mehr, als der Devisenmarkt (nach letzter veröffentlichter Aufstellung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) an einem einzigen Tag in Yen umsetzt.
Abrücken vom Kurs
Kraftvoll wären die Interventionen nur dann, sie mit den USA koordiniert würden. US-Finanzministerium und US-Notenbank Fed haben die Mittel, den Dollar zu schwächen. Doch dafür müsste die Fed von ihrer restriktiven Geldpolitik abrücken. Das wird sie nicht wollen. Fed-Chair Jay Powell hat gerade erst letzte Woche betont, am restriktiven Kurs festhalten zu wollen, weil in den USA die Inflation ein echtes Problem ist.
Im Februar 2013 hatten sich die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Staaten in London gegenseitig versprochen, auf Interventionen am Devisenmarkt zu verzichten. Damals drohte ein Abwertungswettlauf (aka „Währungskrieg“), der – so die Erfahrung aus den 1930er Jahren – von niemandem gewonnen werden kann.
Mit der Intervention von letzter Woche hat Japan den London-Konsens der G7-Staaten aufgekündigt. Schon ist die Rede von einem „umgekehrten Währungskrieg“, auch wenn im G7-Umfeld Japan derzeit das einzige Land ist, welches bislang interveniert hat. Abseits der G7 hat aber die Schweizerische Nationalbank schon deutlich mit Interventionen gedroht und haben die Tschechische Nationalbank und Zentralbanken aus Schwellenländern bereits interveniert.
Weniger gefährlich
Ein „umgekehrter Währungskrieg“ ist prinzipiell weniger gefährlich als der Währungskrieg, der 2013 drohte. Aufgrund der Endlichkeit der Devisenreserven können Ländern ihn nicht unbegrenzt führen. Dennoch, würde man in den USA den Dollar als künstlich stark empfinden, würde das dort erneut protektionistische Tendenzen schüren. Und irgendwann in der Zukunft droht vielleicht wieder ein „Währungskrieg“ in „normaler“ Richtung. Dann wäre es gut, wenn der London-Konsens noch intakt wäre.
Japan dürfte durch die Intervention dauerhaft nichts gewinnen. Ohne ausländische Unterstützung dürfte es dem japanischen Finanzministerium kaum gelingen, den Yen dauerhaft zu stärken. Wer aber auf internationale Politik-Koordination angewiesen ist, sollte keine Alleingänge unternehmen.
*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.