Londoner IPO-Geschäft

London setzt zum Comeback an

London hat im ersten Quartal im weltweiten IPO-Geschäft keine große Rolle gespielt. Nun wagt sich Raspberry Pi aufs Parkett.

London setzt zum Comeback an

London setzt zum Comeback an

Im ersten Quartal gab es nur wenig Börsengänge an der LSE, doch das IPO von Raspberry Pi macht Hoffnung auf mehr

hip London
Von Andreas Hippin, London

Die in Amsterdam und Frankfurt beobachtete Erholung des IPO-­Geschäfts ging an London bislang vorbei. Doch nun hat sich der Computerhersteller Raspberry Pi angekündigt, die Natwest-Platzierung naht und auch der Einweg-Modehändler Shein könnte nun an die Themse streben.

Die London Stock Exchange hat im Auftaktquartal keine große Rolle gespielt. Der „Evening Standard“ sorgte mit einer Geschichte für Aufsehen, der zufolge die britische Metropole nicht einmal mehr zu den Top 20 der beliebtesten Orte für ein Initial Public Offering (IPO) gehören soll. Selbst Athen, Istanbul und Oslo seien an London vorbeigezogen, meldete die Gratiszeitung unter Berufung auf Daten von Mergermarket. Die LSE habe auf Augenhöhe mit der kasachischen Börse gelegen.

IPO-Aktivität nimmt zu

Bei solchen Rankings kommt es allerdings immer auf die Zählweise und die Einordnung an. Das Blatt sah sich lediglich den Main Market an. Aus Sicht der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die das Wachstumssegment AIM (zuvor Alternative Investment Market) mit berücksichtigt, hat die IPO-Aktivität zugenommen, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau als sonst üblich. Immerhin drei Unternehmen wagten den Sprung aufs Parkett und sammelten dabei 283 Mill. Pfund ein.

Im Schlussquartal 2023 hatte es überhaupt keine Börsengänge gegeben – weder am Main Market noch am AIM. Im Auftaktquartal 2023 gab es zwar fünf IPOs. Allerdings wurden dabei insgesamt lediglich 81 Mill. Pfund eingesammelt.

Air Astana größter Börsengang

Während Amsterdam die Private-Equity-Gesellschaft CVC begrüßen durfte und Frankfurt die Parfümeriekette Douglas empfing, war in London Air Astana der größte Börsenneuling. Die kasachische Fluggesellschaft ging zeitgleich in ihrem Heimatland an den Markt. Ansonsten zapften nur noch der Salzproduzent Microsalt aus dem Portfolio des Finanzinvestors Tekcapital und das Investmentvehikel Fuel Ventures VCT die Anleger an.

Für die Zurückhaltung der Firmen gibt es viele Gründe. Dazu gehört, dass es nach wie vor möglich ist, auch ohne IPO an den Private Markets erhebliche Mittel bei Investoren einzusammeln. Das erspart einem nicht nur die regulatorische Berichterstattung, sondern auch kritische Blicke von Analysten. Im laufenden Jahr finden in den Vereinigten Staaten und aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Vereinigten Königreich Wahlen statt, was für erhöhte politische Ungewissheit sorgt.

Weiterhin gehören die unberechenbar gewordene Geldpolitik der Bank of England, die mehrere Quartale lang stagnierende Wirtschaft und die steigende Steuerlast für Unternehmen und Verbraucher zu den Beweggründen für die abwartende Haltung der Emittenten. Doch hat das Wachstum im ersten Quartal die Erwartungen übertroffen. Das Land hat damit die technische Rezession hinter sich gelassen, die das zweite Halbjahr 2023 prägte. Zudem deutet sich eine Leitzinssenkung an.

Hoffnungsträger Raspberry Pi

Raspberry Pi reichte am Mittwoch die Unterlagen für ihren Börsengang an der London Stock Exchange ein. Der Einplatinencomputer-Hersteller stammt aus dem IT-Ökosystem der Universität Cambridge, das auch den Chipdesigner Arm hervorgebracht hat. Arm und Sony gehören zu den Altaktionären des seit Jahren rentabel wachsenden Unternehmens, das sich mehrheitlich im Besitz der gemeinnützigen Raspberry Pi Foundation befindet.

In der City ist von einer Bewertung von 500 Mill. Pfund die Rede, was in etwa dem beim Einstieg von Arm im vergangenen Jahr angesetzten Unternehmenswert entsprechen würde. Die Stiftung bleibt an Bord, will sich aber von Stücken trennen. Im Züge des IPO sollen aber auch neue Aktien ausgegeben werden. Als Konsortialbanken fungieren Jefferies und Peel Hunt.

„Ende der IPO-Dürre“

„Ein Ende der IPO-Dürre, die am Finanzplatz London Zweifel und Enttäuschung verbreitete, ist nun in Sicht“, sagte Susannah Streeter, Head of Money & Markets bei Hargreaves Lansdown. Die Ankündigung von Raspberry Pi sorge für positive Stimmung, sei ein wesentlicher Fortschritt und zeige, dass die Anstrengungen des Börsenbetreibers, mehr Unternehmen von einem Listing zu überzeugen, Früchte tragen.

Die im Juni erwartete Platzierung einer großen Tranche der Staatsbeteiligung an Natwest bei Kleinanlegern dürfte für einen weiteren Schub sorgen. Das Schatzamt, das immer noch auf annähernd 30% an dem einst unter dem Namen Royal Bank of Scotland bekannten Institut hält, will zeitgleich Stücke bei institutionellen Investoren platzieren. Bei entsprechend großer Nachfrage könnte die Beteiligung auf 10% oder noch weniger schrumpfen.

Alternative zur Wall Street

Auch sonst füllt sich die Pipeline. Der chinesische Einweg-Modehändler Shein dürfte sich Richtung London orientieren, wenn ihm die US-Behörden ein Börsendebüt an der Wall Street versagen. Zudem wird über ein IPO der Drogeriemarktkette Boots spekuliert. Walgreens Boots Alliance will sich schon seit langem vom britischen Geschäft trennen.

London Tunnels strebt eine Notierung am Main Market an. Dem Unternehmen gehören Tunnel, die von der britischen Regierung einst für die Landesverteidigung unter High Holborn gegraben wurden. Sie sollen zu einer Touristenattraktion umgebaut werden.

Ewiger Börsenkandidat Brewdog

Und dann ist da noch der ewige Börsenkandidat Brewdog. Das rasant wachsende Unternehmen ist mit obskuren Bierspezialitäten bekannt geworden. Sein bekanntestes Produkt ist das „Punk IPA“, das beweist, dass sich auch bittere Biere gut verkaufen. Vor sieben Jahren stieg der Finanzinvestor TSG Consumer Partners mit 22% ein. Langsam dürfte er auf einen Exit drängen.

Zuletzt zog sich der Gründer James Watt aus dem Tagesgeschäft zurück und überließ James Arrow den Chefsessel. Der bisherige COO hatte zuvor Boots Opticians geführt. Chairman Allan Leighton ist ein City-Veteran, der auch für The Co-operative Group und die Restaurantkette Pizza Express tätig ist. Ein IPO einzutüten dürfte kein Problem für ihn sein. Von einer möglichen Bewertung von 1,8 Mrd. Pfund ist die Rede.

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