„Krypto kommt zunehmend im Mainstream an“
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Der auf strukturierte Anlageprodukte spezialisierte Schweizer Finanzdienstleister Leonteq ist seit August mit Tracker-Zertifikaten auf Kryptowährungen am deutschen Markt aktiv. Zunächst listete das Zürcher Haus 36 Produkte auf 18 Kryptoassets über die Börse Frankfurt Zertifikate AG, mittlerweile ist das Angebot aber bereits auf 22 handelbare Kryptoassets gewachsen. Neben den führenden Kryptowährungen Bitcoin und Ether bilden die Leonteq-Zertifikate auch kleinere Cyberdevisen wie Cosmos, Litecoin oder Polkadot ab.
Wachsende Nachfrage
„Wir emittieren in der Schweiz bereits seit 2017 Kryptoprodukte und haben auch aus Deutschland in den vergangenen 18 Monaten eine wachsende Nachfrage registriert“, sagt Björn Geidel, Head of Sales Deutschland und Österreich bei Leonteq. Dass viele deutsche Investoren an einer Allokation von Kryptowährungen im Portfolio interessiert seien, liege auch am Diversifikationspotenzial. Denn historisch gesehen seien die Kurse der Cyberdevisen schwach mit der Entwicklung in anderen Assetklassen korreliert.
Polarisierte Debatte
Zudem hätten Assetmanager fast gar keine andere Wahl mehr, als sich mit dem Kryptomarkt zu beschäftigen, da auch die mediale Berichterstattung in Bezug auf Cyberdevisen erheblich zugenommen habe und sich dadurch eine stark polarisiert geführte öffentliche Debatte ergebe. „Es gibt am Markt äußerst bullish eingestellte Kryptobefürworter, aber eben auch genauso überzeugte Gegensprecher. Egal ist das Thema eigentlich niemandem“, betont Geidel. Für Vermögensverwalter sei ein Direkt-Engagement bei Bitcoin & Co. aber nicht ohne weiteres möglich, strukturierte Anlageprodukte stellten für sie daher eine bequeme Möglichkeit dar, um dem Kundeninteresse an Cyberdevisen zu begegnen.
Die Tracker-Zertifikate von Leonteq decken ungefähr 85% der Kapitalisierung des Kryptomarkts ab. Laut Geidel ergeben sich dabei zwischen den einzelnen Produkten deutliche Performance-Unterschiede, so dass eine breite Aufstellung in mehreren Kryptoassets dabei helfen könne, die Volatilität zu reduzieren. „In den ersten acht Wochen hat das Produkt mit der besten Entwicklung um gut 150% zugelegt, jenes mit der schlechtesten jedoch um ungefähr 20% nachgegeben“, sagt der Vertriebsstratege.
Denn bei den Investoren seien die unterschiedlichen Funktionen der verschiedenen Kryptowährungen stärker ins Blickfeld gerückt. Bitcoin funktioniere bisher vor allem als Wertaufbewahrungsmittel, während Ethereum die Grundlage für viele realwirtschaftliche Anwendungen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie bilde und Polkadot oder Cosmos Lösungen darstellten, um verschiedene Blockchains miteinander zu verbinden und Assets zwischen ihnen austauschbar zu machen. „In der Branche besteht noch viel Entwicklungspotenzial, zumal auch neue Coins hinzukommen werden. Deshalb dürfte die Preisentwicklung innerhalb der Kryptowelt künftig stärker auseinanderlaufen“, sagt Tino Wendisch, Leiter Crypto Offering bei Leonteq.
Schweiz im Vorteil
Laut dem Schweizer Finanzdienstleister haben indes alle in Deutschland gestarteten Produkte trotz der Performance-Unterschiede solide Mittelzuflüsse erzielt. Regulatorische Fortschritte sprechen nach Wendischs Ansicht dafür, dass das Investoreninteresse an Kryptowährungen künftig noch zunehmen wird. „In der Schweiz gibt es derzeit mehr derivative Anlagemöglichkeiten als in der Europäischen Union, weil der eidgenössische Markt aufgrund der bestehenden Regulierung für Produktanbieter einfacher zu handhaben ist“, sagt der Kryptoexperte.
So bietet Leonteq in der Schweiz bereits drei Kategorien von Zertifikaten auf Körbe aus verschiedenen Kryptowährungen an. Bei der statischen Form legt der Investor vorher eine Gewichtung der Cyberdevisen innerhalb des Baskets fest, bei der aktiv gemanagten Variante wird ein Portfolio diskretionär zusammengestellt und dann als Zertifikat verbrieft. Als dritte Variante kommen noch Renditeoptimierungsprodukte hinzu, die Seitwärtsinvestments abbilden. In Deutschland bietet Leonteq diese Basket-Lösungen bisher nicht an. Mittlerweile seien allerdings auch in Europa mehr Regulierungsfortschritte beobachtbar. „Nächstes Jahr sollte voraussichtlich die Richtlinie Markets in Crypto Assets (MiCA) in Kraft treten, die unter anderem Offenlegungspflichten für die Ausgabe von Kryptowerten regelt“, sagt Wendisch. Klarere Rahmenbedingungen sollten die Akzeptanz des Kryptomarkts im Mainstream erhöhen und es für Zertifikateanbieter einfacher machen, entsprechende Produkte zu strukturieren.
Indes bieten sich für Anleger bereits mehrere unterschiedliche Möglichkeiten, auf derivativem Weg in Kryptowährungen zu investieren. Neben dem Angebot an Zertifikaten wächst auch jenes an Exchange Traded Products, also börsengehandelten Inhaberschuldverschreibungen, auf Cyberdevisen stark. „Es gibt große Unterschiede zwischen den verschiedenen Investmentprodukten, Anleger müssen sich also zunächst über ihre Ansprüche klar werden und dann eine grundsätzliche Entscheidung für Zertifikate oder eben ETPs treffen“, sagt Wendisch. Exchange Traded Products seien typischerweise etwas restriktiver in der Produktgestaltung, während sich Zertifikate flexibler ausgestalten ließen.
Genau deshalb könne Leonteq in der Schweiz aktiv gemanagte Zertifikate, von denen sich der Produktanbieter in den kommenden Monaten großen Investorenzulauf verspricht, aufsetzen oder selbst für relativ geringe Assets under Management auf Basis der hauseigenen flexiblen Emissionsplattform individuelle Basket-Lösungen anbieten.
Auch ein Start von Themenzertifikaten, zum Beispiel auf Kryptowährungen, die besonders vom Decentralised-Finance-Trend profitieren, ist laut Wendisch vorstellbar. Der Grundgedanke hinter DeFi besteht darin, auf zentrale Intermediäre wie Börsenmakler und Banken zu verzichten. Stattdessen soll eine offene, transparente und nutzergeführte Finanzinfrastruktur entstehen. Bisher bildet Ethereum die wichtigste Grundlage für den DeFi-Trend, doch auch andere Plattformen wie Polkadot oder Cardano orientieren sich in diese Richtung. Investoren setzen darauf, dass die zugehörigen Kryptowährungen durch einen stärkeren Einsatz ihrer Blockchains in der Finanzwirtschaft Auftrieb erhalten.
Kapitalstruktur wichtig
Wichtig sei es im Bereich derivativer Finanzinstrumente immer, auf die Kapitalstruktur des Emittenten zu achten – einige ETP-Provider seien beispielsweise Zweckgesellschaften mit geringem Eigenkapital. Leonteq, die sich von anderen Zertifikateanbietern durch die Breite ihres Produktangebots abheben will, verfüge indes über ein Eigenkapital von knapp 800 Mill. sfr. ETP-Anbieter werben häufig damit, dass ihre Produkte auch sogenannte Fork Returns für Investoren zugänglich machen. Diese Erträge entstehen, wenn sich eine Blockchain aufspaltet und eine neue Kryptowährung entsteht. So zum Beispiel bei der Hard Fork der Bitcoin-Blockchain im Jahr 2017, aus der Bitcoin Cash hervorging. Investoren erhielten damals für jede Einheit Bitcoin in ihrem Wallet eine zusätzliche Einheit Bitcoin Cash.
Fork Returns möglich
„Grundsätzlich ist es auch für uns möglich, Fork Returns abzubilden, unsere Produktdokumentation enthält einen entsprechenden Passus. Allerdings sind wir wie jeder Anbieter davon abhängig, wo der Basiswert gehandelt wird“, sagt Wendisch.
Die Kryptowährung Bitcoin Gold sei nach dem entsprechenden Fork der Bitcoin-Blockchain im Oktober 2017 zunächst nur an einigen chinesischen Krypto-Exchanges – die Peking später vom Festland verbannte – gehandelt worden. Für europäische und sonstige regulierte Anbieter sei es schwierig gewesen, darauf aufzusetzen. Sobald aber eine Anbindung über europäische Börsen vorhanden sei, an denen der Emittent handelt, könnten auch Zertifikateanbieter Fork Returns abbilden – bevorzugt über eine Anpassung des bestehenden Produktes oder eine außerordentliche Auszahlung.
Interesse an Produkten
Investoren interessierten sich jedenfalls zunehmend für strukturierte Produkte und die zugrundeliegenden Cyberdevisen. „Jahrelang war Krypto eine Randerscheinung, nun kommt das Thema zunehmend im Mainstream an“, sagt Geidel. Dass die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen inzwischen auf nahezu 2,5 Bill. Dollar gestiegen sei und damit etwa ein Fünftel der Marktkapitalisierung von Gold erreicht habe, sei diesbezüglich ein starkes Signal.