Börsen in Aufruhr

Märkte verlieren Vertrauen in sämtliche US-Assets

Mit zeitweise sehr hohen Verlusten bei US-Aktien und bei US-Treasuries haben die Märkte auf die Verschärfung des Handelsstreits reagiert. Auch der Dollar geht in die Knie: Amerikanische Assets verlieren zunehmend an Vertrauen.

Märkte verlieren Vertrauen in sämtliche US-Assets

Die Märkte verlieren das Vertrauen in US-Assets

Aktienmärkte brechen erneut ein, während die Renditen von amerikanischen Anleihen steigen − Deutsche Bank warnt vor Krise des Dollar

kjo/ku/wrü Frankfurt

Mit hohen Verlusten sowohl bei US-Aktien als auch bei US-Treasuries haben die Märkte auf die Verschärfung des Handelsstreits reagiert. Auch der Dollar geht in die Knie und amerikanische Assets verlieren zunehmend an Vertrauen. Auch der japanische und der deutsche Aktienmarkt sind erneut eingebrochen.

An den Kapitalmärkten hat die Verschärfung des Handelsstreits zu einem neuerlichen heftigen Kursrutsch gesorgt. So haben die US-Aktienmärkte am Dienstag massiv gedreht, nachdem US-Präsident Donald Trump die Erhöhung der Zölle auf Einuhren aus China auf 104% verkündet hat. Dabei gingen insbesondere die Technologiewerte und die Apple-Aktie in die Knie. Durch den Kursturz wurde Apple auch als wertvollstes Unternehmen der Welt wieder von Microsoft abgelöst. Die Überraschung an der Wall Street war, dass bei fallenden Aktienmärkten die Renditen für US-Staatsanleihen deutlich anzogen. Zugleich hat sich auch der Dollar weiter abgeschwächt, und der Ölpreis ist weiter eingebrochen.

Im späten US-Handel drehte sich das Bild allerdings erneut. Nachdem US-Präsident Donald Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social angekündigt hatte, dass die reziproken Zölle und die Zölle von 10% für 90 Tage ausgesetzt werden, der Zoll für chinesische Waren allerdings weiter auf 125% erhöht werde, zogen die Notierungen auf breiter Basis an. Der Dow Jones Industrial Index notierte mehr als 6% im Plus, der Nasdaq Composite kletterte um mehr als 9%.

Nach Ansicht von Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management, ist die Situation bedrohlich. Der „Patient“ US-Wirtschaft zeige kritische Vitalwerte, was auf eine längere, schwierige Marktphase hindeute.

In Japan hat sich dann der Markteinbruch mit einem Verlust von 3,9% im Nikkei 225 Aktienindex fortgesetzt. Entsprechend ist auch der Dax, der sich noch am Dienstag hatte erholen können, wieder unter Druck geraten. Die Situation hat sich dann noch verschärft, als China ankündigte, als Reaktion auf Trump wiederum seine Einfuhrzölle auf US-Waren um weitere 50 Prozentpunkte auf 84% anzuheben. Daraufhin ging der Dax in die Knie und verlor in der Spitze 4,4% auf 19.384 Punkte. Der Leitindex schloss 3% ermäßigt auf 19.671 Zählern. Die größten Verluste im Dax wiesen am späten Nachmittag Vonovia, MTU und Fresenius mit einem Minus von 6%, 5,9% und 5,1% auf.

Fortschreitende De-Dollarisierung

Derweil warnt George Saravelos, Devisen-Chef der Deutschen Bank mit Sitz in London, vor einer Vertrauenskrise des Dollar. Die Ereignisse der vergangenen Tage hätten gezeigt, dass diese Ängste berechtigt seien. Zu beobachten sei ein gleichzeitiger Fall der Preise sämtlicher US-Assets wie Aktien, des Dollars im Vergleich zu alternativen Reservewährungen und des Bondmarktes. An den Märkten sei eine rasch fortschreitende De-Dollarisierung zu beobachten. Der Markt habe das Vertrauen in US-Assets verloren, aber anstatt Dollar-Liquidität anzuhäufen, um das Funding für als Basis dienende US-Assets zu sichern, würden nun diese US-Assets verkauft. Diese De-Dollarisierung werde von der US-Administration sogar unterstützt, um sicherzustellen, dass internationale Investoren die Dollar-Liquidität nicht als Waffe einsetzten. Es bleibe aber abzuwarten, ob dieser Prozess weiterhin in geordneten Bahnen verlaufen könne.

Die US-Administration unterstützt nach Meinung von Saravelos auch den Abverkauf von US-Treasuries, weil eine Politik mit dem Ziel der Reduzierung der bilateralen Ungleichgewichte im Handel funktional äquivalent sei zu einer niedrigeren Nachfrage nach US-Assets. So könne es in den künftigen Verhandlungen der US-Regierung mit anderen Ländern mit dem Ziel der Reduzierung der Bewertung des Dollars auch um den Verkauf von US-Treasuries durch Japan gehen - das Land ist derzeit der größte ausländische Halter von amerikanischen Staatsanleihen. Allerdings weise der Rahmen für diese Verhandlungen, die zu einem „Mar-a-Lago-Accord“ in der Tadition des Plaza Accords von 1985 stünden, inhaltliche Widersprüche auf, die sich mittlerweile offen zeigten.

Es gibt keine Gewinner

Saravelos zeigt sich insbesondere besorgt, dass sich der Handelskrieg zu einem Finanzkrieg ausweitet. Epizentrum des Konflikts sei der Handelskrieg mit China. Mit Zöllen von mehr als 100% gebe es nun praktisch keinen Spielraum mehr für eine Verschärfung des Handelskriegs. Die nächste Stufe sei daher ein regelrechter Finanzkrieg, in dem es um das Eigentum sowohl privater wie auch öffentlicher Investoren aus China an amerikanischen Assets wie US-Treasuries gehe. „Es ist wichtig festzuhalten, dass es in einem solchen Krieg keine Gewinner geben kann“, warnt er. Der große Verlierer sei dann die Weltwirtschaft.

Wenn sich die Turbulenzen am Markt für US-Treasuries fortsetzten, gebe es für die amerikanische Notenbank keine andere Option, als Notkäufe von US-Staatsanleihen zu tätigen, ein sogenanntes „Emergency QE“. Das würde aber die De-Dollarisierung beschleunigen. Einziges denkbares Gegenmittel sei eine Aufgabe der gegenwärtigen Politik durch die Trump-Administration.

Ölmarkt im freien Fall

Die Nachricht, dass China die Zölle auf Importe aus Amerika auf 84% anhebt, nachdem Trump auf Einfuhren aus China nun 104% Zoll ansetzen lässt, hat auch für weitere kräftige Einbrüche an den Rohstoffmärkten gesorgt. Der Preis der wichtigsten Ölsorte Brent Crude sackte um weitere 6% ab. Mit einem Tagestief von 58,40 Dollar je Barrel beträgt der Einbruch des Ölpreises seit dem Beginn des Handelskriegs vor wenigen Tagen sage und schreibe 23%. Einen solchen Preisrückgang binnen weniger Tage hat es bislang am Ölmarkt nicht gegeben. Damit sind die meisten aktuellen und deutlich gesenkten Prognosen der Analysten schon wieder Makulatur.

Das wichtigste Industriemetall Kupfer, dessen Preis auch als ein wichtiger Frühindikator für die Konjunktur gilt, gab bis auf 8.565 Dollar je Tonne nach. Gegenüber dem Hoch per Ende März von 10164,50 Dollar ergibt sich damit ein starker Rückgang um 15%. Zudem erreichten die Preise der Kaffeesorten Robusta und Arabica den niedrigsten Stand seit vier Monaten, während Kakao in London und in New York das tiefste Niveau seit fünf Monaten markierte.

Anleger steuerten infolge der Verluste bei den risikobehafteten Assets einmal mehr die sicheren Häfen an. Dazu gehören auch die Bundesanleihen. Insbesondere am kurzen Laufzeitenende griffen die Investoren zu, sodass die Rendite der zweijährigen Papiere des Bundes bis auf ein Tagestief von 1,71% abrutschten nach 1,86% am Dienstag. In den zehnjährigen Bundesanleihen erfolgten ebenfalls Investments, allerdings ging die Rendite hier nicht so stark zurück. Das Tagestief wurde mit 2,58% gesehen nach 2,63% am Vortag. 2,60% waren es im späten Geschäft.

Kurze Bunds gefragt

Im Fokus standen neben den Bundesanleihen auch die US-Staatspapiere. Sie gelten in Krisensituationen zwar ebenfalls als Hort der Sicherheit, werden demzufolge dann auch verstärkt nachgefragt. Allerdings kam es hier nun nicht zu Käufen, sondern zu umfangreichen Abgaben.

Hinter den jüngsten Verkäufen von US-Staatstiteln mit längeren Laufzeiten stehen Hedgefonds. Viele dieser Marktteilnehmer haben mit geliehenem Geld auf Preisdifferenzen zwischen Kassabonds und den korrespondierenden Zinsfutures spekuliert. Dabei handelt es sich um den sogenannten Basis-Trade, ein beliebter, aber risikoreicher Trade. Dieser ist etwa 800 Mrd. Dollar groß, sagte Torsten Slok, Chefökonom bei Apollo Global Management, der Nachrichtenagentur Reuters.

Mit Margin Calls konfrontiert

Als Reaktion auf die starken Kursschwankungen verlangen Kreditgeber nun zusätzliche Sicherheiten – sogenannte Nachschussforderungen. Wer diese Sicherheiten nicht schnell genug bereitstellen kann, ist gezwungen zu verkaufen, um Schulden zu begleichen. Genau das passiere jetzt. „Das hat inzwischen nichts mehr mit Fundamentaldaten zu tun – es geht jetzt um Liquidität“, sagte Jack Chambers, Chefstratege bei der Australia and New Zealand Banking Group.

Aber auch andere Marktteilnehmer sehen sich nach den kräftigen Kursverlusten bei den risikobehafteten Assets mit Margin Calls konfrontiert, die sie bedienen müssen. Wer dafür nicht ausreichend Cash hat, muss Assets liquidieren, um diesen Nachschüssen gerecht werden zu können. Dann werden auch sichere Papiere verkauft, um die nötige Liquidität zu bekommen. Ähnliche Verkäufe wurden in der Covid19-Krise gesehen, um an Cash zu kommen. 

Die Rendite der 30-jährigen US-Bonds zog binnen drei Tagen um rund 60 Basispunkte an. Ein Sprung nach oben in einer derartig kurzen Zeitspanne war zuletzt 1981 beobachtet worden. Die 30-jährigen US-Bonds rentierten zeitweise mit 5,02%. Zehnjährige waren zeitweise bei 4,52%. Am vorigen Freitag waren es noch um die 3,99%.