Aktienmärkte

Oddo BHF sieht Risiken für Aktienmarkt

Oddo BHF sieht derzeit Risiken für die Aktienmärkte. Dazu gehören die Geldpolitik, aber auch die geopolitischen Entwicklungen, vor allem der Ukraine-Konflikt.

Oddo BHF sieht Risiken für Aktienmarkt

kjo Frankfurt

Aktienmärkte bieten bekanntlich Chancen und Risiken. Für denjenigen, der über Anlagen disponiert, bedeutet es deshalb ein hohes Maß an Verantwortung, zu entscheiden, wann Chancen gesucht und wann Zurückhaltung geübt werden sollte – so die Einschätzung im Hause Oddo BHF.

„Derzeit haben wir es am Aktienmarkt mit drei bedeutenden Faktoren zu tun, die Unsicherheit schaffen. In der Gesamtbetrachtung bringt uns dies dazu, den Aspekt der Vermögenserhaltung stärker in den Vordergrund zu rücken, auch auf die Gefahr hin, Ertragschancen ungenutzt zu lassen“, sagt Jan Viebig, Chief Investment Officer bei Oddo BHF. Der erste Faktor, der zur Vorsicht mahne, seien die Bewertungen. Trotz der jüngsten Kursverluste seien viele Bewertungskennziffern weiterhin sehr hoch. Das sogenannte Shiller KGV für den S&P 500, das den Kurs ins Verhältnis zum mittleren inflationsbereinigten Gewinn setze und damit eine langfristige, zyklisch bereinigte Betrachtung erlaube, stehe Ende Januar bei 37,8 „Das ist das höchste Niveau seit den Zeiten der Dotcom-Blase des Jahres 2000 und um 40 höher als der Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre“, sagt er.

Anspruchsvolle Bewertung

Das Bild ändere sich nicht wesentlich, wenn man auf Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert Verhältnis (auf Basis erwarteter Gewinne der nächsten zwölf Monate) sehe. Vor allem die Preise am US-Markt seien im längerfristigen Vergleich sehr anspruchsvoll. Als Grundregel könne gelten, dass ein hohes Bewertungsniveau beispielsweise gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis über einen längeren Folgezeitraum eher moderate durchschnittliche Renditen erwarten lasse. Wichtig für Anleger sei, dass die zu erwartenden Renditen über die lange Frist von beispielsweise zehn Jahren dennoch signifikant positiv seien – deutlich oberhalb der aktuellen Anleiherenditen. „Das hohe Bewertungsniveau lasse jedoch eine allgemeine gegenüber den Widrigkeiten des Marktes und damit eine erhöhte Volatilität erwarten“, sagt Viebig.

Die bevorstehende Straffung der Geldpolitik sei ein weiterer Faktor, der aktuell für Unsicherheit sorge. Die Zentralbanken der wichtigsten Industrieländer würden auf die fortschreitende wirtschaftliche Erholung sowie die hohe Inflation reagieren und beginnen, ihre coronabedingt sehr expansive Geldpolitik zu straffen. Die US-Notenbank habe angekündigt, die Anleihekäufe Anfang März 2022 endgültig einstellen zu wollen. „Sie wird aller Voraussicht nach kurz danach –  im März – zu Zinserhöhungen übergehen. Der Offenmarktausschuss der Fed selbst hatte im Dezember 2021 für den Jahresverlauf 2022 Leitzinserhöhungen auf 0,9% in Aussicht gestellt, die Markterwartungen liegen derzeit schon wesentlich höher, bei rund 1,6%“, so Viebig. Die EZB beende im März die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms und deute perspektivisch Zinserhöhungen an. „Die Märkte gehen aber mittlerweile davon aus, dass die Anleihekäufe im Jahresverlauf beendet werden und gegen Ende des Jahres 2022 erste Zinsanhebungen folgen könnten“, sagt Viebig.

Zinserhöhungsphasen seien für Anleger schwierige Phasen. Unmittelbar betroffen seien die Anleihemärkte, denn die Notenbanksätze würden die Anleiherenditen mit nach oben ziehen. „Für die Neuanlage werden Anleihen damit irgendwann vielleicht interessanter; für den vorhandenen Anleihebestand bringen steigende Renditen dagegen in der Regel Kursverluste“, hält er fest. Ein Maß für die Empfindlichkeit von Anleihen gegen Kursverluste sei die Duration, eine Laufzeit unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Auszahlungen an den Anleger. Ganz grob lasse sich sagen, dass die Kursverluste ungefähr der Duration multipliziert mit dem Renditeanstieg entsprechen. Eine Nullkuponanleihe mit zehnjähriger Restlaufzeit (Duration zehn Jahre) verliere also fast 10% ihres Wertes, wenn die Rendite um 1 Prozentpunkt steige; eine einjährige Anleihe dagegen verliere nur 1% ihres Wertes. Drohe ein Renditeanstieg, seien Titel mit kürzerer Duration also tendenziell weniger exponiert.

Auch für die Aktienmärkte seien Zinserhöhungsphasen ein Risiko, denn der heutige Wert der künftigen Erträge sinke mit steigenden Zinssätzen. „Man kann auch sagen: Wenn Anleihen mehr Rendite bieten, müssen Aktien unter sonst gleichen Bedingungen billiger werden. Mechanisch funktioniert der Zusammenhang im wahren Leben aber nicht, vor allem weil es „die sonst gleichen Bedingungen“ nicht gibt. Insbesondere Umsatz und Gewinnwachstum würden Zinseffekte kompensieren“, führt er aus.

Bislang spreche sehr viel dafür, dass sich die wirtschaftliche Expansion fortsetze und das Gewinnwachstum weiterhin solide ausfalle. Das gebe den Aktienmärkten Rückhalt. Die plausible Grundannahme sei dabei, dass sich der Preisauftrieb in absehbarer Zeit beruhigen werde und deshalb keine allzu harten Eingriffe der Notenbanken erforderlich würden.

Aufmerksamkeit auf Ukraine

Der dritte Faktor sei die Politik. Die Spannungen zwischen den USA und China sind nach wie vor akut und könnten sich beispielsweise mit Blick auf Taiwan rasch verschärfen. Erhebliche politische Konsequenzen könnten auch die Kongresswahlen in den USA im November 2022 haben, denn nach Lage der Dinge könnten die Republikaner in beiden Häusern des Kongresses eine Mehrheit gewinnen. „Angesichts der zunehmenden Polarisierung der US-Politik würde das die politische Handlungsfähigkeit der USA möglicherweise stark beeinträchtigen.“

Aktuell zieht aber vor allem der Konflikt „Nato Ukraine Russland“ die Aufmerksamkeit auf sich. Trotz der jüngsten Andeutungen einer Deeskalation, an denen schon wieder Zweifel laut werden, ist nicht auszuschließen, dass es zu einer ernsten militärischen Auseinandersetzung kommt. Sanktionen und Gegensanktionen könnten dann leicht in eine Wirtschaftskrise münden, vor allem wenn die Energieversorgung nachhaltig beeinträchtigt und neue Preisschübe ausgelöst würden“, meint Viebig.

Fokus auf Diversifikation

Eine seriöse Abschätzung dieser politischen Risiken und ihrer potenziellen Folgen für die Finanzmärkte sei aber kaum möglich. „Erhöhte Risiken verlangen anlagepolitische Entscheidungen. Wir kommen zu dem Schluss, dass in dieser Situation dem Vermögenserhalt mehr Gewicht zugemessen werden sollte. Neben dem Abbau von Risikopositionen kommt dabei aus unserer Sicht vor allem der breiten Diversifikation eine hohe Bedeutung zu. Sehr üppig bewertete Titel und Sektoren er­scheinen uns in dieser Phase stärker gefährdet. Im Bereich der Anleihen bevorzugen wir kurze Durationen. Insgesamt müssen sich die Anleger vermutlich nach einigen ‚fetten Jahren‘ vorerst auf bescheidenere Erträge einstellen“, so die Schlussfolgerung von Viebig.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.