Wolfgang Bauer

„Ohne Netz und doppelten Boden“

Nach Meinung von Wolfgang Bauer, Fondsmanager von M&G, sind Staatsanleihen durch die seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs erhöhte Volatilität der Renditen noch unattraktiver geworden.

„Ohne Netz und doppelten Boden“

Christopher Kalbhenn.

Herr Bauer, was bedeutet der Krieg in der Ukraine für die Geldpolitik, die sich nun mit noch höheren Inflationsrisiken konfrontiert sieht?

Wir haben – unabhängig von der Entwicklung in der Ukraine – so etwas wie einen Paradigmenwechsel gesehen. In den vergangenen Jahren fiel es den großen Zentralbanken leicht, ihre Geldpolitik locker zu gestalten. In dem vorinflationären Umfeld konnten die Notenbanken jedes Mal, wenn politische Risiken für Unruhe sorgten beziehungsweise die Märkte unter Druck standen, die Zinsen senken oder ihre Anleihekäufe erhöhen. Das hat sich jetzt geändert, weil die Inflation nun deutlich höher ist als in den Vorjahren. Es ist jetzt schwierig für sie, so wie in der Vergangenheit vorzugehen. In gewisser Weise operieren jetzt die Märkte ohne Netz und doppelten Boden. Diese Situation hat sich durch den Krieg nicht grundsätzlich geändert. Vielmehr ist die schwierige Lage, in der sich die Notenbanken befinden, noch sichtbarer geworden, wie die EZB-Sitzung in der zurückliegenden Woche gezeigt hat. Es ist klar geworden, dass die Notenbank die Inflation als Problem ansieht, ihr Statement war „hawkisher“, als der Markt erwartet hatte, etwa durch die Ankündigung, die Anleihekäufe schneller zurückzufahren.

Wie geht es mit der Inflation weiter?

Durch den Krieg in der Ukraine und die Reaktion des Westens darauf sind die Rohstoffpreise deutlich weiter gestiegen. Viele Experten hatten Ende 2021 noch erwartet, dass sich die Inflation in diesem Jahr relativ schnell normalisieren wird. Nun müssen wir davon ausgehen, dass die Inflation hartnäckiger als zuvor angenommen sehr hoch sein wird.

Was bedeutet das für die Staatsanleiherenditen?

Die Renditen der Staatsanleihen, die eine deutliche Aufwärtsbewegung gesehen hatten, haben unter dem Eindruck des Kriegs vorübergehend nachgegeben, um anschließend wieder anzuziehen. Einschränkend würde ich an dieser Stelle betonen, dass die Ausgangsniveaus sehr tief waren. Eine Rückkehr zu den Höhen vergangener Jahrzehnte halten wir zwar für wenig wahrscheinlich. Wir sehen aber noch Aufwärtspotenzial für den Fall, dass die Zinswende der EZB relativ bald erfolgen sollte. Wenn es entsprechend deutlichere Signale der EZB gibt, wird es wahrscheinlich auch zu einem weiteren Anstieg der Renditen kommen.

Was für Höhen könnte man sich denn für die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe vorstellen?

Konkrete Zahlen zu nennen, ist schwierig. Das ist auch nicht unsere Herangehensweise. Für uns ist vielmehr die Frage wichtig: Wie sieht das Risiko-/Ertragsprofil von Staatsanleihen aus? Unter anderem aufgrund der Konjunkturaussichten und hoher Inflationsraten sieht es nach unserer Meinung nach wie vor ungünstig aus, und deswegen halten wir das Zinsrisiko in den Portfolios niedrig. Durch den Krieg haben wir nun auch noch eine deutlich höhere Volatilität in den Renditen, und das könnte in der nächsten Zeit ein Thema bleiben, wenn es abwechselnd zu einer Flucht in Sicherheit kommt, wenn der Ukraine-Krieg dominiert, sowie andererseits zu einem Renditeanstieg, wenn die hohe Inflation im Fokus steht. Damit wird das Risiko-/Ertragsprofil noch ungünstiger. Warum soll man bei nun deutlich erhöhter Volatilität in ein als sicher geltendes Asset investieren, solange die Renditen nicht deutlich attraktiver sind?

Rechnen Sie mit weiterem Druck auf Staatsanleihen der Peripherieländer?

Peripherieanleihen reagieren sehr sensibel, wenn die EZB ankündigt, ihre lockere Geldpolitik zurückzufahren. Wir haben bereits Spread-Ausweitungen gesehen. Sollte die EZB zur Tat schreiten, gäbe es durchaus Potenzial für weitere Spread-Ausweitungen.

Wie halten Sie es mit Unternehmensanleihen?

Unternehmensanleihen sind derzeit ein interessantes Thema. Wir haben eine Ausweitungsbewegung gesehen, aber auch hier gilt, ähnlich wie bei Staatsanleihen: Die Bewegung ist von sehr engen Niveaus aus erfolgt. Auch jetzt nach einer gewissen Ausweitung sind die Credit-Märkte nicht ausgesprochen günstig. Wir haben in dem Segment punktuell Positionen ausgebaut, nachdem wir in den vergangenen Monaten das Kreditrisiko signifikant reduziert hatten. Die Spread-Ausweitungen waren unserer Meinung nach noch nicht stark genug, um höhere Risikopositionen zu rechtfertigen. Bei Unternehmensanleihen sind zwei Risiken voneinander zu unterscheiden. Zum einen ist das das Kreditausfallrisiko, das wir nach wie vor für niedrig halten. Selbst wenn die EZB ihre Käufe einstellen sollte, erwarten wir keinen starken Anstieg der Ausfälle. Zum anderen ist das Risiko von Credit-Spread-Ausweitungen zu beachten. Im historischen Vergleich sind die Spreads noch relativ eng und wir sehen die Möglichkeit weiterer Ausweitungsbewegungen. Deswegen halten wir das Kreditrisiko derzeit relativ niedrig.

Welche Segmente halten Sie derzeit für interessant?

Interessanter als Unternehmensanleihen im engen Sinn sind Finanz­institute. Die EZB kauft keine Bankanleihen. Ein Rückzug der Notenbank aus den Anleihekäufen würde somit für Bankanleihen weniger stark ins Gewicht fallen. Daher haben wir Positionen im Bankensektor ge­halten.

Sprechen nicht auch die höheren Zinsen beziehungsweise Anleiherenditen für das Segment?

Vor allem in Europa waren die Banken in dem Niedrigzinsumfeld kaum profitabel. Wenn die Zinsen steigen, ist das auf jeden Fall auch ein Grund, in dem Sektor investiert zu sein.

Wo finden Sie noch interessante Gelegenheiten?

Wir beschäftigen uns intensiv mit der Immobilienbranche. Hier haben wir in den letzten Jahren sehr hohe Neuemissionsvolumina gesehen. Da der Sektor stark gewachsen ist, haben sich die Möglichkeiten, interessante Gelegenheiten zu finden, deutlich erweitert. Man muss hier aber mit einer detaillierten fundamentalen Analyse herangehen. Die Branche ist sehr komplex, man muss sich das Namen für Namen anschauen. Chancen, gute Erträge zu erzielen, sind dadurch entstanden, dass der Sektor in den zurückliegenden Monaten etwas unter Druck geraten ist, weil einige Unternehmen Schwierigkeiten haben. Das hat auf andere Unternehmen mit durchaus guten Kredit-Metriken ausgestrahlt. Die etwas verschlechterte Stimmung am Markt hat das Spread-Niveau des gesamten Sektors angehoben.

Ein Segment, das in letzter Zeit sehr stark angepriesen worden ist, sind inflationsindexierte Anleihen. Halten Sie das Segment für interessant?

Inflationsindexierte Anleihen sind ein zweischneidiges Schwert. Denn sie werden von zwei Faktoren getrieben: der Inflations- sowie der Zinsentwicklung. Steigt die Realrendite, ist das negativ, fällt sie, erzielen inflationsindexierte Anleihen positive Erträge. Die Realrendite setzt sich zusammen aus nominellem Zins abzüglich Inflation. Es kann somit bei steigenden nominellen Zinsen auch in einem Umfeld hoher Inflation dazu kommen, dass inflationsindexierte Anleihen eine negative Performance haben, wenn auch in geringerem Ausmaß als normale Anleihen.

Das Interview führte

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