Sättigungsängste am Anleihenmarkt
hip London
Die Anleihenexperten der Bank of America sind zurückhaltend, was das Emissionsgeschäft im kommenden Jahr angeht. „Die große Unbekannte ist, wie lange die Zinsen hoch bleiben, wie schnell die Notenbanken anfangen, Zinsen zu senken“, sagte Julien Roman, bei der US-Großbank Co-Head für das Geschäft mit Schuldenemissionen von Finanzinstituten in der EMEA-Region.
„Die Märkte sind ein bisschen überoptimistisch, wie schnell das gehen kann. Das könnte Volatilität hervorrufen.“ Im laufenden Jahr sei das Emissionsvolumen in seinem Beritt um 32% gestiegen, getrieben von TLTRO-Rückzahlungen der Institute. Dabei seien insbesondere Pfandbriefe platziert worden. „Das wird sich aus unserer Sicht ins nächste Jahr fortsetzen“, sagte Roman. „Die Banken sind bei der Rückzahlung dieser Programme schon ziemlich weit gekommen.“ Er rechnet für 2023 bei den Finanzinstituten mit einem positiven Nettoemissionsvolumen. Brutto werde es um 5% bis 10% wachsen. Für ihn seien die US-Inflationsdaten der wichtigste Datenpunkt bis zum kommenden Jahr. Vor den Oktoberdaten habe er gesagt, es werde nur wenig Vorfinanzierungen geben. Seitdem habe die Aktivität zugenommen. Finanzinstitute hätten seit Anfang November 5% bis 10% ihrer Emissionsprogramme für 2023 vorfinanziert.
In Europa sieht es weniger rosig aus. „Wir erwarten, dass die EZB die Zinsen weiter erhöhen wird und dass wir gerade erst die Hälfte des Zinserhöhungszyklus hinter uns haben“, sagte Paula Weisshuber, die Leiterin des Geschäfts mit Unternehmensanleihen in der EMEA-Region bei Bank of America. Zinssenkungen seien in Europa für 2023 kein Thema. In den ersten Monaten könne es zu einem stimmungsmäßigen Rücksetzer kommen, wenn deutlich werde, wie weit der Weg noch ist, der zur Bekämpfung der Inflation gegangen werden muss. „Der Euro-Markt ist in den vergangenen Jahren wesentlich gewachsen, und eine Frage ist, ob das nachhaltig ist, wenn der große Käufer, die EZB, nicht mehr da sein wird“, sagte Weisshuber. „Angesichts des für 2023 erwarteten Anstiegs des Angebots an Staatsanleihen besteht das Risiko der Sättigung oder von Verdauungsproblemen.“ Es habe lange Phasen anhaltender Abflüsse aus Investment-Grade-Titeln (IG) gegeben, etwas, das man seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Im laufenden Jahr ist das IG-Emissionsvolumen auf dem Euro-Markt um ein Viertel zurückgegangen. Für das laufende Jahr geht Weisshuber von einem um 5% niedrigeren Angebot aus. Das bezieht sich allerdings nicht nur auf Corporate Bonds. „Unternehmen haben sich auf die Suche nach alternativen Finanzierungsquellen gemacht“, sagte Weisshuber. „Der Kreditmarkt ist eine wichtige davon gewesen.“