Schwache Nachfrage deckelt den Ölpreis
Schwache Nachfrage deckelt den Ölpreis
Vernachlässigung des geopolitischen Risikos erscheint jedoch übertrieben – Opec plus verschiebt Produktionsausweitung
ku Frankfurt
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Der Brent-Ölpreis hat im bisherigen Jahresverlauf eine hohe Volatilität aufgewiesen. Im April war er über die Marke von 90 Dollar je Barrel geklettert, um im September dann kurzzeitig unter die Marke von 70 Dollar zu fallen. Von diesem Niveau hat sich die Notierung mit aktuell mehr als 75 Dollar zwar wieder deutlich abgesetzt, allerdings hatte es vor wenigen Tagen nach dem überraschend milde ausgefallenen israelischen Gegenschlag gegen den Iran zeitweilig ein Niveau von nur noch knapp über 70 Dollar gegeben.
Verhaltene Prognosen
Die neuesten Prognosen der Analysten für den Ölpreis sind verhalten. So zeigt eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Analysten, dass diese für das laufende Jahr von einem durchschnittlichen Preis der Ölsorte Brent von 80,55 Dollar ausgehen. Für das kommende Jahr wird allerdings nur noch ein durchschnittlicher Preis von 76,61 Dollar erwartet.
Erhebliche Sorgen
Was die Nachfrageseite betrifft, so machen sich viele Marktteilnehmer erhebliche Sorgen hinsichtlich der weltweiten Konjunkturentwicklung und damit des Ölverbrauchs. Als nach wie vor sehr schwach erweist sich die Nachfrage in Europa. In den USA zeigt sich die verarbeitende Industrie deutlich schwächer als beispielsweise der Dienstleistungssektor, was auf den Ölverbrauch drückt, und auch die Kaufkraft der Konsumenten lässt zu wünschen übrig. Vor allem aber bleibt die konjunkturelle Entwicklung in China enttäuschend – trotz der konjunkturellen Hilfsmaßnahmen der Regierung, über deren Wirksamkeit es sehr unterschiedliche Meinungen gibt.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die von Reuters befragten Analysten nach wie vor von einem Wachstum das Ölverbrauchs ausgehen. Für 2024 rechnen sie mit einem Anstieg der Nachfrage um 800.000 bis 1,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) und für 2025 von 1 bis 1,5 Mill. bpd. Nach Einschätzung der Analysten der Commerzbank wird es mit Blick auf die Stimulierungsmaßnahmen in China auf die vom 4. bis 8. November stattfindende Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses in Peking ankommen. Dort sollen die wirtschaftspolitischen Maßnahmen konkretisiert werden.
Hohe freie Kapazität
Hinsichtlich der Angebotsseite steht die hohe freie Kapazität des Kartells Opec plus im Raum, die aktuell rund 4 Mill. bpd beträgt – ein hoher Wert, der beispielsweise in etwa der Ölproduktion des Iran entspricht. Die Opec plus hat sich nun entschieden, die eigentlich bereits vereinbarte stufenweise Reduzierung der bisherigen vereinbarten Förderkürzungen von rund 2 Mill. bpd erneut nach hinten zu verschieben, und zwar aktuell um einen Monat. Dies hat am Montag den Ölpreis deutlich gestützt. Am Markt hieß es, das Kartell signalisiere, dass es die Stützung des Ölpreises höher bewerte als die Verteidigung der Marktanteile.
Bewusste Zurückhaltung?
Den Ölpreis gedrückt hat der Rückgang der geopolitischen Spannungen in der Nahostregion. Der israelische Gegenschlag gegen den Iran hat, soweit derzeit bekannt, im Land kaum zu Schäden geführt. Während das am Ölmarkt als Zeichen für eine bewusste Zurückhaltung der israelischen Seite interpretiert wird, betonen die iranische Regierung, Medien aus der Region sowie einige Nahostexperten, es sei der iranischen Luftabwehr gelungen, einen deutlich größer angelegten israelischen Angriff abzuwehren. Gleichwohl hat die iranische Regierung neuerliche Vergeltung angekündigt und betont, diese werde „stark“ ausfallen. Damit erscheint es verfrüht, jegliche geopolitische Risikoprämie auszupreisen, so wie dies gegenwärtig erfolgt.
Wohl keine Unterbrechung
Ole Hansen, Leiter der Rohstoffstrategie der Saxo Bank, glaubt zwar, dass die Gefahr einer realen Unterbrechung der weltweiten Ölversorgung aus der Region gering ist. Dafür spricht unter anderem, dass die Opec plus in der Lage wäre, rein rechnerisch sogar einen kompletten Ausfall der iranischen Ölförderung von rund 4 Mill. bpd auszugleichen. Allerdings ist die Realität komplexer, weil Raffinerien jeweils auf bestimmte Ölsorten eingestellt sind und die Umrüstung Zeit und Geld kostet. Insofern dürfte jede neuerliche Eskalation in der Region den Ölpreis wieder deutlich nach oben treiben, auch wenn sie noch nicht mit einer Unterbrechung der Versorgung verbunden wäre. Der schlimmste Fall wäre zweifellos eine längerfristige Sperrung der Meeresenge von Hormus. So wird beispielsweise für den Fall einer einmonatigen Sperrung der Meeresenge, durch die etwa 20% des weltweit per Tankschiff transportierten Öls und rund 25% des LNG-Erdgases gehen, ein Anstieg des Ölpreises auf 300 Dollar für möglich gehalten.
Leichter Vorsprung für Trump
Zu den geopolitischen Risiken für den Ölpreis lässt sich auch der Ausgang der in dieser Woche anstehenden amerikanischen Präsidentschaftswahlen zählen. Gegenwärtig sehen die Prognosen einen leichten Vorsprung des republikanischen Bewerbers und ehemaligen Präsidenten Donald Trump. Die Rohstoffanalysten der Commerzbank merken dazu an, für die vergangenen vier Präsidentschaftsperioden lasse der Blick auf die amerikanische Ölproduktion kein eindeutiges Urteil zu, ob es einen Unterschied macht, welcher Partei der Präsident angehört. So sei die US-Ölproduktion unter Trump bis Ende 2019, also vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie, um 46% gestiegen. Für die beiden Amtszeiten von Barack Obama ergibt sich ein Wachstum von 38% bzw. 25% und in der zu Ende gehenden Präsidentschaft von Joe Biden ein Wachstum von knapp 20%. Unter Biden habe es verschärfte Regulierungen für die Ölindustrie gegeben, was den Anstieg der Ölproduktion aber lediglich leicht gebremst habe.
Frage der Durchsetzung
Deutliche Auswirkungen hatten die von Trump verschärften Sanktionen gegen den Iran, die zu einem Rückgang der iranischen Ölproduktion um fast die Hälfte auf rund 2 Mill. bpd geführt hätten. Dass die Ölproduktion inzwischen nach Angaben der Commerzbank wieder 3,4 Mill. bpd erreicht hat, führen die Analysten darauf zurück, dass Biden die Umsetzung der Sanktionen nicht mit Konsequenz verfolgt habe. Es sei fraglich, ob eine Präsidentin Harris willens oder in der Lage wäre, die Sanktionen stärker durchzusetzen. Eine strikte Umsetzung der Sanktionen liefe auf einen Konflikt mit China hinaus, das der größte Abnehmer iranischen Öls ist. Zu einer solchen Konfrontation sei Trump wohl eher geneigt als Harris.
Die schwache Nachfrage vor allem aufgrund der Konjunkturschwäche in China drückt auf den Ölpreis. Dass die geopolitische Risikoprämie derzeit aus dem Ölpreis verschwunden ist, erscheint jedoch als unangemessen. Die Opec plus hat derweil die geplante Ausweitung der Produktion um einen weiteren Monat verschoben.