Sondersteuer verstimmt Spaniens Banken
Von Abdoulaye Aboubakar *)
Spanische Bankmanager sind derzeit nicht gut auf Pedro Sánchez zu sprechen. Seitdem der spanische Premierminister Mitte Juli angekündigt hat, für große Finanzunternehmen eine Sondersteuer in Bezug auf den Zeitraum 2023 bis 2024 von jährlich 1,5 Mrd. Euro einzuführen, lassen Vertreter des Bankensektors keine Gelegenheit aus, ihr Unverständnis über diese Pläne zu äußern.
Profiteure höherer Zinsen
Sánchez, Generalsekretär des Mitte-links stehenden Partido Socialista Obrero Español, begründete die Übergewinnsteuer damit, dass die Belastungen durch die sehr hohe Inflation und den Krieg in der Ukraine „gerecht und gleichmäßig“ verteilt werden sollen. In diesem Zusammenhang wies der spanische Regierungschef darauf hin, dass die großen Finanzunternehmen bereits jetzt von den Zinserhöhungen profitierten. Im Ende Juli vorgestellten Gesetzentwurf wurde der Steuersatz auf 4,8% des im Inland erzielten Zins- und Provisionsüberschusses festgelegt. Die Steuer wird jeweils am 1. Januar 2023 und 2024 fällig, wobei die Geschäftszahlen der unmittelbar vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt werden, um die „außerordentlichen Gewinne“ der Jahre 2022 und 2023 zu besteuern.
Um zu verhindern, dass die spanischen Banken die neue Steuerlast an die Kunden weitergeben, wird gleichzeitig eine Strafe in Höhe von 150% auf den abgewälzten Betrag eingeführt. Nach Berechnungen der Ratingagentur Scope wird die Sondersteuer im kommenden Jahr bis zu 55% der aus höheren Zinsen resultierenden Mehrerträge der Banken aufzehren. Für das Jahr 2024 könnte dieser Wert sogar noch höher liegen, da die steigenden Zinsen auch graduell an die Sparkunden weitergegeben werden.
Fragwürdige Sichtweise
Die Kritik der Bankenvertreter richtet sich zum einen gegen das Konzept des „Übergewinns“ und zum anderen gegen die Sinnhaftigkeit sowie die Rechtmäßigkeit der zu erhebenden Steuer. Höhere Zinserträge aufgrund der erwarteten Normalisierung der EZB-Geldpolitik als „Sondergewinne“ zu betrachten, ist in der Tat fragwürdig, denn die jahrelangen Belastungen infolge der Nullzinspolitik der Zentralbanken mussten ja auch von den Banken getragen werden. Die Vertreter der Bankenbranche weisen zudem darauf hin, dass es keine direkte und proportionale Korrelation zwischen dem Anstieg des Referenzsatzes Euribor und den Gewinnen der spanischen Finanzinstitute gibt.
Benachteiligung in Europa
Spanische Banken fühlen sich auch im Vergleich zur europäischen Konkurrenz benachteiligt, denn allein die Nettozinserträge machen 69% ihrer Gesamterträge aus, verglichen mit rund 54% im Durchschnitt der EU-Banken, 49% bei deutschen Banken oder 44% bei französischen Geldhäusern. Zins- und Provisionserträge stellen 95% der Gesamterträge der spanischen Banken, verglichen mit 85% der europäischen Banken. Viele Institute sind der Ansicht, dass die neue Steuer verfassungswidrig sein könnte, wenn sich herausstellt, dass es sich um eine als Abgabe getarnte Erhöhung der Körperschaftsteuer handelt.
Kenner der spanischen Innenpolitik wissen, dass eine Sondersteuer für Banken seit der milliardenschweren Sanierung des Bankensektors nach der großen Finanz- und der späteren Staatsschuldenkrise mit staatlichen Beihilfen immer wieder thematisiert wird. In Ungarn gibt es bereits eine ähnliche Steuer, die jedoch auf alle Sektoren erhoben wird. Auch Frankreich hat einen Weg gefunden, die Kaufkraft der Bankkunden zu stärken.
Frankreich stützt Kaufkraft
Die französische Regierung hat zwar keine Sondersteuer für Banken eingeführt, aber die Anpassung der Verzinsung staatlich reglementierter Sparprodukte ab August 2022 soll auch dafür sorgen, die Kaufkraft der französischen Sparer in diesen schwierigen Zeiten zu stärken. So wurde die Verzinsung des Livret A und des Livret de Développement Durable et Solidaire (LDDS) zum 1. Februar 2022 von 0,5 auf 1% und zum 1. August 2022 auf 2% angehoben. Die Verzinsung des von den Sparern weniger genutzten Livret d’Épargne Populaire (LEP), das inflationsindexiert ist, wurde erst von 1% auf 2,2 und dann auf 4,6% erhöht.
Nach einem Bericht der Banque de France (BdF) belief sich das Gesamtvolumen regulierter Sparguthaben zum Ende des vergangenen Jahres auf rund 834 Mrd. Euro, wovon 324 Mrd. Euro auf das Livret A und 126 Mrd. Euro auf das LDDS entfielen. Wie gesetzlich vorgeschrieben, lagen rund 60% der Bestände aus dem Livret A und dem LDDS und 50% aus dem LEP beim Sparfonds Fonds d‘épargne unter dem Dach der staatlichen Caisse des dépôts et consignations (CDC) unter anderem zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus.
Belastung für Genossen
Bei einem Gesamtvolumen dieser Sparprodukte von rund 202 Mrd. Euro in den Bankbilanzen Ende 2021 würden die vorgenommenen Anpassungen nach unseren Berechnungen zu Mehraufwendungen für Banken in den Jahren 2022 und 2023 von insgesamt 5,4 Mrd. Euro führen. Ein Blick auf einzelne Bankengruppen zeigt dabei, dass in Bezug auf Livret A und LDDS die genossenschaftlichen Gruppen, deren Bilanzen die größten Bestände an den Sparprodukten aufweisen, stärker belastet werden. So würde Groupe BPCE eine Mehrbelastung von 1,4 Mrd. Euro, Groupe Crédit Agricole von 1,0 Mrd. Euro und Crédit Mutuel von 830 Mill. Euro entstehen. Die Geschäftsbanken BNP Paribas und Société Générale würden mit 273 Mill. Euro und 271 Mill. Euro hingegen eine überschaubare Mehrbelastung zu stemmen haben.
Abweichende Prozesse
Trotz der insgesamt größeren Belastung im Vergleich zum spanischen Bankensystem gibt es in Frankreich keine „Protestwelle“ der Banken. Wie in Spanien wird auch in Frankreich politisches Kalkül hinter der Anhebung der Zinsen vermutet, da das Thema Kaufkraft eine zentrale Rolle bei den jüngsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen eingenommen hatte. Dennoch unterscheiden sich die Entscheidungsprozesse in den beiden Ländern deutlich. Während in Spanien die Entscheidung des Premierministers als willkürlich aufgenommen wurde, stellt sich die Lage in Frankreich anders dar.
Die Banque de France ist für die Berechnung der Sätze zur Verzinsung regulierter Sparprodukte nach bestimmten Formeln, die gesetzlich vorgeschrieben sind, zuständig. Die Berechnungen der Zentralbank erfolgen jedes Jahr am 15. Januar und 15. Juli oder zusätzlich auch am 15. April und 15. Oktober, wenn die Währungshüter der Ansicht sind, dass „die Veränderung der Inflation oder der Geldmärkte dies rechtfertigt“. Vor diesem Hintergrund und angesichts der hohen Inflation ist es keine Überraschung, dass eine Anpassung erfolgt ist.
*) Abdoulaye Aboubakar ist Senior Analyst bei der DZ Bank.