Schweiz

Starker Franken mit wenig Abwärtspotenzial

Der Schweizer Franken steht zum Euro so fest wie seit sieben Jahren nicht mehr. Angesichts des Ukraine-Kriegs dürften die Zuflüsse in die eidgenössische Währung hoch bleiben.

Starker Franken mit wenig Abwärtspotenzial

Von Katja Müller*)

Der Schweizer Franken notiert gegenüber dem Euro derzeit so stark wie zuletzt 2015. Damals hatte die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestwechselkurs von 1,20 Franken je Euro aufgegeben, woraufhin die eidgenössische Währung sogar unter die Parität zum Euro aufwertete. Anfang März 2022 erreichte der Wechselkurs zwar wieder die Parität.

Die Umstände für die Aufwertung des Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung sind dieses Mal aber andere. Die Furcht vor einer Eskalation der Krise in der Ukraine ließ die eidgenössische Währung gegenüber dem Euro bereits seit Mitte Februar 2022 an Wert gewinnen. Diese Wechselkursbewegung gewann durch den Kriegsausbruch weiter an Fahrt. Hintergrund ist zum einen der Status der helvetischen Valuta als sicherer Hafen in unruhigen Zeiten, zum anderen eine zunehmende Schwäche des Euro. Im Kontrast hierzu profitierte der Dollar ebenfalls von seinem Ruf als sicherer Hafen sowie von der durch die Federal Reserve eingeleiteten Zinswende. So verlor der Schweizer Franken gegenüber dem Greenback seit Kriegsausbruch im Februar deutlich an Wert. Der Franken notierte zum Dollar zuletzt vor zwei Jahren so schwach wie aktuell.

Gebremste Interventionen

Der starke Greenback dürfte ein Grund sein, aus dem sich die SNB trotz der Aufwertung der heimischen Valuta zum Euro im Februar noch mit Devisenmarktinterventionen zurückgehalten hat. Die Währungshüter sehen den Franken seit geraumer Zeit als „hoch bewertet“ an und greifen bei Bedarf zur Schwächung der Valuta am Markt ein. Die Nationalbank berücksichtigt hierbei immer die „gesamte Währungssituation“. Angesichts des Erreichens der Parität zwischen Euro und Franken wurde die SNB erneut am Devisenmarkt aktiv. Ausweislich der wöchentlichen Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der SNB intervenierten die Währungshüter in den vergangenen Wochen immer wieder am Devisenmarkt, wenngleich meist in überschaubarem Ausmaß.

Neben der Dollarstärke dürfte es weitere Gründe für das vorsichtige Vorgehen der SNB geben. So hat die Zentralbank vermutlich wenig Interesse daran, ihre mit gut 130% des BIP gewaltigen Devisenreserven noch mehr anschwellen zu lassen. Ein weiteres Argument dürfte weitaus schwerer wiegen. Die Inflation in der Schweiz steigt seit Monaten deutlich weniger dynamisch an als im Ausland. Zwar kletterten die Verbraucherpreise zuletzt auch in der Eidgenossenschaft um 2,5% im Vergleich zum Vorjahr nach oben. Die Teuerung liegt aber weit unter dem Niveau, das im Euroraum oder gar in den USA erreicht wird.

Entsprechend hat sich die Inflationsdifferenz zum Ausland massiv ausgeweitet. In realer Rechnung befindet sich der handelsgewichtete Franken-Wechselkurs auf einem niedrigeren Niveau als vor zwei Jahren. Der nominale handelsgewichtete Wechselkurs zeigt für diesen Zeitraum dagegen eine Aufwertung des Franken um gut 3% an. Nach unseren Berechnungen auf Basis der Erzeugerpreise ist der Wechselkurs gemäß Kaufkraftparität inzwischen deutlich unter die Parität gesunken. Die SNB trägt der Bedeutung dieser Entwicklungen Rechnung und hat ihre Wortwahl bezüglich der Bereitschaft zu Devisenmarktinterventionen angepasst. Nun achten die Währungshüter auch explizit auf den „Inflationsunterschied zum Ausland“.

Unbeirrte Notenbank

Bislang verfolgte die SNB seit Aufgabe des Mindestwechselkurses im Jahr 2015 unbeirrt eine extrem expansive Geldpolitik mit einem Leitzins von −0,75% sowie Devisenmarktinterventionen nach Be­darf. Das Inflationsziel der Währungshüter liegt auf eine mittlere Frist zwischen 0% und 2%. Derzeit überschreitet die Teuerung die Obergrenze. Ein vorübergehendes Übertreten dieser Schwelle sieht die SNB nicht als Problem. Im April äußerte SNB-Chef Thomas Jordan, dass „ein erheblicher Teil der heutigen Inflation vorübergehend“ sei. Noch gehen die Währungshüter von einer weiterhin moderaten Teuerung aus. Hierbei hilft auch die starke heimische Währung, die den Anstieg der Importpreise abfedert.

Zudem ist der Anteil der administrierten, also staatlich festgesetzten Preise in der Schweiz relativ hoch. Die bedingte Inflationsprognose der SNB (unter Annahme eines unveränderten Leitzinses) liegt bei 2,1% für das laufende Jahr und bei 0,9% für 2023. Jordan ließ aber eine Hintertür offen, um diese Inflationsprognose zügig anpassen zu können. Das Risiko einer dauerhaften Inflation sei „relativ groß“.

Noch besteht kein akuter Handlungszwang für die SNB. Außerhalb der Schweiz kehren immer mehr Notenbanken einer expansiven Geldpolitik den Rücken zu. So hat die Federal Reserve begonnen, ihren Leitzins nach oben zu schleusen. Auch halten wir eine Leitzinswende durch die EZB im Sommer für wahrscheinlich. Dies würde auch der SNB Spielraum für eine Leitzinserhöhung geben. Vor dem Hintergrund der vermutlich auch in der Schweiz steigenden Inflation dürften die Währungshüter dies für einen schrittweisen Ausstieg aus ihrer Negativzinspolitik nutzen. Wir rechnen mit einer ersten Anhebung des Leitzinses im März 2023.

Angesichts des Krieges in der Ukraine dürften die Zuflüsse in den Schweizer Franken als sicheren Hafen vorerst hoch bleiben. Dementsprechend rechnen wir zunächst mit einer volatilen Seitwärtsbewegung des Wechselkurses zum Euro bis zur Jahresmitte 2022. Bei wieder nachlassender Risikoscheu und einem zunehmenden Zinsnachteil dürfte der Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung zwar etwas an Wert einbüßen. Das Abwertungspotenzial erachten wir angesichts der gesunkenen Kaufkraftparität aber als begrenzt. Wir erwarten zum Jahresende einen Wechselkurs von 1,05 Franken je Euro.

*) Katja Müller ist Senior Economist bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).