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Startschuss zum gemächlichen Zinssenkungspfad

Carsten Lüdemann von der DekaBank stuft auch eine gemächliche Zinswende als gute Nachricht für die Kreditmärkte ein. Unternehmen können auf nachgebende Finanzierungskosten hoffen.

Startschuss zum gemächlichen Zinssenkungspfad

Die Zinswende der EZB ist sehr unspektakulär über die Bühne gegangen. Die Notenbanker hatten sich schon frühzeitig auf die „Sommerwende“ festgelegt und wollten trotz unangenehmer Überraschungen bei der Inflationsentwicklung keine Kurskorrektur mehr vornehmen. Umso vorsichtiger und langsamer werden sie nun also beim weiteren Pfad agieren. Die Renditen von Bundesanleihen sind in der Folge nochmals weiter angezogen und haben auch die Renditen von Unternehmensanleihen nach oben gezogen. Auf die Risikoaufschläge hatte das aber keinen negativen Einfluss, sie handeln weiterhin auf vergleichsweise niedrigen Niveaus. Denn selbst eine langsame Zinswende ist eine gute Nachricht für Corporates, weil die Finanzierungskosten eben auf Sicht sinken werden. Und da sich gleichzeitig die Konjunkturaussichten aufhellen, werden sich Umsätze und Gewinne der Unternehmen steigern lassen.

Positive Überraschung bei Unternehmenszahlen

Noch mehr als die recht gute BIP-Entwicklung im ersten Quartal haben die Geschäftsabschlüsse der großen Unternehmen in Europa positiv überrascht. Die großen Unternehmen konnten überwiegend überzeugen. Zwar sind die Gewinne gegenüber dem Vorjahr um gut 6% gesunken, doch war im Vorfeld der Berichtssaison noch mit einem Rückgang um 15% gerechnet worden. Die positiven Überraschungen stammen vor allem aus den Sektoren Finanzen und Energie. Ab dem 2. Quartal sollten die Gewinne im Jahresvergleich wieder leicht ansteigen und im Jahresverlauf weiter zulegen können.

Tempo der Leitzinssenkungen dürfte begrenzt bleiben

Die EZB hat die versprochene Zinswende geliefert, doch da diese eher widerwillig geschah, ist an den Rentenmärkten davon noch nicht viel zu erkennen. Der weitere Zinspfad wird sich zäh anfühlen und deutlich langsamer beschritten werden als noch vor wenigen Monaten erhofft. Dementsprechend sind auch die Zinssenkungserwartungen weiter etwas reduziert worden. In der Folge sind die Renditen von Euro-Staatsanleihen in letzter Zeit wieder über alle Laufzeiten hinweg angezogen, seit Jahresbeginn inzwischen um etwa 70 Bp. Trotz nachgebender Risikoaufschläge wird damit auch für Investmentgrade Unternehmensanleihen die Jahresperformance aufgezehrt. High Yield Bonds weisen aufgrund der deutlich höheren Renditen aber immer noch eine positive Jahresperformance aus.

Es ist davon auszugehen, dass die anhaltende Unsicherheit über den mittelfristigen Inflationsausblick das Tempo weiterer Leitzinssenkungen der EZB begrenzen wird. Die Renditen kurzlaufender Bundesanleihen sollten den vorsichtigen Zinspfad nur allmählich vorwegnehmen und einem leicht nach unten gerichteten Trend folgen. Zudem dürfte diese Bewegung nur in einem geringen Ausmaß auf die längeren Laufzeitbereiche ausstrahlen, sodass sich die Inversion langsam zurückbildet und die Bundkurve ab Mitte 2025 eine wieder positive Steilheit aufweist.

Risikoaufschläge bei Neuemissionen am unteren Rand der Spanne

Die Neuemissionspipeline sprudelt weiterhin mit hohem Druck. Abgesehen vom Ausnahmejahr 2020, in dem viele Unternehmen mit dem Ausbruch von Covid vorsichtshalber massiv Liquidität aufgenommen haben, liegt das bisherige Volumen deutlich über dem Stand der vorherigen Jahre. Nicht alle neuen Bonds sind automatisch Selbstläufer, insbesondere, wenn die Spreads allzu arg auch unter das Sekundärmarktniveau gedrückt wurden. Doch die meisten neuen Anleihen werden kräftig überzeichnet und bleiben auch im Nachgang gesucht. Sehr erfreulich ist, dass vor allem Emittenten aus dem High Yield-Bereich wieder verstärkt auf den Markt zurückkehren und dabei auf hohe Nachfrage treffen. Denn in den beiden vorherigen Jahren hatten sich diese aufgrund der hohen Spreads und der vergleichsweise teuren absoluten Renditen stark zurückgehalten.

In der Folge laufen nun ab 2025 deutlich wachsende Fälligkeiten auf. Da High Yielder mehrheitlich mit eher kürzeren Laufzeiten ausgestattet sind, machen sich Emissionspausen besonders stark bemerkbar. Vor dieser sogenannten „Maturity-Wall“ wird seit einiger Zeit zunehmend gewarnt. Daher ist es ein sehr gutes Zeichen, dass die betreffenden Emittenten nun begonnen haben, die Lücken wieder aufzufüllen. Die absoluten Renditen liegen immer noch weit über dem Durchschnitt seit der Eurokrise, doch die Risikoaufschläge liegen dafür eher am unteren Rand der doch sehr breiten Spanne.

Gesunkene Spread bleiben auf niedrigem Niveau

Unternehmensanleihen erfreuen sich unverändert großer Beliebtheit. Zwar wird der Zinssenkungspfad der EZB zäher verlaufen als erhofft, doch dafür hellen sich die Anzeichen für eine Konjunkturbelebung vorsichtig auf. Selbst im letzten Jahr, als die Sorgen um die Konjunkturentwicklung in Euroland und vor allem in Deutschland weitaus größer waren als die Zuversicht, zu Wachstum zurückkehren zu können, haben sich die Spreads an den Kreditmärkten nicht auffällig stark ausgeweitet. Auch an den Aktienmärkten ist dies mit Beruhigung beobachtet worden, da starke Ausweitungen der Spreads von Corporates in der Vergangenheit oftmals als warnender Frühindikator für die Kursentwicklung von Aktien bewertet worden sind.

Seit letztem Herbst sind die Spreads dann sogar deutlich gesunken und halten sich auf niedrigem Niveau. Dies gilt vor allem für Kreditderivate wie CDS-Spreads und die iTraxx Indizes. Kassa-Anleihen leiden dagegen etwas unter dem kräftigen Strom neuer Anleihen. Zwar werden diese weiterhin stark nachgefragt, doch alte ausstehende Bonds auf dem Sekundärmarkt weiten sich trotzdem in Folge von Tauschoperationen. Selbst wenn neue Anleihen nur mit geringen oder gar negativen Neuemissionsprämien auf den Markt gebracht werden, bevorzugen viele Investoren diese aufgrund der aktuellen Kupons und der deutlich besseren Liquidität.  

Ausblick auf Normalisierung der Zinsstrukturkurve

Auch eine nur gemächliche Zinswende ist eine gute Nachricht für die Kreditmärkte. Unternehmen können auf tendenziell nachgebende Finanzierungskosten hoffen und gleichzeitig von verbesserten Wirtschaftsaussichten profitieren. Das klingt schon fast wieder nach einem Goldilocks-Szenario. Vor allem Firmen aus dem High Yield-Bereich werden sich hierüber freuen, die Maturity-Wall sieht damit nicht mehr ganz so bedrohlich aus. Allerdings wird dafür etwas Geduld benötigt, denn die Renditen von Bundesanleihen als Grundlage für das allgemeine Zinsniveau dürften bestenfalls nur sehr langsam nachgeben.

Einige High Yielder werden nicht so lange warten können. Doch der Neuemissionsmarkt funktioniert aktuell auch in diesem Segment sehr gut, sodass Liquidität zu erhalten ist, wenn nötig. Für Investoren ergeben sich damit attraktive Carry-Strategien. Mit schnellen Kursgewinnen durch fallende Renditen ist zwar nicht alsbald zu rechnen, doch die laufenden Erträge sind eine gute Überbrückungshilfe, bis auch mehrere Zinssenkungsrunden in Blickweite geraten. Mit der zumindest mittelfristigen Aussicht auf eine wieder normale Form der Zinsstrukturkurve wird auch das „Abreiten der Zinskurve“ zunehmend attraktiv, vor allem im High Yield-Bereich.