Kapitalmärkte

Stillstand wäre Fortschritt für die Märkte

In dem aktuell unsicheren Umfeld sind bei Unternehmensanleihen schwächerer Bonität und im Nachrangbereich des Finanzsektors die Verzinsungen außerhalb extremer Zukunftsszenarien derzeit attraktiv.

Stillstand wäre Fortschritt für die Märkte

Es ist derzeit eine für die Kapitalmärkte gefährliche Spirale in Gang. Geldpolitiker versuchen möglichst schnell der galoppierenden Inflation Herr zu werden. Fiskalpolitiker fühlen sich ihrerseits ermutigt, die Krise zu gestalten. Immer stärkere Zinsanhebungen sollen die Nachfrageseite des Wirtschaftskreislaufs bremsen – selbst, wenn die Ursachen der Inflation überwiegend in Knappheit auf der Angebotsseite begründet liegen, wie dies in der Eurozone der Fall ist. Die Fiskalpolitiker indes legen stetig neue Konjunkturprogramme auf, um zu verhindern, dass Konsumenten wie Unternehmen durch die Energiekrise überlastet werden.

Die Kapitalmärkte drohen dazwischen zerrieben zu werden. Denn Geld- und Fiskalpolitik schaukeln sich gegenseitig in die Höhe und erzeugen damit unnötig hohe Kosten. Bislang schlummerten viele Risiken für die Finanzmarktstabilität. Aber zuletzt traten diese wieder deutlicher zu Tage. Die Aufgabe der Notenbanken wird damit noch schwieriger. Die Volatilität am Rentenmarkt hat bereits Rekordstände erreicht. Beinaheunfälle wie zuletzt in Bezug auf Pensionseinrichtungen in Großbritannien können auch in anderen Jurisdiktionen nicht ausgeschlossen werden.

Dabei hätten die wirtschafts- und geldpolitischen Maßnahmen, die insbesondere in der Eurozone diskutiert werden, bei intelligenter Umsetzung durchaus das Potenzial, die Inflationsraten erheblich zu senken und gleichzeitig die Wirtschaft gut durch die Krise zu bringen. Für die Kapitalmärkte wäre dies die beste aller Welten. Beispiel: der deutsche „Doppel-Wumms“ und die Frage nach subventionierter Preisbremse oder Einmalzahlungen an die Verbraucher. Zahlreiche Volkswirte bevorzugen in der Regel Einmalzahlungen gegenüber einem (strom- und gas-)preisdämpfenden Markteingriff, da aus ordnungspolitischer Sicht die unerwünschten Verzerrungseffekte geringer ausfallen. Die Sparanreize blieben besser erhalten. Allerdings spricht für den Markteingriff, dass sich so die Inflationsrate beeinflussen lässt und damit der aus Sicht der Geldpolitik bestehenden Gefahr der Entankerung von Inflationserwartungen entgegengewirkt wird. Diese Interdependenzen sollten bei der Ausgestaltung des Entlastungspakets berücksichtigt werden, wenn die Fiskalpolitik schon die Geldpolitik konterkarieren muss.

Statt die politischen Maßnahmen international wie national zwischen den jeweiligen Akteuren zu koordinieren, handelt aber jede Institution bzw. Regierung für sich. Die Verwerfungen in Großbritannien haben dabei deutlich vorgemacht, wie es aus Marktsicht nicht geht! Blickt man über den nationalen Tellerrand hin­aus, ist es wahrscheinlich, dass sich die internationalen geldpolitischen Maßnahmen gegenseitig verstärken und die jeweiligen Notenbanken den Effekt der Zinsanhebungen unterschätzen. Noch nie wurde die globale Geldpolitik in so kurzer Zeit so stark gestrafft! Und noch ist das Ende nicht erreicht. Es ist fast schon sicher, dass die Geldpolitik zu stark an der Zinsschraube dreht und letztlich prozyklisch die Rezession verschärft. Die fiskalischen Maßnahmen werden dabei nicht verhindern, dass die Wirtschaft, insbesondere in der Eurozone, in die Rezession abgleitet. Ein tiefer und einige Quartale anhaltender Einbruch wird durch die hohe geopolitische Unsicherheit, die gestiegenen Finanzierungskosten und die bereits erfolgten Preisanstiege bei Energie und anderen Produkten somit immer wahrscheinlicher.

Optimisten haben an den Kapitalmärkten daher derzeit wahrlich schwere Zeiten. Eine hohe Kassenhaltung bleibt aus Portfoliosicht der sichere Hafen. Dabei gilt die triviale Aussage der letzten Monate auch weiterhin: Erst mit einer klaren Trendwende der Inflationsraten und damit der Aussicht auf den bevorstehenden Zinsgipfel der Notenbanken werden die Kapitalmärkte in ruhigeres Fahrwasser zurückfinden. Bis dahin bleibt es bei dem bekannten Muster, dass einzelne Tage mit steigenden Kursen keine Trendwende hin zum Besseren einläuten.

Umgekehrt gilt für Optimisten, sich an die vorhandenen Strohhalme zu klammern. So ist die Stimmung der Anleger weiterhin sehr negativ, und die Inflationsraten haben aktuell wohl ihren Hochpunkt erreicht, wozu die Entlastungspakete der Regierungen beitragen könnten. Zudem verringert sich mit steigenden Gasspeicherständen und milden Temperaturen das Risiko, dass noch extremere wirtschaftliche Szenarien eingepreist werden müssten. Hinzu kommen die solide Kapitalisierung der europäischen Banken, die ordentliche Bilanzqualität und die Hoffnung, dass die Sorgen um die Credit Suisse auf idiosynkratische Schwächen zurückzuführen bleiben.

Attraktive Verzinsungen

Insbesondere bei Unternehmensanleihen schwächerer Bonität und im Nachrangbereich des Finanzsektors sind die derzeitigen Verzinsungsniveaus außerhalb von extremen Zukunftsszenarien attraktiv. Zweistellige Renditen bei AT1-Anleihen oder im High-Yield-Single-B-Bereich bieten für eine „normale“ Rezession jedenfalls einen mehr als ausreichenden Puffer – die BayernInvest hat ihre Empfehlung für High Yield und Nachränge zuletzt auf Übergewichten angehoben.