Turbulenzen am Hypothekenmarkt
Von Alex Wehnert, New York
Die Verwerfungen im US-Bankensektor wirbeln auch den Hypothekenmarkt durcheinander. Der Credit- und Options-adjustierte Spread von Mortgage Backed Securities (MBS) aus dem Hochzinsbereich hat laut dem Analysedienstleister Andrew Davidson & Co. zuletzt, bereits von erhöhten Niveaus ausgehend, kräftig angezogen – es werden also deutliche Renditeaufschläge gegenüber US-Staatsanleihen fällig. Die Risikoprämie auf einen ebenfalls vielbeachteten Bloomberg-Index erreichte in der vergangenen Woche den höchsten Stand seit Oktober.
Für Verunsicherung sorgt dabei insbesondere der Blick in die Portfolios von US-Finanzinstituten. Die kollabierte Silicon Valley Bank (SVB) hielt Ende des vergangenen Jahres insgesamt fast 78 Mrd. Dollar an sogenannten Agency MBS – also hypothekenbesicherten Wertpapieren, die von der staatlichen Ginnie Mae sowie den staatlich geförderten Banken Fannie Mae und Freddie Mac begeben werden.
Alarmierte Kunden
Der Großteil davon entfiel auf sogenannte Held-to-Maturity-Assets, also Positionen, die eigentlich bis zur Fälligkeit gehalten werden sollten. Allerdings war die Silicon Valley Bank nach einem Einlageschwund gezwungen, auch solche Wertpapiere unter hohen Verlusten abzustoßen, was die Einlagekunden zusätzlich alarmierte und einen beschleunigten Bank Run zur Folge hatte.
Seit das kalifornische Geldhaus Ende der vorvergangenen Woche in Zwangsverwaltung durch den staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC geriet, erwarten Investoren, dass die verbleibenden Agency MBS über die kommenden Monate abverkauft werden. Das zusätzliche in den Markt fließende Angebot, so die Befürchtung, werde für weiteren Kursdruck sorgen. Hinzu kommt, dass die kurz nach dem SVB-Zusammenbruch ebenfalls kollabierte Signature Bank Ende des vergangenen Jahres hypothekenbesicherte Wertpapiere im Volumen von weiteren knapp 20 Mrd. Dollar hielt.
Sorge vor Ausbreitung
Zwar nehmen sich die Volumina in den Portfolios der beiden spezialisierten Lender im Vergleich zur Gesamtgröße des rund 8 Bill. Dollar schweren Marktes für Agency MBS gering aus. Doch geht unter Investoren die Sorge um, dass weitere US-Geldhäuser zusammenbrechen könnten. Dies zeigt sich am Aktienkurs der First Republic Bank, der trotz einer 30 Mrd. Dollar umfassenden Rettungsaktion von Großbanken wie J.P. Morgan und Bank of America zum Wochenstart auf ein Rekordtief abstürzte und sich weiterhin extrem volatil entwickelt.
Auch die Portfolios von Adressen aus dem oberen Mittelfeld der US-Finanzinstitute geraten verstärkt in den Fokus. U.S. Bancorp hielt Ende 2022 Agency MBS im Volumen von fast 115 Mrd. Dollar, der Broker Charles Schwab kam gar auf fast 237 Mrd. Dollar. Zwar haben die Dienstleister im Verlauf der Krise ihre robuste Kapitalisierung betont, ihre Aktienkurse sind aber ebenfalls unter Druck geraten. U.S. Bancorp verloren zwischen Monatsbeginn und Dienstagabend 22% an Wert, bei Charles Schwab waren es 25%.
Die Turbulenzen im Bankensystem treffen den Hypothekenmarkt zudem zu einem Zeitpunkt, zu dem er durch die restriktive Geldpolitik der Federal Reserve ohnehin geschwächt ist. Im November kletterte der von Freddie Mac publizierte durchschnittliche Zinssatz auf 30-jährige Festhypotheken erstmals seit mehr als 20 Jahren über die Marke von 7% – Mitte der vergangenen Woche lag er mit 6,6% weiterhin klar oberhalb der Niveaus, die während der Subprime-Krise zwischen 2007 und 2010 gesehen wurden.
Die US-Notenbank nahm steigende Zinsen auf Festhypotheken im Zuge ihres Straffungskurses laut Analysten in Kauf, da dies aus Sicht der Währungshüter entscheidend zu einer Dämpfung der Inflation beitragen könne. Damit wurde der Hauskauf für Amerikaner wesentlich weniger erschwinglich, auch Verkäufer wurden aus dem Markt gedrängt.
Hoffnung auf Kursschwenk
Allerdings rufen die Turbulenzen im Bankensektor auch Hoffnungen hervor, die Fed könne ihren geldpolitischen Kurs über die kommenden Monate entspannen, um die Liquiditätsknappheit im Markt nicht noch zu verschärfen. Bereits in den ersten Jahreswochen hatte die zwischenzeitliche Aussicht auf weniger harte Zinserhöhungen die Hypothekenzinsen zurückgehen lassen.
Zudem erwarten Analysten, dass die nach den jüngsten Verwerfungen beschlossenen regulatorischen Maßnahmen, darunter ein Notfallkreditprogramm der Fed, großvolumige Verkäufe von Agency MBS verhindern werden. Einige Assetmanager nutzten die gesunkenen Kursniveaus der Wertpapiere zuletzt sogar für Nachkäufe. Doch gehen Marktteilnehmer davon aus, dass eine Fortsetzung des Chaos im US-Finanzsektor das MBS-Segment noch kräftig durchrütteln dürfte.