Warum Biodiversität für Anleger interessant ist
In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Wohlstand der Menschheit stärker verbessert als in allen vorherigen Jahrhunderten zusammen. Wir haben mehr Straßen, Gebäude und Maschinen gebaut als je zuvor. Mehr Menschen leben länger und gesünder, und der Zugang zu Bildung war noch nie so gut. Das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP ist seit 1820 um das 15-Fache gestiegen.
Dieser Fortschritt hat jedoch einen hohen Preis. Während die Menschheit gedeiht, hat die Natur gelitten. Der Mensch bringt Tier- und Pflanzenarten zum Aussterben und zerstört ihre Lebensräume, um eine ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren. Und seit einigen Jahrzehnten verbrauchen sie mehr natürliche Ressourcen, als die Erde in einem Zeitraum von zwölf Monaten wieder auffüllen kann, und zehren damit von dem, was für künftige Generationen zur Verfügung steht.
Um dieser nicht nachhaltigen Beziehung ein Ende zu setzen, ist ein tieferes Verständnis der Auswirkungen der Biosphäre auf das menschliche Wohlergehen und ihres Beitrags zum Wirtschaftswachstum erforderlich. Politische Entscheidungsträger betrachten den Schutz der biologischen Vielfalt inzwischen als ebenso dringliche Priorität wie die Eindämmung der globalen Erwärmung.
Auch die Finanzindustrie muss eine aktivere Rolle spielen. Als Verwalter des globalen Kapitals ist sie in einer einzigartigen Position, um zum Aufbau einer Wirtschaft beizutragen, die mit und nicht gegen die Natur arbeitet. Es ist erwähnenswert, dass die Finanzindustrie durch die Weiterleitung von Investitionen an Unternehmen, die fortschrittliche Umwelttechnologien und -dienstleistungen entwickeln, dazu beigetragen hat, die Effizienz in allen Bereichen – von der Energienutzung über die Landwirtschaft bis hin zu Handel und Verkehr – zu verbessern.
Dank der Entwicklung von Agrartechnologien kann zum Beispiel weltweit auf einer bestimmten Fläche fast dreimal so viel Getreide produziert werden wie 1961. Die durchschnittlichen Getreideerträge sind schneller gewachsen als die Bevölkerung. Der Großteil der Investitionen fließt jedoch in etablierte Wirtschaftszweige, die der Umwelt und der Gesellschaft schaden.
Finanzindustrie entscheidend
Die Finanzindustrie muss daher ihren Beitrag zu den globalen Bemühungen leisten, die Schäden zu verringern und gleichzeitig die Erholung der Natur zu fördern. Die Finanzindustrie – Banken, Vermögensverwalter und Vermögenseigentümer – hat die Bedrohung des Wohlstands und des Wachstums durch den Verlust der biologischen Vielfalt zu lange ignoriert. Sie muss nun endlich die entscheidende Rolle anerkennen, die sie bei der Wiederherstellung der Biosphäre und der Schaffung einer nachhaltigeren Wirtschaft spielen muss.
Biodiversität ist der neue Klimawandel, und es wird erwartet, dass die politischen Entscheidungsträger, die im Dezember am UN-Gipfel für biologische Vielfalt (COP-15) teilnehmen, ein bahnbrechendes Abkommen zum Schutz der Natur besiegeln werden. Dieses neue globale Abkommen im Stil von Paris soll die Bemühungen zur Bewältigung der Krise der biologischen Vielfalt beschleunigen und die Finanzströme und Investitionsportfolios an naturfreundlichen Zielen ausrichten.
Da die biologische Vielfalt mit dem Klimawandel als drängendstem Umweltproblem konkurriert, werden die Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträger wahrscheinlich mehr Steuern, Genehmigungen und Kompensationen im Zusammenhang mit der biologischen Vielfalt einführen und das Naturkapital in nationale Wirtschaftsstatistiken wie das Bruttoinlandsprodukt einbeziehen. Durch das Verständnis der verschiedenen Bedrohungen, die der Verlust der biologischen Vielfalt für Unternehmen darstellt, können Investoren beginnen, solche Risiken richtig zu bewerten, Lücken im derzeitigen ESG-Rahmen zu identifizieren und neue Wege für Investitionen in Naturkapital zu finden.
Selbst wenn Unternehmen und Investoren ihr Verständnis dafür verbessern, wie der Verlust der biologischen Vielfalt sie beeinflusst und wie sie davon betroffen sind, werden diese Bemühungen ohne eine begleitende Revolution des biodiversitätsbezogenen Kapitals ins Leere laufen.
Zunehmende Investitionen
In der Vergangenheit konzentrierte sich die Finanzierung der biologischen Vielfalt eher auf die Beschaffung von Geld für Naturschutzmaßnahmen. In jüngster Zeit ist jedoch ein stetiger Anstieg von Investitionen in die biologische Vielfalt und in Naturkapital zu verzeichnen, einschließlich Wertpapieren, die ausdrücklich darauf abzielen, den Verlust der biologischen Vielfalt zu minimieren und das Potenzial für langfristiges Kapitalwachstum zu nutzen.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Fonds aufgelegt, die in die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und in Ökosystemdienstleistungen investieren; neun von elf dieser Fonds sind seit 2020 aufgelegt worden. Das verwaltete Vermögen in dieser Gruppe hat sich von 525 Mill. Dollar zu Beginn des Jahrzehnts auf 1,3 Mrd. Dollar mehr als verdoppelt. Damit wird Biodiversitätserhaltung schrittweise zu einem neuen Anlagetrend.
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