G7-Vorschläge

Wie Steuerreformen auf Schwellenländerdevisen wirken

Es bedarf internationaler Koordination, um bei der Unternehmensbesteuerung mehr Spielräume zu schaffen. Die G7 haben dazu Vorschläge gemacht, die sich auf den Devisenmarkt auswirken dürften.

Wie Steuerreformen auf Schwellenländerdevisen wirken

Von Ulrich Leuchtmann*)

Steuerliche Gestaltungsspielräume bei der Festsetzung interner Verrechnungspreise ermöglichen Unternehmen eine internationale Steueroptimierung, die immer weniger gesellschaftliche und politische Akzeptanz findet und gegen die auch immer mehr ökonomische Argumente vorgebracht werden. Allerdings fällt es der Politik weltweit schwer, etwas am Status quo zu ändern. Solange Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen zu verlagern, empfinden Finanzminister die Situation als „race to the bottom“, sehen also nur geringe Gestaltungsspielräume bei der Festsetzung eigener Unternehmenssteuersätze. Durchbrechen lässt sich dieses „race“ nur mit weitreichender internationaler Koordination. Mit dem Wandel der politischen Landschaft in den USA ist das Feld dafür bereitet. Das Resultat war in den Beschlüssen der G7-Finanzminister am Freitag und des G7-Gipfels am Wochenende sichtbar: Die G7 streben einen Mindeststeuersatz von 15% an. Zwar können Länder den unterschreiten, doch würden dann die so gesparten Steuern in anderen Ländern fällig.

Freilich ist noch längst nicht klar, ob diese Ideen umgesetzt werden können. Innerhalb der G20 werden sie auf höheren Widerstand treffen als im G7-Rahmen. Die Details, die die G7 undefiniert gelassen haben, werden darüber entscheiden, ob es zu einer effektiven Änderung der Situation kommt oder nicht. Aber zumindest besteht die Möglichkeit.

Lockruf für Investitionen

Warum ist das ein Thema für den Devisenmarkt? Internationale Un­ternehmensbesteuerung ist einer der Faktoren, die internationale Kapitalströme beeinflussen. Und damit auch die Wechselkurse. Volkswirtschaften, die aufgrund ihres Rechtssystems, ihrer Infrastruktur, der Entlohnung oder des Bildungsniveaus ihrer Arbeitskräfte einen Standortnachteil aufweisen, konnten bislang mit Mitteln der Steuerpolitik dennoch ausländische Direktinvestitionen anlocken. So waren die niedrigen durchschnittlichen Unternehmenssteuersätze z. B. in Ungarn (9%, alle Zahlen: Tax Foundation, 2020), ein wesentliches Instrument, sonstige Standortnachteile auszugleichen.

Würde die Regelung, die die G7 nun vorschlagen, umgesetzt, würde den Staaten dieses Politikinstrument beschnitten. Denn sie hätten nichts mehr davon, Unternehmensgewinne mit weniger als 15% zu besteuern. Da die Unternehmen an anderen Orten ihre Steuerlast entsprechend erhöhen würden, würden sie niedrige Unternehmenssteuersätze nicht mehr als Standortvorteil empfinden. Das Ergebnis ist klar: Wollen Staaten, die bislang mit Steuervorteilen locken, weiterhin internationale Investoren anziehen, müssen sie neue Wege finden. Stärkung des Rechtssystems, bessere Infrastruktur, ein besser ausgebildetes Arbeitskräftepotenzial kosten Geld, Zeit und politisches Kapital. Einfacher ist ein anderer Weg: Verbilligung der heimischen Produktion durch Abwertung der eigenen Währung.

Man könnte vermuten, dass insbesondere Schwellenländer und ihre Währungen zu den Verlierern zählen würden, wenn die G7-Vorschläge umgesetzt würden. Weil ihnen ein Mittel entzogen würde, strukturelle Standortnachteile auszugleichen. Dem ist aber nicht so. Neuere Studien zeigen, dass auch Schwellenländer (selbst Ungarn) netto Unternehmenssteuereinkommen an Steueroasen verlieren (Torslov et al., „The Missing Profits of Nations“, NBER Working Paper 24701). Warum ist das so?

Eingeschränkter Nutzen

Jene Direktinvestitionen, die von niedrigen Unternehmenssteuersätzen angezogen werden, bringen volkswirtschaftlich nicht viel. Unternehmen nutzen Steueroasen vor allem, um immaterielle Güter zu parken. Das Beispiel eines US-Internetkonzerns­, dessen Tochtergesellschaft auf den Bermudas lange die Marken- und Patentrechte des Konzerns besaß (und dadurch steuerfreie Gewinne generierte und die Gewinne der Konzerntöchter in anderen Ländern reduzierte), ist dafür das beste Beispiel. Diese „Direktinvestition“ brachte der Volkswirtschaft der Bermudas nichts. Für das Saldo der Kapitalverkehrsbilanz und damit für die Währung einer Steueroase sind solche Papiertransaktionen irrelevant. Ein anderer Weg der Steuervermeidung ist die Platzierung von Finanzierungsgesellschaften in Niedrigsteuerländern. Über die Verrechnung konzerninterner Finanzierungskosten können Konzerngewinne dorthin verschoben werden. Doch auch hier gilt: Eine Finanzierungsgesellschaft beschäftigt nicht viele Personen, benötigt nicht viele heimische Vorleistungen. Das mag ein attraktives Modell für Regionen wie den Großraum Dublin sein, ist aber kein nachhaltiges Modell für größere Volkswirtschaften.

In der Tat haben insbesondere Schwellenländer relativ hohe Unternehmenssteuersätze. Vor allem, weil die Steuererhebung auf Unternehmensebene praktikabler ist als die Erhebung von Einkommensteuern. So betrug der (BIP-gewichtete) durchschnittliche Unternehmenssteuersatz in Afrika im vergangenen Jahr 28,2%, in Südamerika sogar 31,8%. In der Tat würden daher die allermeisten Schwellenländer davon profitieren, dass Unternehmen ihre Steuerlast in geringerem Umfang auf Steueroasen umleiten können. Ein genereller Schaden für ihre Währungen wäre bei Umsetzung der G7-Vorschläge nicht zu erwarten.

Es gibt aus einigen Schwellenländern Widerstand gegen die G7-Vorschläge. Dieser richtet sich aber vornehmlich gegen andere Bestandteile. Die G7 haben zusätzlich zum Mindeststeuersatz vorgeschlagen, ein komplexes System zu errichten, um Steuerpflichten für hohe Gewinne basierend auf Umsätzen zu errichten. Das würde europäische Länder bevorzugen. Afrikanische Staaten hätten davon wenig. Doch darf diese Kritik nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schwellenländer vom Austrocknen von Steueroasen profitieren und ihre Währungen nicht leiden dürften.

*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.