„Wir sehen in Krypto viel Potenzial“
Alex Wehnert.
Herr Rozemuller, Herr Lee, die Kryptowelt macht eine Phase enormer Volatilität durch – schuld daran ist unter anderem Elon Musk. Wie bewerten Sie seine Kritik am hohen Stromverbrauch des Bitcoin-Minings?
Lee: Das Verhältnis zwischen Elon Musk und dem Kryptomarkt ist kompliziert. Einerseits hat das Engagement von Tesla Bitcoin viel Aufmerksamkeit gebracht und als Anlagemöglichkeit für institutionelle Investoren viel Legitimität verliehen. Andererseits sind Musks Launen auch gefährlich, wie kontroverse Äußerungen aus der Vergangenheit zeigen – zum Beispiel als er laut darüber nachdachte, Tesla von der Börse zu nehmen. Seine jüngsten Einlassungen zum Stromverbrauch des Bitcoin-Minings offenbaren vor allem, dass er das Krypto-Ökosystem wohl nicht vollständig verstanden hat.
Inwiefern?
Lee: Weltweit nutzen 76% der Miner erneuerbare Energien. Es gibt zahlreiche Unternehmen und Marktteilnehmer, die daran arbeiten, die bestehenden ESG-Probleme zu lösen. Dadurch, dass er einen Rückzieher gemacht hat, erreicht Musk in Bezug auf Nachhaltigkeit hingegen wenig. Denn um das Bitcoin-Netzwerk effizienter zu machen, muss man erst einmal Energie investieren. Wer Kryptowährungen ohnehin als überflüssig erachtet, wird natürlich jede noch so kleine dafür aufgewendete Einheit an Strom für verschwendet halten – das ist in Bezug auf andere Assetklassen aber nicht anders.
Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für Van Eck als Anbieter von Produkten wie Krypto-ETPs oder dem Anfang Mai gestarteten Van Eck Vectors Digital Assets ETF, über den Investoren ja durchaus eine Exposition gegenüber Bitcoin-Mining erwerben?
Lee: Wir sehen in Kryptowährungen und den dahinterstehenden Technologien unabhängig von der aktuellen Diskussion viel Potenzial und breite Anwendungschancen in der Realwirtschaft. Für uns als Produktanbieter kommt es nun darauf an, an der Bildung der Marktteilnehmer in Bezug auf Cyberdevisen und Blockchain mitzuarbeiten, zum Beispiel über Webinare zu diesem Thema. Denn natürlich ist es schwierig, sich selbstständig über eine so junge Assetklasse und Technologie zu informieren, weil man dafür ständig am Ball bleiben muss und zugleich nur spärliche Daten zur Verfügung hat. In zehn bis 15 Jahren dürfte Research zum Kryptomarkt aber eine Standardpraxis werden, dann wird es wohl ähnlich viel Analysematerial dazu geben wie zum Beispiel zur Halbleiterbranche.
Welche Investorengruppen wollen Sie denn mit Produkten wie dem Digital Assets ETF hauptsächlich erreichen?
Rozemuller: Einerseits wollen wir Investoren ansprechen, die bereits gut über Kryptowährungen und Distributed-Ledger-Technologien informiert sind und regulierte Investmentvehikel suchen. Andererseits sollen Cyberdevisen und Blockchain auch für konservativ eingestellte Investoren zugänglich werden. Für institutionelle Investoren bietet ein ETF als reguliertes Produkt zudem eine sichere Möglichkeit, Exposition zum Segment aufzubauen. Egal für welche Anlegergruppe gilt aber: Krypto-Investments sollten lediglich einen Teil eines diversifizierten Portfolios darstellen, 3 bis 5% wären aus unserer Sicht ideal.
In welchen realwirtschaftlichen Anwendungsbereichen kryptobasierter Technologien sehen Sie denn die größten Chancen?
Lee: Ein Feld, auf dem für Distributed-Ledger-Technologien viel Potenzial besteht, ist das Lieferkettenmanagement. Denn dezentrale Buchführung kann die Nachverfolgung von Waren auf globaler Ebene erheblich erleichtern und so für mehr Sicherheit und Kosteneinsparungen sorgen. Zudem ist Decentralised Finance aktuell ein heißes Thema. Durch DeFi werden zahlreiche Finanzintermediäre, die für ihre Leistungen Gebühren beziehen, überflüssig. Stattdessen entsteht eine sichere und transparente Finanzinfrastruktur, die von den Nutzern selbst geführt wird. In der Folge entstehen Gelegenheiten für Investoren, die im regulären Finanzökosystem bisher nicht vorhanden sind.
Zum Beispiel?
Lee: In den vergangenen Monaten hat sich der Trend entwickelt, dass Anleger ihre Stablecoins und Bitcoin-Einheiten verleihen und anderen Marktteilnehmern damit ihre Trading-Aktivitäten ermöglichen. Im Gegenzug fahren sie Zinsen auf ihre Leihgaben ein. Die Rate hängt dabei davon ab, wie viele Transaktionen in der Folge abgeschlossen werden, und beläuft sich in einigen Fällen auf 10%. Das sind Renditen, die Anleger am Bondmarkt schon lange nicht mehr finden. Perspektivisch sind dabei Unternehmen interessant, die diese direkte Vernetzung der Investoren ermöglichen.
Wo bestehen in Bezug auf Digital Assets die größeren Anlagegelegenheiten: In den USA und Europa?
Rozemuller: Es gibt bisher einfach eine deutlich größere Zahl börsennotierter US-amerikanischer Unternehmen im Krypto-Segment, weshalb diese auch in unserem ETF am stärksten repräsentiert sind. Das zieht sich aber durch den gesamten Finanzmarkt: Firmen aus den Vereinigten Staaten wählen eben generell häufiger den Schritt an die Börse. Daraus zu schließen, dass es in den USA mehr unternehmerische Aktivität in Bezug auf Digital Assets gibt als in Europa, wäre aber verfehlt – zumal die Regulierung von Digital Assets in der Schweiz und Liechtenstein, aber auch in einem EU-Staat wie Deutschland zuletzt große Fortschritte gemacht hat.
Welche Entwicklung erwarten Sie mittelfristigen Bezug auf die Sektorgewichtung in Ihrem ETF?
Lee: Das Schöne an einem Passivfonds ist aber, dass wir als Produktanbieter keine rigiden Entscheidungen darüber treffen, welche Werte wir auf welche Weise allokieren. Wenn sich bestimmte Titel besonders gut entwickeln, wird sich die Gewichtung beim vierteljährlichen Rebalancing automatisch in ihre Richtung verschieben. Außerdem kommen ja neue Werte hinzu – grundsätzlich ist jedes Pure Play aus dem Digital-Assets-Bereich für unseren ETF geeignet.
Allerdings sind mit Paypal, Square und Nvidia einige der größten Positionen im ETF keine Pure Plays.
Lee: Das liegt daran, dass wir früh genug mit dem Index starten und zugleich unsere eigenen Diversifikationskriterien einhalten wollten. Nun werden wir diese Werte graduell aus dem Index entfernen und durch Pure Plays zu ersetzen. Dafür, dass in ausreichender Geschwindigkeit neue Werte nachkommen können, hat unser Indexprovider MVIS gesorgt. Wer an die Börse geht und die erste Handelswoche mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Mrd. Dollar abschließt, kann schon am Ende der darauffolgenden Handelswoche im Index vertreten sein. Das hat beispielsweise nach dem Direktlisting von Coinbase Mitte April hervorragend funktioniert.
Das Interview führte