Volatilitäts-Check

Yellen, die Zinsen und der Aktienmarkt

Der April war am Aktienmarkt an Ruhe kaum zu überbieten. Den kompletten Monat über schwankte der Dax innerhalb einer Bandbreite von weniger als 500 Punkten – zwischen 15032 Punkten auf der Unter- und 15501 Punkten auf der Oberseite. Doch mit dem...

Yellen, die Zinsen und der Aktienmarkt

Der April war am Aktienmarkt an Ruhe kaum zu überbieten. Den kompletten Monat über schwankte der Dax innerhalb einer Bandbreite von weniger als 500 Punkten – zwischen 15032 Punkten auf der Unter- und 15501 Punkten auf der Oberseite. Doch mit dem Monatswechsel war es mit dieser Ruhe vorbei. Der von Anlegern als turbulenter Börsenmonat gefürchtete Mai machte seinem Ruf sofort alle Ehre. Die Aussage von US-Finanzministerin Janet Yellen, dass höhere Zinsen nötig sein könnten, um ein Überhitzen der US-Wirtschaft zu vermeiden, riss die Börsen aus ihrer Lethargie. Schlagartig verließ der Dax seine Handelsspanne und fiel bis auf 14845 Punkte.

Doch warum haben die Aktienmärkte so verschreckt auf Yellens Aussage reagiert? Mit einem Zinsanstieg von bis zu 1,27% auf maximal 1,77% für zehnjährige US-Staatsanleihen haben die Börsen erste Straffungen der Geldpolitik bereits eingepreist. Und dass die Niedrigzinsphase endlich ist, hat spätestens die letzte Verschiebung der Dots, der Zinsprognosen der Fed-Mitglieder, untermauert. Immerhin können sich vier Mitglieder aus diesem 18er Kreis bereits im kommenden Jahr eine erste Zinserhöhung vorstellen, acht im Jahr 2023. Beziehen wir jetzt noch ein, dass die Fed vor dem ersten Zinsschritt ihre Anleihekäufe auslaufen lassen und dies wiederum einige Zeit vorher ankündigen will, dann ist die Änderung der Geldpolitik ohnehin nicht mehr so fern. Die Diskussion über den Zeitpunkt hat Yellen jetzt zusätzlich angeheizt. Die Fed arbeitet zwar zu 100% unabhängig von der Regierung, der Yellen als Finanzministerin angehört. Als ehemalige Notenbankchefin hat sie jedoch Einblicke in die Fed wie sonst kaum jemand.

Die Fed achtet bei der Bestimmung ihrer Geldpolitik vor allem auf zwei Elemente: die Inflation und die Beschäftigung. Die Teuerung ist zuletzt zwar auf 2,6% geklettert, im Durchschnitt der vergangenen zwei, fünf und zehn Jahre liegt sie jedoch weiterhin unter der Marke von 2%. Die Arbeitslosenquote ist zwar rückläufig, liegt mit 6% aber noch immer signifikant über dem Vor-Pandemie-Tief bei 3,5%. Von diesen Indikatoren geht für die Fed aktuell damit noch kein Druck aus, die Geldpolitik vorzeitig zu verändern.

Sollten sich diese beiden Indikatoren schneller und stärker als antizipiert verändern, dann könnte größeres Ungemach drohen. Auf ein allzu kurzfristiges und allzu schnelles Ende der Liquiditätsschwemme sind die Börsen bisher nicht vorbereitet. Dann wäre der Yellen-Sell-off nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.

Höhere Zinsen gelten gleich in mehrfacher Hinsicht als Gift für den Aktienmarkt. Zum einen steigen die Finanzierungskosten der Unternehmen. Zum anderen wäre mit attraktiveren Anleihen die Zeit der Alternativlosigkeit der Aktie endgültig vorbei.

In der Eurozone sind wir noch lange nicht an dem Punkt, an dem über Straffungen der Geldpolitik diskutiert wird. Im Gegenteil, hier hat die EZB gerade erst die wöchentlichen Kaufvolumina ihres Pandemie-Programms erhöht. Zuletzt war das Tempo so hoch wie seit zehn Monaten nicht mehr. Damit will die EZB einen weiteren Anstieg von Zinsen und Spreads bremsen. Die deutlich langsamere wirtschaftliche Erholung im Vergleich zu den USA hat hierzulande auch den bisherigen Zinsanstieg geringer ausfallen lassen. In der Spitze ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zwischen November und Mai um 0,50% angestiegen und lag mit –0,16% nur noch knapp unter der Nulllinie. Bei 30-jährigen Bundesanleihen kletterten die Renditen bis auf 0,39%, den höchsten Stand seit Juli 2019. Gleichzeitig steigen die Renditeaufschläge der bonitätsschwächeren Euro-Staaten wieder etwas an. Im Falle von Griechenland nähert sich die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen der Marke von 1%, bei Portugal ist der Renditespread so hoch wie seit November 2020 nicht mehr.

Bereits auf dem aktuellen Niveau vermag diese Entwicklung die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone auszubremsen. Daher stellt sich die EZB massiv gegen weitere Anstiege. Deutschland plant für 2021 Neuemissionen von Bundeswertpapieren in Höhe von insgesamt 463 Mrd. Euro. Der bisherige Zinsanstieg führt hier bereits zu Mehrkosten von 1,3 Mrd. Euro pro Jahr beziehungsweise 8,9 Mrd. Euro über die Laufzeit der Anleihen. Damit wird die Finanzierung der beschlossenen Covid-19-Konjunkturpakete teurer als ursprünglich budgetiert.

Auf eine schnelle Rückkehr zu einem ruhigen Rentenmarkt sollten die Anleger trotz der verstärkten EZB-Aktivität nicht hoffen. Die erwarteten Volatilitäten des Bund-Future für die kommenden sechs, zwölf und 24 Monate haben gerade erst neue Jahreshochs erreicht.

Auch am Aktienmarkt dürfte es wieder turbulenter werden. Nachdem die Volatilitätsstrukturkurve des Dax im vergangenen Jahr über weite Strecken invers war, ist jetzt wieder eine positive Steilheit zu beobachten. Letztes Jahr lautete das Motto noch: Nach den aktuellen Turbulenzen wird es ruhiger. Jetzt heißt es: Nach der aktuellen Ruhe wird es turbulenter. Ein Auslöser dafür könnte das Ende der ultralockeren Geldpolitik sein.

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