Zukunft von WWE steht auf der Kippe
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Die Zukunft des Showkampf-Giganten World Wrestling Entertainment (WWE) steht auf der Kippe. Nachdem der über Jahrzehnte als Alleinherrscher agierende Vorstandschef Vince McMahon die Kontrolle über sein Imperium im Sommer nach einem Schweigegeldskandal abgeben musste, steht der Ex-Chairman und -CEO nun offenbar vor einem spektakulären Comeback. Der Milliardär kontrolliert über die B-Aktie noch immer den Großteil der stimmberechtigten WWE-Anteile – am Donnerstag teilte er dem Unternehmen nach eigenen Angaben mit, dass er sich und zwei seiner Vertrauten zurück in den Verwaltungsrat wählen werde. Im Gegenzug müssten drei aktuelle Mitglieder ihre Posten räumen.
Verkauf angestrebt
Die an der New York Stock Exchange gelistete A-Aktie des Wrestling-Marktführers zog auf die Nachricht hin im nachbörslichen Handel um 12% an. Dies dürfte laut Analysten vor allem auf Berichte zurückzuführen sein, gemäß denen McMahon Pläne zum Verkauf des Unternehmens vorantreiben wolle – und weniger auf die Beliebtheit des ehemaligen Chefs bei den Aktionären.
Der inzwischen 77-jährige McMahon galt einst als Visionär, der das von seinem Vater gegründete Unternehmen Anfang der 1980er Jahre übernahm, vom vorwiegend regionalen Wrestling-Veranstalter zum globalen Medienkonzern entwickelte und im Zuge einer Boomperiode 1999 an die Börse brachte.
Unter seiner Führung erzielte WWE 2021 einen Rekordumsatz von 1,1 Mrd. Dollar. Auch in den ersten beiden Quartalen 2022, in denen McMahon noch am Ruder stand, vermeldete das Unternehmen jeweils kräftige Erlössteigerungen und hob die Prognose für das operative Ergebnis vor Abschreibungen und sonstigen Finanzierungsaufwendungen im Gesamtjahr an.
Bereits in den Jahren vor seinem Abschied häuften sich aber Beschwerden von Fans und Investoren, der Vorstandschef habe den Bezug zu seinem Produkt und der modernen Popkultur verloren. Beim Professional Wrestling handelt es sich schließlich um eine Form des Theaters, bei der die Akteure inszenierte Kämpfe darbieten – ähnlich wie in Fernsehserien und Filmen geht es darum, das Publikum durch möglichst spannende Geschichten rund um das Spektakel im Ring zu binden. Als erratisch eingestufte Story-Entscheidungen McMahons sowie die zunehmende Popularität der „echten“ Kampfsportliga UFC bescherten WWE zeitweise einen massiven Zuschauerschwund.
Härterer Wettbewerb
Hinzu kommt, dass auch der Wettbewerb innerhalb des Wrestling-Markts gestiegen ist. Dominierte WWE das Segment seit der Jahrtausendwende, trat mit All Elite Wrestling (AEW) 2019 ein ernstzunehmender US-Herausforderer auf den Plan. Hinter diesem stehen der Milliardär Shahid Khan und dessen Sohn Tony, die zuvor bereits mit Übernahmen des Football-Franchises Jacksonville Jaguars sowie des englischen Fußballclubs Fulham FC aufgefallen waren.
Seit McMahons unfreiwilligem Rücktritt hat sich die Lage für WWE aber eigentlich aufgehellt. Tochter Stephanie und die ehemalige Nummer 2 Nick Khan führen nun die Geschäfte, für die Inhalte der Shows ist Schwiegersohn Paul Levesque verantwortlich. Zwischen dem Abgang McMahons im Juli und dem Anfang Dezember erreichten 52-Wochen-Hoch von 81,63 Dollar legte die A-Aktie des Wrestling-Marktführers um über 23% zu. Doch McMahon wandte sich in der Folge in einem Brief an den Verwaltungsrat, in dem er seinen Wunsch zur Rückkehr ins Unternehmen ausdrückte. Die Aussicht auf ein Comeback des Ex-Chefs belastete den Kurs erheblich: Bis Jahresende 2022 radierten WWE ihre zwischenzeitlichen Gewinne fast vollständig aus.
Investoren fürchten in der Folge neben weiteren Faktoren vor allem Imageschäden für das Unternehmen aus Stamford, Connecticut. Schließlich dreht sich der Skandal, der den Ex-Konzernlenker seine Ämter kostete, um Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens. Gemäß Berichten des „Wall Street Journal“ soll der Milliardär seit 2006 insgesamt 12 Mill. Dollar an Schweigegeld gezahlt haben, um Übergriffe zu verschleiern. Die Zahlungen wurden McMahon persönlich zugerechnet, hätten laut WWE-Verwaltungsrat aber als Betriebsausgaben gebucht werden müssen.
Behörden ermitteln
Das Gremium teilte nach eigenen Ermittlungen mit, auch rechtliche Schritte gegen den Ex-CEO zu prüfen. Auch die Börsenaufsicht SEC und Strafverfolgungsbehörden ermitteln in der Angelegenheit. Seither haben sich indes weitere Frauen mit Forderungen an McMahon gewandt – darunter eine ehemalige Ringrichterin, die dem Milliardär Vergewaltigung vorwirft.
Was eine Rückkehr des Ex-Chefs für Tochter Stephanie und Schwiegersohn Levesque bedeuten würde, ist indes noch unklar. Seitdem Letzterer, unter dem Ringnamen „Triple H“ selbst über 20 Jahre lang als Wrestler für WWE aktiv, den Posten des Kreativchefs übernommen hat, finden die Inhalte der TV-Sendungen „Raw“ und „Smackdown“ beim Publikum wieder größeren Anklang. Die soliden Ratings der Shows sowie die „bemerkenswerten“ Zuschauerzahlen für Großveranstaltungen wie „Clash at the Castle“ unter seiner Führung bauten „die Reichweite der Marke noch aus“, kommentieren die Analysten des Research-Dienstes Zack‘s die Entwicklung.
Zudem habe WWE einen mehrjährigen Deal mit dem TV-Partner Foxtel geschlossen, um die Verbreitung in Australien zu erhöhen. In den USA sei das Unternehmen durch eine Kooperation mit dem Medienkonzern NBC Universal gut aufgestellt, um ein größeres Publikum zu erreichen und die Erlöse anzukurbeln.
Gefährliche Unruhe
Derzeit fällt die Analystenstimmung für die A-Aktie von WWE entsprechend positiver aus als vor McMahons Rücktritt. So geben 54,5% der Research-Teams, die den Titel regelmäßig beobachten, eine Kaufempfehlung ab – 36,4% votieren auf „Halten“, während 9,1% zum Verkauf raten. Doch weitere Unruhe um den Ex-Chef kann das Unternehmen eigentlich kaum gebrauchen, biegt es doch gerade auf die „Road to Wrestlemania“ ein – für WWE die wichtigste Zeit des Jahres, die Anfang April in einem aufwendig produzierten Live-Event gipfelt.
Der Wrestling-Marktführer dürfte sich dabei in eine gute Position für anstehende TV-Rechteverhandlungen bringen wollen – zumal die Ergebnisse der zwei jüngsten großen Fernsehdeal-Runden die Investoren enttäuschten, wie der New Yorker Analysedienst Cannonball Research betont.
Genau an dieser Stelle dürfte indes auch McMahon ansetzen. Denn der ehemalige CEO und Verwaltungsratschef sieht vor der Neuverhandlung der TV-Verträge für „Raw“ und „Smackdown“ laut Insidern ein enges Fenster zum Verkauf des Unternehmens. Demnach glaubt der Milliardär, dass sich mehr Medienunternehmen Eigentumsrechte an den Inhalten sichern wollten, die sie über ihre Streaming-Plattformen ausstrahlten. WWE sei dabei ein attraktives Übernahmeziel – bei Handelsschluss am Donnerstag belief sich der Börsenwert des Unternehmens auf etwas mehr als 5 Mrd. Dollar. Auf der „Road to Wrestlemenia“ steht WWE nun also am Scheideweg.