Geldpolitik

Briten droht bisher längste Rezession

Die Bank of England hat den Leitzins so stark erhöht wie zuletzt vor 33 Jahren. Dabei rechnen die Ökonomen der Notenbank mit der längsten Rezession seit Beginn der Erhebungen in den 1920er-Jahren.

Briten droht bisher längste Rezession

hip London

Die Bank of England hat die von ihrem Chefvolkswirt Huw Pill Ende September angekündigte „signifikante geldpolitische Antwort“ auf die expansive Fiskalpolitik der britischen Regierung geliefert. Wie dem Protokoll der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Komitees zu entnehmen ist, erhöhte sie den Leitzins um 75 Basispunkte auf 3,0%. Es war der größte Schritt nach oben seit Oktober 1989. So hoch war der Leitzins zuletzt vor 14 Jahren. „Wenn wir jetzt nicht mit Nachdruck handeln, würde es später schlimmer“, sagte Notenbankchef Andrew Bailey auf einer Pressekonferenz. Er gab zu, dass die acht Zinsschritte seit Dezember vergangenen Jahres „große Veränderungen“ mit sich bringen und „echte Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben“.

Angesichts der Tatsache, dass die britische Wirtschaft bereits ab­bremst, war es keine einstimmige Entscheidung. Während die unabhängigen Mitglieder Jonathan Haskel und Catherine Mann mit den Zentralbankvertretern dafür stimmten, hätte Swati Dhingra einen Schritt von 50 Basispunkten vorgezogen. Und Silvana Tenreyro hätten 25 Basispunkte gereicht. Die Mehrheit der Mitglieder des Komitees sei der Ansicht, „dass, sollte sich die Wirtschaft weitgehend im Einklang mit den Erwartungen im jüngsten Inflationsbericht entwickeln, weitere Erhöhungen des Leitzinses für eine nachhaltige Rückkehr zum Inflationsziel erforderlich sein könnten, allerdings auf einen niedrigeren Gipfel hin als von den Finanzmärkten eingepreist“, heißt es im Protokoll der Sitzung. Am Finanzmarkt wurde das als „dovish“ aufgenommen. Das Pfund verlor gegen den Dollar. „Künftige Schritte dürften kleiner ausfallen und stärker datenbasiert sein,“ lautete die Schlussfolgerung der bei der DWS für Großbritannien zuständigen Volkswirtin Katrin Löhken.

Quantitative Tightening

Allerdings begann die Bank of England bereits am Dienstag mit „Quantitative Tightening“ (QT) – dem Ab­verkauf des seit der Finanzkrise zusammengekauften Anleihenbergs. Sie veräußerte Staatsanleihen (Gilts) im Volumen von 750 Mill. Pfund. Die Notenbank sitzt auf einem Bestand von 838 Mrd. Pfund. Nachdem es nach Vorstellung des Wachstumsplans der Regierung von Liz Truss zu Turbulenzen am Gilt-Markt gekommen war, insbesondere bei Papieren mit Laufzeiten von 20 Jahren und mehr, hatten Pensionsfonds, die durch gehebelte Anlagestrategien in Bedrängnis geraten waren, auf eine Verschiebung von QT gedrängt. Die Bank of England kündigte stattdessen Mitte Oktober in einer Marktmitteilung an, im laufenden Quartal lediglich Staatsanleihen mit kurzen und mittleren Restlaufzeiten zu verkaufen. „QT wird wesentliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, sowohl auf die Assetpreise als auch in breiterer Hinsicht“, sagte James Richard Sproule, der bei Handelsbanken für Großbritannien verantwortliche Volkswirt. Viel von der geldpolitischen Straffung werde in den kommenden Jahren auf QT entfallen.

Die Geldpolitiker der Notenbank waren gezwungen, im Blindflug zu agieren, weil die neue britische Regierung ihren Haushaltsentwurf (Autumn Statement) erst am 17. November vorlegen wird. Die Zentralbankökonomen rechnen mit der längsten Rezession seit Beginn der Erhebungen in den 1920er-Jahren. Die britische Wirtschaft werde acht Quartale in Folge schrumpfen. Allerdings werde es weniger steil bergab gehen als während der Finanzkrise oder den 1980er-Jahren. Die weithin vom neuen Schatzkanzler Jeremy Hunt erwarteten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen sind in diesen Schätzungen nicht enthalten. Sie könnten den Ausblick weiter eintrüben. Die Notenbank geht immer noch davon aus, dass die hohe Inflation ein vorübergehendes Phänomen ist. „Von unserem aktuellen Stand ausgehend glauben wir, dass die Inflation ab Mitte kommenden Jahres zurückgehen wird, möglicherweise ziemlich stark“, sagte Bailey.

Gut zwei Millionen Eigenheimbesitzer, bei denen die Refinanzierung ihrer Festzinshypothek ansteht, sind besonders von den steigenden Zinsen betroffen. Vier Fünftel von ihnen zahlten bislang bis zu 2,5%. Vor der jüngsten Zinserhöhung wären ihnen Moneyfacts zufolge im Schnitt mehr als 6% abverlangt worden.

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