Cocowääh
Investoren zeigen sich von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) derzeit ähnlich begeistert wie die Tochter von Till Schweiger von dessen Kochkünsten in der Komödie Kokowääh: Schmeckt ihnen gar nicht. Vorweg: Es sollte niemanden überraschen, dass die Finma im Zuge der Rettung der Credit Suisse verlustabsorbierendes Fremdkapital – und das sind Contingent Convertible Bonds (Coco-Bonds) nun mal – abschreiben lässt, wenn die Bank in Not ist. Das nennt sich Bail-in und ist das zentrale Element der Bankenregulierung post Lehman: Eine Bank soll eben nicht mit Steuergeld gerettet werden. Dafür sollen in erster Linie die Aktionäre und dann bestimmte Fremdkapitalgeber geradestehen. Dass hinter Coco-Bonds für Investoren das Risiko eines Totalverlusts steht, muss jedem Investor klar gewesen sein, der einen Blick in die Anleihebedingungen geworfen hat. Die Notlage der Credit Suisse hat aber eindrücklich vor Augen geführt, dass dieses Risiko ziemlich real ist und nicht nur theoretisch auf dem Papier besteht. Eine systemrelevante Großbank wie die Credit Suisse kann auch heute noch umfallen. Das ist traurig, aber wahr.
Dennoch sind Investoren wütend auf die Finma, und erste Kanzleien positionieren sich bereits, um Klagen von geschädigten Investoren vorzubereiten. Die Geldgeber haben auch allen Grund dazu, wütend zu sein. Nicht per se darüber, dassihre Anleihen abgeschrieben wurden, aber wie sie es wurden. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Finma Coco-Bonds im Nominalwert von rund 16 Mrd. sfr komplett entwertet, während die Aktionäre mit UBS-Aktien im Wert von rund 3 Mrd. sfr entschädigt werden. Mit diesem Schritt hat die Finma für eine tiefe Verunsicherung im Markt gesorgt. Dieser hatte nämlich ein anderes Bild davon, wie die Haftungskaskade bei einem Bail-in aussieht: Zuallererst haften die Instrumente des harten Kernkapitals, das sind die Aktionäre. Erst wenn diese Quelle komplett versiegt ist, und nur dann, werden die Instrumente des erweiterten Kernkapitals herangezogen, dazu zählen die Coco-Bonds. Danach folgen das Ergänzungskapital und andere regulatorisch anrechenbare Eigenmittel. Dass die Finanzmarktaufsicht bei der Credit Suisse einen anderen Weg gewählt hat, war nicht nur unnötig. Die Finma hat damit vor allem einen ohnehin schon supernervösen Markt in noch größere Alarmstimmung versetzt. Bravo!
EU-Politiker und Regulatoren sahen sich deshalb mehrfach gezwungen, sich klar von dem Schweizer Weg zu distanzieren, um die Märkte wieder zu beruhigen. Und in der Tat: Vieles deutet darauf hin, dass ein vergleichbares Vorgehen bei europäischen Coco-Bonds wohl nicht möglich wäre. Doch egal, ob es in der Schweiz nun ein juristisches Nachspiel gibt und wie dieses ausgehen mag: Die Finma dürfte einigen Investoren gehörig den Appetit auf Coco-Bonds verdorben haben und Investoren zum Nachdenken bringen, ob sie das Risiko dieser Anleihen in der Vergangenheit richtig eingeschätzt haben. Möglich, dass ein jährlicher Kupon von 4,25% – das kostet beispielsweise ein Coco-Bond der Commerzbank, begeben im Sommer 2021 – ein bisschen wenig Kompensation für einen möglichen Totalverlust darstellt, der dann doch schneller eintreten kann als gedacht.