Deutsche Investitionen in China auf Rekordniveau
mpi Frankfurt
Die Investitionen deutscher Unternehmen in China sind auf einen Höchststand geklettert. Wie aus Zahlen der Deutschen Bundesbank hervorgeht, flossen 2022 rund 11,5 Mrd. Euro in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. „Der Trend ist gefährlich und verstärkt die deutsche Abhängigkeit“, sagte Jürgen Matthes, Leiter des Clusters globale und regionale Märkte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Der Außenhandelsexperte verwies darauf, dass die deutschen Importe aus China stark anwachsen, während die Exporte kaum mehr zunehmen. Inzwischen liegt das deutsche Handelsbilanzdefizit bei 84 Mrd. Euro und damit deutlich über dem Niveau vor einigen Jahren. „Die Wirtschaftsbeziehungen drohen immer einseitiger zu werden“, so Matthes.
China war 2022 zum siebten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner. 2022 wurden laut dem Statistikamt Destatis Waren im Wert von 297,9 Mrd. Euro zwischen beiden Ländern gehandelt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs will die Bundesregierung die Abhängigkeit der Wirtschaft von China nach eigenen Angaben reduzieren. Dieses Vorhaben dürfte jedoch nicht zeitnah umsetzbar sein. Alternative Lieferantenstrukturen zum bestehenden Geschäft in China aufzubauen ist für Firmen komplex und ressourcenintensiv. „Für die meisten Unternehmen ist ein Rückzug aus dem chinesischen Markt derzeit kein Thema“, hieß es jüngst daher in einer Studie des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME).
Doch die Abhängigkeit von China bringt Gefahren mit sich. „China ist kein verlässlicher Partner“, meint Matthes. So könne der Konflikt um die Insel Taiwan zunehmend zum Problem werden. Sollte China mittelfristig einen Krieg um den Inselstaat führen, den es als Teil seines Staatsgebietes betrachtet, bekämen die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu China einen erheblichen Dämpfer oder könnten sogar komplett zum Erliegen kommen – mit schwerwiegenden Folgen für deutsche Unternehmen. Auch aus Sicht der Diversifizierung wäre eine geringere Abhängigkeit von China abseits der politischen Risiken laut der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm wünschenswert. Im Interview der Börsen-Zeitung bezeichnete sie die Abhängigkeit von China „als eine Herausforderung für unsere Gesellschaft“ (vgl. BZ vom 28. März).
In einer im Februar veröffentlichten Studie des IfW Kiel kam der Ökonom Alexander Sandkamp jedoch zu dem Schluss, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China geringer sei, als der Blick auf die Außenhandelsstatistik zunächst vermuten lasse (vgl. BZ vom 16. Februar). Nur ein kleiner Teil der deutschen Produktion hänge direkt oder indirekt von chinesischen Vorleistungen ab. Dies sei vor allem der Fall bei der Produktion von elektronischen Waren wie Laptops und Mobiltelefonen sowie bestimmten Textilprodukten wie Spinnstoffwaren.
Insgesamt kommen laut der Untersuchung des IfW Kiel jedoch nur etwa 0,6% der direkten Vorleistungen, die für die deutsche Produktion benötigt werden, aus China. Der Anteil der direkten Vorleistungen aus den USA und Frankreich sei jeweils etwas höher. Dennoch meint auch IfW-Ökonom Sandkamp: „Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung.“