Flugsimulator-Bauer will Pilotentraining mit VR revolutionieren
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Ökologische Bedenken hin oder her: Den Traum vom Fliegen träumen noch immer viele. Im vergangenen Jahr gehörte der Pilot zu den am häufigsten genannten Sehnsuchtsberufen deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie eine Umfrage des Forschungsinstituts Marketagent ergeben hatte.
Allein, wer sich näher mit den Möglichkeiten einer Piloten-Ausbildung befasst, merkt schnell: Die Sache ist teuer – sowohl für die Auszubildenden als auch für die Airlines. Das liegt unter anderem an den Flugsimulatoren, die wegen ihrer Komplexität oft das Vielfache des realen Fluggeräts kosten.
Aus diesem Grund sind solche Trainingsgeräte auch rar gesät. Für den Airbus H125 beispielsweise, einen Helikopter, dem der Hersteller den liebevollen Beinamen „Eichhörnchen“ verpasst hat, gibt es in Europa genau zwei Simulatoren, wie Fabian Riesen, Elektroingenieur und Gründer des Schweizer Technologie-Start-ups Loft Dynamics, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erzählt: einen im französischen Albertville und einen in Helsinki.
„Das ist schon eine relativ große Simulatordichte“, sagt der 49-Jährige. Für die Robinson R22 des gleichnamigen US-Herstellers gebe es überhaupt keinen Simulator. „Einfach, weil der Bau das 100-Fache des eigentlichen Hubschraubers kosten würde. Und das lohnt sich einfach nicht.“
Dabei sei der Bedarf an Flugstunden, die nicht im eigentlichen Fluggerät stattfinden, groß. Nicht nur weil der Branche derzeit ein genereller Pilotenmangel zu schaffen macht, sondern auch, weil es eine Frage der Sicherheit ist. „In Europa haben wir pro Woche noch immer einen gravierenden Hubschrauberunfall“, sagt Riesen. „Ein Drittel davon passiert beim Training. Deswegen ist die europäische Luftfahrtagentur EASA auch vor vier Jahren auf uns zugekommen.“
Das, was die Aufmerksamkeit der Behörde damals erregt hatte, war der Prototyp eines Simulators, für den Loft Dynamics nun erstmals im Rahmen einer institutionellen Finanzierungsrunde 20 Mill. Dollar eingesammelt hat. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille sollen angehende Hubschrauberpiloten in einem nachgebauten Cockpit deutlich realistischer und günstiger trainieren können als in einem herkömmlichen Simulator.
„In herkömmlichen Simulatoren wird die Außenwelt auf Bildschirme projiziert“, erklärt Riesen. „Wenn jetzt der Hubschrauberpilot seinen Kopf ein bisschen bewegt, dann bewegt sich die Außenwelt nicht. Das ist aber genau der springende Punkt: In der virtuellen Realität bewegt sich das Ganze.“
Der VR-Simulator sei auch für das Training in Bodennähe und in sogenannten Multicrew-Cockpits, also für mehrköpfige Flugbesatzungen geeignet, sagt der CEO. „Wir haben eine Technologie entwickelt, die den ganzen Körper digitalisiert und dann am Schluss als Avatar darstellt.“ Handschuhe, in denen Sensoren verbaut sind, oder anderweitige Messgeräte brauche es dafür nicht. „Das funktioniert einfach so. Man setzt die Brille auf und man sieht sich als Avatar in Echtzeit. Und weil ich mich selbst als Avatar sehe, kann ich diesen Avatar auch auf einer zweiten, dritten oder vierten Maschine anzeigen. Und so kann ich Multicrew-Flüge durchführen.“
EASA-Zulassung gibt Schub
Die Modelle Airbus H125 und Robinson R22, für die Loft Dynamics bislang eine EASA-Zulassung erhalten hat, werden aber ohnehin nur von einem Piloten geflogen. Riesen ist dennoch stolz auf die Zertifizierungen: „Wir sind bis heute die Einzigen, die das geschafft haben“, sagt er. „Die Zulassung nach FTD-3-Level (FTD = Flight Training Device, Anm. d. Red.) ist die höchste Klasse, die man für eine Cockpit-Nachbildung in Originalgröße erreichen kann. Das hat uns eine Stufe weiterkatapultiert.“ An den bisherigen Absatzzahlen sei das klar erkennbar: Hatte Loft Dynamics, die bis zuletzt noch unter dem Namen VRM Switzerland operierte, im vergangenen Jahr gerade mal zwei Geräte verkauft, so waren es in diesem Jahr schon 20.
Mit dem Geld aus der Finanzierungsrunde, die von den US-Investoren Craft Ventures, Sky Dayton und Up Ventures angeführt wurde, will Riesen das Wachstum des Unternehmens nun vorantreiben und dazu in neue Regionen vordringen – allen voran in die USA. Dazu arbeitet das Start-up an der Entwicklung eines Simulators für einen weiteren Helikoptertyp, den Airbus H145. „Der ist beim ADAC, bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega und bei der Deutschen Luftrettung im Einsatz“, sagt Riesen. Anders als der H125 und die Robinson R22 kann der H145 auch von zwei Piloten gesteuert werden. Am Montag hat die Rega bei Airbus zwölf weitere Hubschrauber des Typs bestellt.
Hoffnung auf breiten Einsatz
Was die weiteren Nutzungsmöglichkeiten seines Simulators angeht, ist Riesen ebenfalls zuversichtlich. „Das Ganze ist ja nicht nur für Hubschrauber limitiert, sondern kommt auch für Starrflügelflugzeuge und für Lufttaxis in Frage“, sagt er. Gerade bei den sogenannten eVOTLs, also den elektrisch angetriebenen Fluggeräten, die senkrecht starten und landen und um deren Zulassung sich Start-ups derzeit weltweit ein Rennen liefern, werde es eine massive Nachfrage nach entsprechenden Trainingsgeräten geben, sagt Riesen.