Immobilienaktien

Für Wohnimmobilien­­­werte wird die Luft dünner

Wohnimmobilienaktien, 2022 die Verlierer des deutschen Aktienmarkts, sind 2023 in den Höhenflug übergegangen. Nach den kräftigen Gewinnen seit Jahresbeginn wird die Luft für die Aktien nun dünner.

Für Wohnimmobilien­­­werte wird die Luft dünner

Sie waren die großen Verlierer des Jahres 2022 am deutschen Aktienmarkt und sind nun in den Höhenflug übergegangen. Wohnimmobilienaktien haben seit dem Jahresbeginn kräftig zugelegt und ihre jeweiligen Indizes, die ebenfalls enorm gestiegen sind, deutlich geschlagen. So hat etwa die Aktie des Branchenprimus Vonovia einen Gewinn von 28% erzielt, der mehr als dem Doppelten der Performance des Dax (11,4%) entspricht. LEG Immobilien sind um 27,5% gestiegen, TAG Immobilien sogar um 48,4%. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in der Anfangsphase eines Jahres gerade die Aktien besonders gefragt sind, die zuvor überproportional stark gefallen sind. Die Wohnimmobilienwerte sind mit ihrer Hausse auch nicht allein. Auch Internet-Titel haben sich nach heftigen Einbußen im Vorjahr kräftig erholt, darunter die Dax- und SDax-Spitzenreiter Zalando (35,6%) und Shop Apotheke (62%).

Getrieben werden die Wohnimmobilienaktien allerdings keineswegs nur von einer Rotation in Vorjahresverlierer. Der Sektor ist sehr zinssensibel und hat damit im zurückliegenden Jahr überproportional stark auf den Zinsschock beziehungsweise die anziehenden Anleiherenditen reagiert, nachdem er zuvor jahrelang sehr stark vom Rutsch der Zinsen bis in den Negativbereich profitiert hatte. 2023 hat das Zinsumfeld erneut gedreht. Sinkende Inflationsindikationen schüren Erwartungen, dass die Leitzinsen weniger deutlich erhöht werden als zuvor vermutet und dass es zu einem nicht allzu weit entfernten Zeitpunkt, in diesem Jahr noch in den USA, wieder zu ersten Leitzinssenkungen kommen wird. Dementsprechend sind auch die Anleiheverzinsungen stark zurückgekommen, die der zehnjährigen Bundesanleihe seit Jahresbeginn um nahezu 50 Basispunkte.

Mit ihrem Höhenflug haben die Wohnimmobilienaktien zudem ein Stück weit ihre übertriebenen Kursverluste des Vorjahres korrigiert. Allerdings reflektiert ihr kräftiger Kursanstieg in sehr kurzer Zeit seit Jahresbeginn mittlerweile auch eine gehörige Portion Zuversicht. Denn die Leitzinsen steigen vorerst weiter, auch wenn die Fed ihr Erhöhungstempo deutlich verlangsamt hat und ihr Anhebungszyklus, sowie auch derjenige der Europäischen Zentralbank, möglicherweise im Verlauf des Frühjahrs enden wird. Wenn die Währungshüter beim Wort genommen werden, werden sie die Zinsen über einen längeren Zeitraum auf den erhöhten Niveaus halten, um die Inflation einzudämmen. Das ungünstigere Zinsumfeld bleibt somit auf absehbare Zeit erhalten, von einer Rückkehr zu den extrem niedrigen bis negativen Zinsen ganz zu schweigen.

Damit bleiben auch die von den höheren Zinsen ausgehenden Belastungen für die Wohnimmobilienbranche erhalten. Nach jahrelanger zum Teil in erheblichem Umfang schuldenfinanzierter Expansion sehen sie sich deutlich erhöhten Finanzierungskosten ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die Immobilienpreise nach jahrelangen kräftigen Anstiegen mit Verzögerung auf die höheren Zinsen reagiert und Mitte des zurückliegenden Jahres gedreht haben. Seit dem Juni 2022 ist der Eigentumswohnungspreisindex von Europace jeden Monat gesunken, mit sich im Herbst verstärkender Tendenz. Zuletzt sank er von November auf Dezember um 1,9% und wies im Vergleich zum Hoch vom Mai ein Minus von nahezu 9% auf. Die Nachfrage ist stark gesunken, weil etwa Privathaushalte, die die hohen für einen Wohnungskauf benötigten Hypothekenkredite bei Zinsen von einstmals um 1% gut finanzieren konnten, diese nun bei deutlich mehr als 3% nicht mehr stemmen können. So schnell wird der Markt seine Schwäche unter den gegebenen Umständen nicht ablegen, anhaltende Kaufzurückhaltung wird die Preise voraussichtlich bis auf Weiteres unter Druck halten. Damit sind die Wohnimmobilienunternehmen zusätzlich Wertverlusten ausgesetzt. Nachdem sie – und das war ein wichtiger Bestandteil ihres Geschäftsmodells – Jahr für Jahr ihre Wohnungsbestände aufwerten konnten, müssen sie nun Wertkorrekturen vornehmen.

Es gibt jedoch auch stabilisierende Faktoren für die Branche. So sind die Mieteinnahmen robust und scheinen auch nicht sonderlich gefährdet, wozu die Entlastungspakete beitragen. Der Immobilienpreisrückgang wird sich zwar wahrscheinlich fortsetzen, aber ein schwerer Sturz zeichnet sich derzeit nicht ab, unter anderem weil Wohnraum knapp bleibt und die Hypothekenfinanzierungsstrukturen hierzulande recht solide sind. Allerdings sprechen die aktuellen Belastungen dafür, dass der Outperformance der Wohnimmobilienaktien Grenzen gesetzt sind und die Luft für die Werte nun allmählich etwas dünner wird.

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